Geschichte der Figur:
Ein Historiker und Freund von mir besitzt eine stattliche Sammlung an für ihn bemalten Zinnfiguren, überwiegend preußisches Militär des 18. und 19. Jahrhunderts. Er selbst ist vor allem auf Mecklenburger Militärgeschichte spezialisiert und besaß schon seit Langem den Wunsch, die bedeutendsten Mecklenburger Generäle auch in Zinn sein Eigen nennen zu dürfen. Die beiden populärsten Generalfeldmarschälle, Gebhard Leberecht von Blücher und Helmuth von Moltke (der Ältere), besitzt er schon. Unter seinen Top 3 fehlte jedoch noch der Graf Kurt Christoph von Schwerin. Da die Person, die ihm üblicherweise die Figuren bemalte, jedoch verstorben war, fragte er mich, ob ich ihm von Schwerin als Figur bemalen könnte. Natürlich sagte ich ihm zu. Doch manchmal kommt es etwas anders, als man denkt: in diesem Fall mein Berufswechsel, Familie und paralleles Studium. In den letzten drei Jahren kam ich aufgrund dessen kaum noch zum Modellbau und beendete auch keine Figur komplett. Doch diesen Sommer sollte es mit Abschluss des Studiums dann endlich soweit sein…

Zum Vorbild:
Die Figur stellt den preußischen Generalfeldmarschall Graf Kurt Christoph von Schwerin während der Schlacht von Prag 1757 dar. Besagter von Schwerin stand zunächst im Dienste von Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin, danach Friedrich Wilhelm I. (der „Soldatenkönig“) von Preußen und zuletzt Friedrich II („der Große“). Er galt als einer der fähigsten Generäle seiner Zeit. In mecklenburgischen Diensten schaffte er es von Anno 1700 an, binnen 19 Jahren zum Generalleutnant befördert zu werden. Nach Übergabe einiger mecklenburgischer Ländereien an Preußen im Jahre 1720 wechselte er in dessen Dienste. Hier wurde er Chef eines Infanterieregiments, welches – wie zu dieser Zeit üblich – seinen Namen trug und später die Stammnummer No. 24 erhielt. Trotz zweier Regentschaften und eines wechselhaften Verhältnisses zu Friedrich dem Großen schaffte er es bis zum Generalfeldmarschall. In den drei Schlesischen Kriegen tat er sich mehrfach hervor, darunter 1741 in der von ihm gewonnenen Schlacht bei Mollwitz oder 1744 bei der Einnahme von Prag. Im Dritten Schlesischen Krieg kam es 1757 bei Prag erneut zu einer Schlacht. In dieser führte er den preußischen Hauptangriff gegen die österreichische rechte Flanke. Der Angriff geriet jedoch durch sumpfigen Untergrund und wirkungsvolles Artilleriefeuer der Österreicher zum Erliegen. Als selbst sein eigenes Regiment zurückwich, entschloss er sich, durch seinen persönlichen Einsatz die Wende zu erreichen. Im Alter von 72 Jahren übernahm er die Fahne des II. Bataillons und stellte sich an die Spitze seines Regimentes, um den Angriff voranzutragen. Doch kurz darauf wurde zunächst sein Adjutant, dann er selbst durch einen Treffer in den Nacken, einen ins Herz und drei in den Unterleib tödlich verwundet. Er sank sofort leblos von seinem Pferd. Friedrich der Große konnte die Schlacht gewinnen, beklagte jedoch im Nachgang: „Ich habe den Feldmarschall von Schwerin verloren, einen der größten Generale dieses Jahrhunderts.“ (Keubke, 1993, S. 206)

Quellen:

  • Wikipedia-Autoren. (2004). Kurt Christoph von Schwerin. https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Christoph_von_Schwerin
  • Keubke, K. Curt Christoph von Schwerin – Kongenialer militärischer Partner Friedrich II. von Preußen. in Schnitter, H. (Hrsg.). (1993). Friedrich der Große in Zeit und Geschichte Band 1. Preußischer Militär-Verlag

Bau und Bemalung:
Die Figur ist etwa 90 mm groß und besteht, außer dem Messingstab für die Fahne, vollständig aus Zinn. Entsprechend schwer fällt die Gesamtkonstruktion aus. Um diesem Herr zu werden, mussten die Teile nicht nur versäubert, sondern auch verstiftet und gründlich grundiert werden. Ich verwendete standardmäßig den Primer von Vallejo. Dieser geht leider keine Verbindung mit der Oberfläche ein und haftet nur latexartig auf dem Modell. Eine Entscheidung, die ich im Nachgang bereuen sollte – doch dazu später. Die weitere Bemalung erfolgte mit Vallejo- und AK-Acrylfarben. Die ersten Farbschichten an Kopf und Uniform erfolgten mittels Airbrush, der Rest wurde mit Hilfe einer Nasspalette gepinselt. Mein motivierender Faktor war das nahende Flugplatzfest in Berlin Gatow. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich unbedingt eine fertige Figur präsentieren – und nicht nur eine zu 85 % fertige wie letztes Jahr. Da es sich um ein Auftragsmodell handelte, konnte dieses Mal die Bemalung bewusst etwas einfacher ausfallen, als ich es sonst von meinen Figuren gewohnt bin. So wurden Gesicht, Hosen, Hemd, Waffenrock usw. zwar unter der Berücksichtigung eines schräg-zenitalen Lichtes bemalt, aber ohne stärkere Effekthascherei. Auch die feinen Farbnuancen und Textilnachbildungen sollten etwas einfacher ausfallen. An manchen Stellen erwischte ich mich aber dabei, wie ich dennoch sehr detailliert wurde, so etwa an den Schriftzügen auf der Fahne oder den Silberlitzen an Portepee und Schärpe. Man bekommt den Detailfanatiker eben nicht mehr aus mir raus… Nachdem ich alle matten Teile der Figur mit Mattlack versiegelt hatte, bemalte ich die Metalle. Dieses Mal wollte ich es einfach und schnell haben. Daher kamen nur Metallfarben von Vallejo und Scale 75 zum Einsatz, wobei ich nicht nur direkt Metalle auftrug, sondern auch die dunklen und hellen Partien hervorhob.

Das Problem der Truppenfahne:
Eine Herausforderung sollte die Recherche und Bemalung der Fahne werden. Es gab mehrere verschiedene Quellen zu preußischen Infanteriefahnen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. In meinem Falle soll es sich um eine Bataillons- und keine Regimentsfahne gehandelt haben. Entsprechend war das Grundtuch nicht grün, sondern weiß mit grün abgesetzten, geflammten Ecken. Ich konnte mich hierbei grob an Originalfahnen des Deutsch Historischen Museums in Berlin orientieren – oder dessen, was davon noch übrig war. Im Gegensatz zu den Fahnen des 19. Jahrhundert waren die des mittleren 18. Jahrhunderts nicht bestickt, sondern es handelte sich um Ölfarbe auf Seidentuch. Dies hat zur Folge, dass ich die Fahne mit anderen Effekten bemalen musste, denn Seide hat einen natürlichen Glanz, wohingegen die Goldeffekte mit der Ölfarbe nur gemalt sind und nicht natürlich wirken durften wie Goldlitze. Somit konnte ich den Tuchstoff mittels Airbrush stärker, plastischer absetzen, wohingegen die Elemente in der Mitte und an den Ecken mit Pinsel „flacher“ gehalten wurden. Die Lackierung der Stange soll am Original dunkelbraun oder schwarz gewesen sein. Ich entschied mich, um es plastischer zu halten, für Dunkelgrau bis Schwarz.

Base und Sockel:
Den Abschluss sollte die mitgelieferte Base bilden. Diese wurde erdfarben bemalt. Kleine Details wie Steine und die Pferdeäpfel hob ich farblich entsprechend ab. Um das ganze glaubwürdiger zu gestalten kamen Pigmente an der Base und den Stiefeln zum Einsatz. Danach folgte die spärliche Vegetation – es sollte in der Schlacht bei Prag ein morastiger Untergrund sein. Der Sockel selbst ist ein Holzsockel, den ich schon ewig in meinem Fundus liegen hatte, und der für diverse Projekte hätte herhalten sollen. Nun wurde es schlussendlich dieses Auftragsfigur, da hier Farben und Maße gut passten. Den unschönen Riss auf der zugleich unattraktivsten Seite des Sockels retuschierte ich mit einem großen Schild. Es folgte der letzte Malschritt: meine Signatur auf der Base. Bis hierhin ging alles einigermaßen glimpflich von statten.

Der Worst Case setzt ein:
Irgendetwas ist immer. So auch in diesem Fall. Eine Nacht vor dem Gatow-Wochenende wollte ich fertig werden. Die Montur der Zinnteile ging mittels der Verstiftung einigermaßen gut. Beim trockenen Zusammenstecken des Ober- und Unterkörpers war nichts zu sehen, beim Verkleben bildete sich jedoch ein größerer Spalt. Diesen verspachtelte ich mit Magic Sculp. Die Stellen wurden anschließend mit den dunklen Schattenfarben unterhalb der Schärpe bemalt – damit war an dieser Stelle nichts mehr zu sehen. Dann jedoch folgte die Montage der Fahne. Bei der Passprobe merkte ich schon, dass der Handschuh recht eng ausfällt, der Messingstab aber durchpasst. Im bemalten Zustand feuchtete ich die Fahnenstange mit ein wenig Wasser an, schob sie vorsichtig in den Handschuh, um nach der Hälfte festzustellen, dass die Farbe auf einer Seite abgerissen wurde. Somit musste ich die Fahne wieder entfernen, die abgekratzte Farbe aus dem Handschuh vorsichtig entfernen – was bei Latexkonsistenz alles andere als einfach war –, die Fahnenstange abschleifen, wieder in den Handschuh schieben, festkleben und danach bemalen. Zunächst hatte ich dann Ruhe. Doch leider verschob sich die Fahne zur Seite, was mir zeigte, dass der 2-Komponenten-Kleber nicht richtig durchtrocknen wollte und die Fahne aus Zinn zu schwer war. Also musste wieder alles versäubert und verklebt werden, doch es wurde nicht besser – das Prozedere des nicht trocknenden Klebers sowie des Farbabriebes wiederholten sich. Die Nacht vor Gatow wurde also eine nervenaufreibende Zitterpartie. Ich versäuberte die Stellen noch, so gut es ging, ohne die umliegenden Stellen zu beschädigen. Danach probierte ich mein Repertoire an Klebern aus. Sekundenkleber wollte ich eigentlich vermeiden, da dessen Dämpfe Schleier auf der Farbe bilden können. Letztlich hatte ich beim zweiten Versuch jedoch Glück und die Fahne hielt ohne weitere Farbveränderungen. Nachdem die Stange wieder schwarz bemalt war, konnte ich um 24 Uhr endlich ins Bett und wenige Stunden später nach Gatow. Wer vor Ort war, hat vielleicht mitbekommen, dass meine Unglückssträhne sich weiter durchzog, aber dies ist eine andere Geschichte…

Fazit:
Mitte September war es dann soweit: ich konnte die Figur meinem Freund übergeben. Seine Reaktion war bemerkenswert: „Ich bin Mecklenburger, daher werde ich nicht an die Decke springen. Aber ich freue mich wirklich.“ Ich habe seine weiteren Reaktionen beobachtet und konnte doch ein dauerhaft sanftes Grinsen wahrnehmen – also tatsächlich(!) ein Zeichen von großer Begeisterung bei ihm. Somit freue ich mich, dass die Figur endlich von meiner Liste offener Modelle gestrichen und die Sammlung meines Freundes endlich vollständig ist. Es war schön, mal eine Figur außerhalb meiner üblichen Perioden zu bemalen. Andererseits bleibt doch etwas Wehmut, da meine einzige wirklich fertige Figur seit Jahren wieder weg ist. Also Grund genug für mich, meinen eigenen Stapel an Miniaturen anzugehen und abzuarbeiten.

Philip Koch, Godern (September 2024)

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