Neulich fragte mich meine Frau, warum ich eigentlich so viele Modellbausätze anhäufe, wenn ich doch schon an einem einzigen fast ein Jahr lang herumbaue. Gute Frage.

Nun bin ich im Vergleich mit meinen Clubkameraden nicht der exzessive Sammler. Ich habe vielleicht 50 Bausätze in meinem „Stash“, und ich nehme nur Kandidaten auf, die mich auch wirklich interessieren. Dinge, an denen ich das Interesse verloren habe, verschenke ich oder spende sie für unsere Tombola.

Dennoch stelle auch ich mir die Frage, ob ich jemals all diese Bausätze in der mir verbliebenen Lebenszeit bauen kann. Wohl eher nicht. Und da ist wieder die berechtigte Frage meiner Frau: Warum so viel anhäufen?

Als ich darüber nachdachte, kam ich auf die Frage, wie ich mir eigentlich das nächste Projekt aussuche, wenn ich ein anderes abgeschlossen habe. Ich habe keine feste Liste und Reihenfolge von Bausätzen, die auf den Tisch kommen. Bei meiner langsamen Baugeschwindigkeit würde sich das über Jahre erstrecken. Nein, ich entscheide relativ spontan, was als Nächstes drankommt. Oft hängt das davon ab, was ich gerade lese, oder welchen Film ich zuletzt gesehen habe. Wofür ich gerade eine gute Idee habe. Welchen tollen Bausatz ich zuletzt dazubekommen habe.

Und da dämmerte es mir.

Eine Bausatzsammlung ist kein Arbeitsprogramm. Es ist kein sozialistischer Fünfjahresplan, der strikt abzuarbeiten ist. Es ist nicht mein Ziel, dass ich pünktlich zu meinem statistisch bestimmten Ableben mein letztes Projekt beende.

Meine Sammlung ist vielmehr das: Auswahl. Spontaneität. Die Möglichkeit, in genau den Kaninchenbau hinabzusteigen, auf den ich gerade Lust habe. Freiheit.

Eine gute Bausatzsammlung bietet für jedes Interesse und jede Stimmungslage etwas. Sie ist keine To-Do-Liste, sondern wie ein Weinkeller, aus dem ich mir spontan das aussuche, worauf ich heute Lust habe. Und wie das bei Weinkellern so üblich ist, legt man die Sammlung lange vor Genuss auf Verdacht an. Kein Weinkenner kauft am Donnerstag die Flasche, die er am Samstag trinken will. Er lässt sich von seiner Sammlung inspirieren und sucht dann etwas aus.

Und dafür wollen wir Vielfalt. Vielfalt im Maßstab. Vielfalt im Thema. Vielfalt in der Epoche, der Geschichte und den Varianten. Da kommt schon ein bisschen was zusammen. Dafür kann ich dann auch an einem Sonntagnachmittag spontan entscheiden, dass ich jetzt einen taiwanesischen Starfighter mit Doppelcockpit bauen möchte.

Darum haben wir Modellbauer immer viel mehr Bausätze als wir jemals bauen können. Ob das dann 1.000 oder mehr sein müssen, darüber lässt sich diskutieren. Aber das ist ein Thema für einen anderen Tag…

Christian Höcherl, Berlin (Januar 2024)

2 Kommentare zu diesem Beitrag
  1. Schöner Text! Das Kaufen macht eben auch grossen Spass. Allerdings ist es bei mir schon manchmal so, dass es zwanghaft wird. Dann macht das Hobby auch keinen Spass mehr. Daher versuche ich, nicht mehr als 30 Kits zu besitzen und wirklich nur Bausätze zu kaufen, die ich auch bauen möchte.

  2. Nicht nur Kaufen und Sammeln macht Spaß. Bei mir überwiegt die Freude über die fertigen Modelle. Es ist mir einfach zu schade, diese der “Tonne” zu übergeben. Also warten neue Projekte vergeblich auf Platz in den Vitrinen. Übrigens kaufe ich öfter einen Wein, probiere ihn am Abend und entscheide dann, ob ich noch mehr davon kaufe. Mein Weinkeller ist eigentlich voll. Somit erheben wir das Glas auf neue und interessante Projekte, die Freude über das gebaute und trauern den Dingen nach, die wir nicht mehre schaffen werden,

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