Das Vorbild:
Die Ruhrstahl X-4 (auch Kramer X4 oder RK 344) war eine deutsche Luft-Luft-Rakete mit Drahtlenkung, die während des Zweiten Weltkrieges Anfang 1943 entwickelt wurde. Die X-4 war mit einem BMW-Raketenmotor des Typs 109-548 ausgerüstet, der den hauptsächlich aus Aluminium und Sperrholz bestehenden Flugkörper auf eine Geschwindigkeit von rund 900 km/h bringen konnte. 

Der erste Testflug fand am 11. August 1944 mit einer Focke Wulf Fw 190 statt. Ursprünglich war es geplant, einsitzige Flugzeuge mit der X-4 auszustatten. Es stellte sich jedoch heraus, dass es für die Piloten äußerst schwierig war, ihr eigenes Flugzeug und zusätzlich noch die Rakete zu lenken. Aus diesem Grund wurde überlegt, mehrsitzige Flugzeuge wie die Ju-88 mit der Rakete auszustatten.

Für die Steuerung übertrugen zwei dünne Drähte die Steuerimpulse. Die beiden Steuerdrahtspulen waren in zwei Gondeln an der Spitze zweier gegenüber liegender Flügel untergebracht. Zur Stabilisierung der Flugbahn drehte sich die X4 mit einer Umdrehung pro Sekunde um die eigene Längsachse. Ein automatisches Ausgleichsgerät setzte die Lenkbefehle in Ruderausschläge um, wobei die Eigenrotation berücksichtigt wurde. Der Pilot steuerte die Rakete ins Ziel, indem er sie mit dem anvisierten Objekt zur Deckung brachte. Hierzu waren Leuchtsätze in zwei der vier Flügelspitzen angebracht. Die Motorgeräusche der anvisierten Flugzeuge sollten dann die akustischen Sensoren aktivieren, die den Flugkörper dann explodieren ließen. 

Bis 1945 hatte Ruhrstahl 1300 Stück der X-4 gebaut. Die Zerstörung der BMW-Produktionsstätte für Raketenmotoren verhinderte eine weitere Produktion.

Von der Luft-Luft-Rakete sind mindestens zwei verschiedene Versionen, die fotographisch belegt sind. Die als frühe Ausführung bezeichnete Rakete zeigt vorne noch keinen Dorn, in dem bei der späten Version der Zünder untergebracht war. Desweiteren fehlten noch die kleinen Strömungsplättchen an den Flügeln, mit dessen Hilfe der Flugkörper zur Rotation gebracht wurde.

Ruhrstahl Kramer X-4, frühe Test-Ausführung 

Technische Daten:

Einsatznicht belegt
HerstellerRuhrstahl AG
Spannweite72,6 cm
Länge201 cm
Gewicht60 kg
Gefechtskopf20 kg
Höchstgeschwindigkeit900 km/h
Reichweite3,5 – 5,5 km
ZünderAbstandszünder von Kranich

Das Bauprojekt:

Wie auch bei der Henschel 293 fand ich im Internet ein kostenloses 3D-Modell der RK X-4, und nach einer kurzen Info an meinen österreichischen Modellbaukollegen Lukas erhielt ich nur wenige Tage später die entsprechenden Teile in seinem bevorzugtem Maßstab 1/16.

1. Die frühe Ausführung

Das Modell bestand aus drei Teilen, wobei ich die Befestigungsschiene zur Anbringung der Rakete an der Flügelunterseite des Trägerflugzeuges nicht benötigte. Ein Vergleich mit dem Foto des Originales der frühen Ausführung zeigte mir an einigen Stellen deutliche Abweichungen, woraus Handlungsbedarf resultierte:

1. Entfernen der Zünderspitze, die es in der frühen Ausführung noch nicht gab
2. Reduzieren des Durchmessers des Grundkörpers im vorderen Bereich der Rakete
3. Neuerstellung der Leitflügel, da diese zu schmal dargestellt sind
4. Neuerstellung der Drahtspindeln und Leuchtmittelaufnahmen an den Flügelenden
5. Anpassen der Kanten des Heckleitwerkes, da diese einen zu stark ausgeprägten Winkel aufwiesen

Damit ich den Raketengrundkörper optimal bearbeiten konnte, habe ich nicht nur den Dorn vorne und die Flügel, sondern auch deren Halterungen entfernt. Nach einer manuellen Schleifaktivität sah der Grundkörper zwar deutlich besser aus, aber man müsste den vorderen Bereich wahrscheinlich noch etwas mit Putty aufbauen um ein perfektes Profil zu erhalten. Das habe ich mir geschenkt.

Im nächsten Schritt ergänzte ich die Halteschienen für die Flügel aus Evergreen Strips inklusive der Halteschrauben, die im 3D-Modell auch nicht korrekt dargestellt waren.

Für die Holzflügel habe ich die Abmessungen aus den im Internet zu findenden Fotos in den Maßstab übertragen und aus Plastikplatten neu erstellt und auch mit den Halterungen am Grundkörper und den Flügelenden versehen. Die Drahtspindeln wurden aus Evergreen Rundprofilen mittels manuellem Schleifen neu aufgebaut und erhielten an den Vorderseiten noch einen kleinen Stift entsprechend dem Original. Hier hätte ich mir wahrscheinlich unter Verwendung eines Dremels für die Schleifaktion viel Zeit sparen können.

Im Anschluss daran erfolgte eine Grundierung mit schwarzer Farbe als Grundlage für das Auftragen der Metallfarbe via Airbrush.

Auf dem Foto des Originals weist der vordere Bereich eine etwas hellere Farbe auf, die ich als rot interpretiert habe, was für Prototypen oder Testexemplaren üblich war.

Nach Lackieren und einem Washing erhielten die Flügelchen noch einen “Holzanstrich” und die X-4 in früher Ausführung erhielt noch ein Gestell zur Präsentation.

2. Die späte Ausführung

Ruhrstahl Kramer X-4, späte finale Ausführung

Wie auf dem Foto des Originales gut zu erkennen ist, wies die finale Ausführung einen Front-Dorn mit dem Zünder auf. Außerdem kann man bei genauerer Betrachtung an dem unteren Flügel eines der vier aufgeschraubten Seitenbleche erkennen, mit der die Rakete in Rotation gebracht wurde.

Für die Umsetzung dieser Ausführung habe ich mich dazu entschlossen ein bereits fertig gedrucktes Bauteil der Rakete inklusive Halterung zu verwenden und mit Ausnahme des Entfernens der Halterung, dieses ohne weitere Änderungen zu bemalen.

Nach der üblichen Schleifprozedur und einer soliden Grundierung wurden dann die Farben entsprechend dem Vorbild mit meiner Airbrusch aufgetragen.

Nach dem Betonen der Details mittels Pin-Washes fand auch diese Version seinen Platz auf dem Bock für die Präsentation.

Fazit: Eine aus meiner Sicht sehr kleine aber feine Bordrakete. Aber die Vorstellung, wie man diese bei einer Geschwindigkeit von annähernd Mach 1 mit Hilfe einer Drahtfernlenkung ins Ziel bringen kann, ist mir weiterhin schleierhaft.

Interessant ist dieses Modell aber insbesondere, weil dieses als Freeware-Datei erhältlich ist (perfekt, sofern man einen Drucker hat oder jemanden kennt, den man damit beauftragen könnte) und in wirklich jedem möglichen Maßstab umgesetzt werden kann.

Gert Brandl, Berlin (September 2023)

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