Wenn man ein paar Jahre im Hobby zubringt und nicht nur für sich selbst baut, sondern auch mal auf Ausstellungen unterwegs oder im Club aktiv ist, kommt man unweigerlich mit anderen Modellbauern zusammen. Und wie das immer so ist, sind andere Menschen eben anders. Jeder lebt und liebt das Hobby auf unterschiedliche, auf seine eigene Weise. Aber gewisse Ähnlichkeiten gibt es dann doch.

Darum nun hier ohne Anspruch auf die letztgültige Wahrheit die fünf meistverbreiteten Typen von Modellbauern. Sie begegnen einem immer wieder, und man selbst fällt natürlich auch in mindestens eine der Kategorien. Testet euch selbst – und lasst uns wissen, womit ihr euch identifiziert!

Der Historiker

Wir haben alle einen unterschiedlichen Zugang zum Hobby. Beim Historiker läuft das über die Geschichte. Er sucht sich sein nächstes Bastelprojekt nicht danach aus, was gut aussieht, oder wo es einen neuen, fantastischen Kit zu einem Thema gibt. Nein, er kennt sich in der (Technik)geschichte bestens aus und wird von echten Begebenheiten und Originalfotos inspiriert. Dieses Original will er dann so genau wie möglich und nietgetreu nachbauen.

Er scheut dazu keine Kosten und Mühen. Er kombiniert verschiedene Bausätze, je nachdem an welcher Ecke ein Hersteller bessere (= historisch akkuratere) Arbeit geleistet hat. Er beschafft Zubehör ohne Ende und verwendet davon höchstens ein paar Einzelteile. Er hält eigens angemischte Farbmuster zum Vergleich an Museumsexponate, die noch originallackiert sind. Er kann das Produktionswerk einer Bf 109 oder eines T-34 aus mehreren Kilometern Enfernung an der Form eines Dichtgummis erkennen. Er streitet sich in Internetforen mit anderen Historikern über die Position von Luken, Nieten, Radmuttern und die Farbe von Erde aus den Ardennen.

Der Albtraum des Historikers ist, für sein Modellvorbild nur Fotos von vorne, links und hinten zu haben. Wie soll er jetzt die rechte Seite bemalen? Daher hält er sich eine stetig wachsende Bibliothek mit bildstarker Fachliteratur, um auf alle Fragen vorbereitet zu sein. Der Ehepartner des Historikers nennt ihn liebevoll einen Bibliothekar mit einem Modellbauproblem. Das ist ihm egal. Er ist derjenige, der angesprochen wird, wenn im Club jemand Details zum Original braucht. Er kann helfen. Er ist der Historiker.

Der Perfektionist

Für den Perfektionisten ist das einzige, was zählt, ein sauber gebautes und lackiertes Modell, das keine Mängel mehr aufweist. Historische Akkuratesse ist eher zweitrangig. Was wichtig ist, sind perfekt verschliffene Klebenähte, sauber nachgravierte Blechstöße und genaueste Ausrichtung von Tragflächen und Leitwerken. Der Perfektionist will brilliant lackierte Glasteile, Markierungen, die nicht als Decals zu erkennen sind, und Tarnmuster, die eigentlich nur ein Ameisenknietätowierer erzeugen kann.

Dafür schafft der Perfektionist einen beachtlichen Maschinen- und Werkzeugpark an, denn nur mit präzisen Hilfsmitteln lassen sich perfekte Modelle bauen. 100€-Seitenschneider aus Japan, Spritzpistolen von Iwata, der Elektrogerätepark von Proxxon und Pinsel von Windsor&Newton finden sich beim Perfektionisten auf der Werkbank. Er baut nicht einfach darauf los, sondern testet, probiert aus und versucht, seine Fähigkeiten zu vervollkommnen, bevor er sich ans eigentliche Modell macht. Er verehrt internationale Realismus-Gurus, die auf Youtube Seminare über die forensische Aufarbeitung von Dreckspritzern an Fahrzeugen abhalten.

Der Perfektionist möchte ein Modell schaffen, das nicht mehr als solches zu erkennen ist. Ihn selbst wundert es nicht mehr, warum er nur alle zwei Jahre ein neues Modell fertigstellt. Qualität geht ihm über Quantität. Er ist immer ein Quell von neuen Techniken, Verfahren und esoterischen Werkzeugen, und er kennt auch die allerletzte Sau, die gerade durch das Dorf der internationalen Facebook-Gruppen getrieben wird. Fragt ihn mal.

Der Genießer

Der Genießer möchte nur eines – Spaß am Bauen. Historisch korrekt? Egal. Klebenaht besser verschleifen? Egal. Das Wichtigste ist, sich Hals über Kopf in ein neues Projekt zu stürzen und es abzuschließen, so lange es noch Freude macht. Nächtelange Grübeleien über die richtige Schattierung von sowjetischem Panzergrün sind dem Genießer fremd, ebenso Verzweiflung über eine eigentlich verschliffene, dann aber eingesunkene Klebenaht (das sog. Ghost-Seam-Trauma).

Der Genießer neigt dazu, sich nicht auf ein Thema oder Genre zu beschränken, sondern er baut alles, wonach ihm gerade der Sinn steht. Heute ein Schiff, morgen ein Flugzeug, und danach was von Star Wars. Anders als themen- und maßstabsgebundene Modellbauer baut er sich so ein umfassendes Wissen über Hersteller, Bausätze, Techniken und Besonderheiten auf. Er ist in der Lage, Techniken themenübergreifend anzuwenden und so z.B. mit Alterungstechniken des Militärmodellbaus den Flugzeugmodellbau zu befruchten. Legt sich der Genießer doch ein Lieblingsthema zu, so versucht er, dort eine Sammlung aufzubauen.

Der Modell-Output des Genießers ist im Vergleich zu anderen hoch. Da kommt pro Jahr schon eine zweistellige Zahl zusammen. Advanced Modeller’s Syndrome (AMS) und die damit verbundene Detailverzweiflung kennt der Genießer nicht. Es macht ihm auch nichts, sein Flugzeug mit dem Pinsel und den Farben seiner Jugend zu bemalen. Fertig werden muss es. Denn das nächste Projekt wartet schon.

Der Sammler

Bausätze bauen und Bausätze sammeln sind zwei Hobbys. Der Sammler war mal Modellbauer. Aber irgendwas ist dann schiefgelaufen. Über die Jahre wurde das tatsächliche Bauen immer weniger. Das kompensiert der Sammler, indem er um so mehr Bausätze und Zubehör kauft und einlagert. Dabei weiß der Sammler oft nicht, dass er das Hobby des Modellbaus schon lange verlassen hat. Er hat große Projektpläne, für die er das passende Material schon mal einkauft. Nur realisiert er diese Projekte nie.

Der Sammler müsste schon über 300 Jahre alt werden, um all das wegzubauen, was er eingelagert hat. Seine Bleibe platzt aus allen Nähten vor Bausatzschachteln, Zubehör-Blistern und Literatur. Hinter jeder Schranktür verbergen sich Kits. In der Garage. Auf dem Dachboden. Unter dem Bett. Im Bad. Und wenn dieser Platz aufgebraucht ist, bilden die Bausätze Stapel auf dem Boden. Der Sammler nennt gern eine vierstellige Anzahl an Bausätzen sein eigen. Gekauft wird jeder Bausatz dreimal: einmal zum Bauen, einmal für Ersatzteile, und einmal als Referenz. Zur historischen Dokumentation sozusagen.

Das Errichten dieses Ameisenhügels führt beim ein oder anderen Sammler zwangsläufig zu Konflikten mit dem Ehe-/Lebenspartner. Der Sammler wendet als kurzfristige Bewältigungsstrategie dann gern das Schmuggeln an – das Suchtmittel wird heimlich bestellt und ins Haus geschafft. Bis der Schwindel auffliegt. Dann kommt es zu einem von zwei möglichen Szenarien: Im schlimmen Fall Krach und kalter Entzug durch den Zwang, sündhaft teure Wingnut-Wings-Bausätze für nen Appel und ein Ei auf Ebay zu verticken. Im besten Fall Verständnis der besseren Hälfte und die Einsicht, dass das Geld in der Kneipe wesentlich schlechter auf den Kopf gehauen wäre. Zum Leidwesen des Sammlers ist es in Deutschland aus Umweltschutzgründen nicht möglich, sich mit seinen Bausätzen zusammen begraben zu lassen. Dazu müsste man schon ägyptischer Pharao sein.

Der Schöpfer

Wir leben im goldenen Zeitalter des Modellbaus. Es gibt so gut wie alles. Was aber, wenn genau den Bausatz, genau das Zubehör, was man gerade braucht, keiner herstellt? Dann muss man es eben selbst machen. Und wer sich darin verliert, wird zum Schöpfer.

Früher war der Scratch-Bau die Allzweckwaffe des Schöpfers. Aus Blöcken, Platten, Stangen und jeder Menge Haushaltsmaterial verstand er es, Anbauteile, Modifkationen oder ganze Modelle herzustellen. Gute Pläne und professionelles Werkzeug waren zwingend notwendig. Von da aus war der Übergang zum Abformen mit Silikon und dann der Resinguss nicht weit. Heute hat sich das verschoben. 3D-Druck ist das Mittel der Wahl, und der Schöpfer verbringt die meiste Zeit vor dem CAD-Programm. Wer einen 3D-Drucker besitzt, für den wird jedes Problem zum Fusion360-Problem.

Und so beginnt der Schöpfer, vom klassischen Plastikmodellbau wegzudriften. 3D-Design ist tatsächlich ein eigenes Hobby, und ein süchtigmachendes dazu. Auf der Werkbank hat er sowieso keinen Platz mehr, denn da stehen mindestens zwei 3D-Drucker (der ältere und dann noch der echt angesagte 10µm-Drucker, mit dem der Schöpfer endlich sein volles Potenzial erschließen kann). Der Schöpfer beginnt, mehr und mehr Teile für andere zu entwickeln und zu drucken, ob nun zahlende Kunden oder einfach nur dankbare Kumpels. Statt Bausätzen hortet er Druckerresin. Sehr schnell hat er eine Wash&Cure-Station, die die nassen Drucke wäscht und härtet. Der Rollladen ist immer zu wegen des störenden UV-Lichts draußen. Die Nachbarn glauben, dass der Schöpfer Meth kocht. Dabei könnte er das nächste Eduard werden …


Und? Habt ihr euch in einem der Grundtypen des Modellbauers wiedergefunden? Oder seid ihr eine Mischung aus zwei oder mehr? Gibt es vielleicht sogar noch weitere Typen, die wir hier gar nicht beschrieben haben? Schreibt es gerne unten in die Kommentare. Man lernt ja nie aus.

Christian Höcherl, Berlin (Januar 2025)

2 Kommentare zu diesem Beitrag
  1. Sehr schöne Zusammenstellung. Ich glaube eine Mischung aus Nahezu allen Typen zu sein. Je nach Model versuche ich es möglichst akkurat und historisch genau zu bauen, es gibt aber auch Modelle, die ich einfach zur Entspannung baue. In oftmals von Vorbildern inspirierten Projekten plane ich Sachen, die ich erst in Jahren realisieren kann, da ich zudem kein Spezialgebiet habe. Außerdem habe ich in letzter Zeit begonnen mit dem 3D-Druck meine Modellsammlung zu erweitern und arbeite mich langsam in die Konstruktion von Zubehör und Modellen ein.

  2. Ich sehe mich da als eine Kombination aus Genießer und Sammler.
    Ich bin diesem Hobby seit 1983 (mit 12) verfallen und habe seitdem kein gebautes Modell entsorgt. Daher hab ich eine Sammlung von rund 1600 gebauten Modellen. Ich lebe mit meiner nicht gut vorhanden handwerklichem Geschick, nutze nur Pinsel. Habe mein Output von 30 Modellen pro Monat auf 10-15 pro Jahr reduzieren können.

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