Beitragsbild: ein 3D-Druck wird von seinen Supports befreit

Es dürfte mittlerweile 15 Jahre her sein, als ich mit Freunden das erste Mal bei YouTube sah, wie eine vollplastische Resinfigur im 3D-Druck erstellt wurde. Damals überlegten wir uns, wie dieses Verfahren in unserem Hobby eingesetzt werden müsste: Einen Master drucken und klassisch abgießen oder gleich ganz aus dem Drucker in die Schachtel? Wie groß könnten solche Bausätze werden und was sollte so etwas kosten? Damals waren die Preise ja noch unerschwinglich…

Zurück in die Gegenwart. Mittlerweile ist diese Technologie im Modellbau gängig, aber nur bei einigen Herstellern. In Haushalten stehen 3D-Drucker wohl noch seltener. Dabei sind die Vorteile doch offensichtlich:

  • Die Detaillierung via CAD und deren Umsetzung im Resindruck (Stereolithografie (SLA)) ist wesentlich filigraner als Plastikspritzguss und plastischer als Ätzteile. Zudem können komplexe Formgebungen gedruckt werden, die in keinem anderen bisherigen Verfahren in einem Stück erstellt werden können.
  • Es gibt keine teuren Gussformen, egal ob aus Metall oder Silikon.
  • Hersteller können mit einem gedruckten Prototypen schnell testen, ob ein Modell produktionsreif ist, ohne Testabgüsse vom Formenhersteller ordern und auf deren Versand warten zu müssen. Die Korrektur von etwaigen Fehlern ist zudem wesentlich einfacher.
  • Änderungen am Original, z. B. das Upgrade eines Fahrzeuges oder eine neue Ausführung, lassen sich schnell im Modell realisieren. Auch verschiedene Maßstäbe sind mit marginalem Aufwand bedienbar.
  • Drucke können so dünn gehalten werden, dass sie (auf Decalfilm aufgetragen) im Innenraum von Fahrzeugen die flachen Decals für Instrumente ersetzen können.

Von Anderen in unserem Verein hörte und las ich auch schon Kommentare wie: „Mittlerweile wird der Druck immer besser. So langsam freunde ich mich damit an.“
Doch warum steigen nicht alle euphorisiert auf diese Technologie um?

Anscheinend gibt es noch zu viele Probleme. Einige, die mir spontan einfallen sind:

  • Filamentdrucke (Fused Deposition Modeling (FDM)) sind für gröbere oder funktionsfähige Modelle geeignet, scheiden aber bei filigranen Maßstabsmodellen aus.
  • Der Druck benötigt viele Stunden Zeit für verhältnismäßig kleine Teile. Nach dem Druck kommt noch eine Härtung mittels UV-Licht oder einer Woche Sonnenbestrahlung hinzu.
  • Das Druckvolumen ist, abhängig vom Druckermodell, begrenzt. Es lassen sich nur kleinere Modelle als Ganzes drucken oder Einzelteile müssen so ausgelegt werden, dass sie auf die Druckplatte passen.
  • Die Druckteile benötigen Supportstrukturen, um während des Druckprozesses nicht zu zerfallen. Auch bilden sich, je nach Kalibrierung und Qualität des Druckers, Stufen auf den Oberflächen. Diese müssen anschließend mühsam entfernt und die Supporttrennstellen versäubert werden. Unter Umständen werden durch die Supports auch Details zunichtegemacht. Das Material ist nach dem Aushärten außerdem spröde.
  • Ein SLA-Drucker kostet aktuell >200 Euro, mit steigender Qualität und Raumgröße noch deutlich mehr. Zudem ist das flüssige Resin nicht sonderlich günstig und einige Baugruppen des 3D-Druckers sind Verschleißteile. Somit kommen zu den Beschaffungskosten eines Druckers noch laufende Betriebskosten und einiges an Wartungsaufwand hinzu.
  • Um 3D-Modelle zu erstellen und diese zu drucken, bedarf es einiges an Knowhow. Damit dürften Anfänger schnell überfordert sein.

Wie zu erwarten, gibt es neben Licht auch Schatten.

Wann lohnt sich denn der 3D-Druck?

Es kommt wohl darauf an, was man vorhat. Wie angesprochen dürften Einsteiger und vielleicht auch der ein oder andere ältere Modellbauer mit (komplexen) 3D-Modellen schnell an ihre Grenzen kommen. Wer hingegen schon Erfahrung mit Resin- oder Ätzteilen hat, sollte mit der Handhabung gedruckter Teile keine Probleme kriegen. Für die große Serienproduktion sind aktuelle Drucker, auch industrielle, noch nicht geeignet. Kleinteile, z. B. Detailsets für bestehende Modelle, Figuren oder Dioramenzubehör, oder auch Modelle in kleinen Maßstäben lassen sich hingegen recht einfach drucken. Solche sind auch schon sehr gängig auf dem Markt vertreten. Wer ein klassisches Modell, wie eine Spitfire oder einen PzKpfw. VI Tiger, ohne großen Aufwand bauen möchte, findet beim Spritzguss genügend Bausätze zu ordentlichen Preisen. Wer eher auf Exoten steht, viel Wert auf eine gute Detaillierung legt oder bestimmte Fahrzeuge / Figuren in Masse benötigt, z. B. für Tabletop, wird mit Drucken wohl zufriedener sein.

Lohnt sich eine eigene Beschaffung oder sollte man doch lieber auf fertige Sets von Herstellern setzen?

Zu beachten ist, dass man nicht nur 1x den Drucker kauft, sondern damit einhergeht, dass man sich STL-Dateien, eine Slicing-Software, Flüssigresin sowie Ersatzteile (Resintankfolien, Druckplatten, UV-Belichtungsbildschirme etc.) beschaffen muss. Auch gelingt nicht jeder Druckvorgang. Dafür hat man mit einem gelungenen Druck ein vollständiges Modell ohne große Nachdetaillierung, welches man immer wieder herstellen kann. Demgegenüber kann das Aufwerten eines bestehenden Modellbausatzes mit Resin- und Ätzteilen sowie extra Figuren sehr schnell sehr teuer werden. Hier sollte man auf Dauer gut kalkulieren, was einem besser passt. Es wohl ist wie mit Autos: man muss für sich wissen, ob einem der Nahverkehr genügt oder ob man sich die zusätzlich gewonnene Mobilität teuer bewahren will.

Meine Schlussfolgerung:
Es gab schon so manche Technologie, die im Modellbau einer bisher gängigen den Platz streitig gemacht hat: Plastikspritzguss dem Zinnguss, die Airbrush dem Pinsel, Acryfarben den Enamel- und diese den Ölfarben. Aber dennoch sind all diese Materialien und Technologien immer noch auf dem Markt erhältlich. Die Skepsis und Befürchtungen mancher Kollegen im Hobby teile ich nicht. Stattdessen denke ich, dass wir aktuell wie selten zuvor bereichert werden. Neue Unternehmen schießen aus dem Boden und so manch ein etabliertes Unternehmen hat die neuen Möglichkeiten für sich auch schon erkannt: Ältere Bausätze werden mit anderen Ausführungen wiederbelebt und neue Bausätze gleich mit einem Materialmix aus Spritzguss-, Metall- und 3D-Druck-Teilen geliefert. (Keine geteilten Plastikkanonenrohre oder verzogenen Vinylketten mehr!)
Von daher freue ich mich als detailverliebter Modellbauer besonders über die neuen Möglichkeiten und werde diese in Zukunft gerne nutzen.

Philip Koch, Godern (Dezember 2023)

2 Kommentare zu diesem Beitrag
  1. Hallo Philip,
    vielen Dank für diesen interessanten Beitrag, den ich mit großem Interesse gelesen habe.
    Seit geraumer Zeit setze ich mich auch mit diesem Thema auseinander und sehe noch zwei wichtige Punkte, die ich gerne ergänzen will:
    1. Ein extremer Vorteil für Hersteller ist, dass im Gegensatz zu Plastik Spritzguss beim 3D Druck keine hohen Stückzahlen produziert werden müssen, sondern man stellt nach Bedarf her. Damit entfällt das Risiko, dass man “aufs falsche Pferd” gesetzt hat und tausende von Bausätzen als Ladenhüter enden und die Produktionskosten nicht kompensiert werden können.
    2. Inzwischen werden 3D Druckdateien auch kostenfrei oder zumindest relativ günstig im InterNet angeboten. Als Modellbauer mit Zugriff auf einen Drucker (im eigenen Haushalt oder über Dritte) entfällt damit die Lagerhaltung. Man kann sich die Dateien herunterladen und druckt diese erst dann aus, wenn man das Modell oder den Umbau auch wirklich startet. Damit stapeln sich keine neuen Bausätze im Bastelkeller.

    Gert

  2. Moin Phillip,
    ich kann mich meinem Vorredner nur anschliessen, der Artikel bietet einen guten Einblick in den 3D Druck.
    Ich habe mir gemeinsam mit einem Freund vor 5 Jahren einen ersten 3D Drucker geholt, damals einen Anet A8 und muss sagen, obwohl es der Anet A8 war, dass ich es nie bereut und mir weitere Geräte angeschafft habe.
    Heutzutage bekommt man einen vernünftigen FDM Drucker für um die 200 Euro, und auch SLA Drucker mit 4 oder 8k Auflösung sind mittlerweile bezahlbar, allerdings kommen hierbei noch weitere Kosten für Härtungskammer und Verbrauchsmaterial wie Handschuhe, Isopropanol und Reinigungsmaterial, allerdings werden auch hervorragende Ergebnisse erzielt.

    Jedoch fehlt mir ein besonders wichtiger Negativpunkt in der Auflistung. Filamente können beim Druck gesundheitsschädliche Dämpfe freigeben, und das für SLA Drucke benutzte Resin ist nicht nur umweltschädlich, es ist auch äusserst giftig und kann die Atemwege dauerhaft schädigen, wenn keine Schutzmaßnahmen ergriffen werden, Handschuhe, Schutzbrille, Atemmaske mit Filter und gute Belüftung sind Pflicht.

    Ansonsten aber ein guter Artikel, und ich bin gespannt, ob noch mehr in der Richtung kommt.
    Danke, Michael

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