Autor: Torsten Kiel
Verlag: Rockstuhl
ISBN: 978-3-95966-665-7
Informationen: DIN A4, 303 Seiten,173 Farbfotos, 112 s/w Fotos, 830 Abbildungen
Preis: 59,95€
Bezug: Torsten Kiel
Ja, nun ist es da, das Nachschlagewerk, das ja viele erwartet haben, das ja mal kommen musste, nur es muss sich jemand finden, der die Dinge angeht.
Mit dem Autor, Jahrgang 1974, hat sich jemand gefunden, obwohl dieser nicht der Modellbauer der ersten Stunde gewesen ist und erst viele Jahre später mit dem Virus der alten Bausätze aus Zschopau infiziert wurde.
Wer in den Jahren 1950 bis 1990 in der DDR aufgewachsen ist, wird sich daran erinnern und hat hier, genau mit diesen Modellen, seine ersten Erfahrungen mit dem Plastikmodellbau gemacht. Ich selber, bin so zu sagen sozialisiert und aufgewachsen mit dieser Form der Freizeitbeschäftigung. Mein erstes Modell fand ich zur Schuleinführung in der Zuckertüte. Es war eine Il-14.
Viele Details habe ich damals und bis heute nicht gewusst. Aber mit diesem nun vorliegenden Buch, kann ich jetzt genau bestimmen, welche Bausatzvariante es damals gewesen ist.
Natürlich hatten die Eltern, vor allem die Väter daran einen großen Anteil. Es war selbst für die Väter ein völlig neues Metier, ein Plastikmodell zu bauen. Damals dominierte der Kartonmodellbau und für die damalige Zeit, Ende der 1950er Jahre, war es basteltechnisches Neuland bei den unterschiedlichsten Altersgruppen und bot völlig neue Möglichkeiten der Freizeitgestaltung.
Genau das Hobby bediente ab 1957 die Kunststoffverarbeitung Zschopau.
Der Autor schreibt selber, dass er 16 Jahre in den unterschiedlichsten Archiven und Sammlungen daran recherchiert hat. Dabei ist zwangsläufig eine Firmengeschichte zusammen getragen worden. Ein Stück ostdeutscher Industriegeschichte.
Auch ein kleiner Diskurs zum Thema Polystyrol, das Material aus dem die Bausätze hergestellt wurden und heute noch werden, fehlt nicht.
Als ich das Buch zum ersten Mal aufgeschlagen habe, war ich überwältigt von der Masse an Abbildungen und Bildern. Also auch ein Bilderbuch, ein wunderbares Bilderbuch für Leute wie mich, der als Kind und Jugendlicher alle Modelle durch gebastelt hat. Viele davon auch doppelt und dreifach. Der Anblick der bunten Verpackungsschachteln fasziniert mich noch heute, und ich konnte mich zum Teil genau erinnern, wann, was und wo gebaut wurde. Das lösen Bilder bei uns aus.
Also auch ein Erinnerungsbuch zur Rückbesinnung an Dinge, die Lebenswege in Richtung Luftfahrt entschieden haben.
Erinnerungen an die Zeit, wie alles begann, wo der Modellbau noch nicht mit dieser Ernsthaftigkeit betrieben wurde wie heute.
Die Modelle hatten auch noch eine völlig andere Funktion. Es waren Modelle zum Spielen, mit dreh- und lenkbaren Rädern, wo „Langstreckenflüge“ vom Kinderzimmer ins Wohnzimmer unternommen wurden. Nicht maßstabsgerecht, mit Fehlern in der Form und im Detail. Es war in den Jahren auch nicht von Interesse, ob da die Spannweite, oder die Rumpflänge im Maßstab stimmte, ob Fenster oder Türen an der richtigen Stelle zu finden waren.
Doch zurück zum Inhalt des Buches.
Der Autor behandelt neben anderen Produkten, wie Tischtennisbälle und Plastikgeschirr für Kinder, alle Modelle in einem Zeitraum von 1957 bis 1970, die bis zur Übernahme der Kunststoffverarbeitung Zschopau durch den VEB Modell- und Plastspielwarenkombinat Annaberg-Buchholz.
Dabei werden 22 Flugzeug-, 5 Hubschrauber-, 2 Weltraum- und 2 Schiffsmodellbaukästen in allen Einzelheiten dargestellt.
Warum dann die restlichen Modelle, die nach 1970 bis 1990 nicht in dem Buch abgehandelt werden, erklärt der Autor in seinem Vorwort. Man kann die Gründe verstehen, aber ich persönlich halte dieses für eine vertane Chance, eine Plasticart-Komplettgeschichte zu machen.
Die einzelnen Typen werden in der Reihenfolge der Herstellung abgehandelt. Viel Text zum Lesen ist nicht vorhanden. Die Fotos und Abbildungen füllen die Seiten.
Wie ein Pathologe seziert der Autor Bausatz für Bausatz, vom Modell und dessen Inhalt, über den Karton mit den Seitenabbildungen, über die einzelnen Baubeschreibungen, auch in den unterschiedlichsten Sprachen der Exportkunden, bis zu den jeweiligen Beipackzetteln und den Stempelaufdrucken des Herstellers auf der Kartonrückseite.
Da gab es überall kleine und größere Unterscheidungen, die man damals gar nicht zur Kenntnis genommen hat. Der Inhalt war entscheidend.
Das wirkt dann auch etwas ermüdend, hat dann aber letztlich den Vorteil, dass man einen sogenannten Dachbodenfund zeitlich genau einordnen kann.
Über die spezielle Modellpolitik des Herstellers, also wie wurden die Modellprojekte ausgewählt, konnte der Autor keine Details in Erfahrung bringen.
Was ich persönlich vermisst habe, dass bei den jeweiligen Modellen nicht auf die Modellqualität eingegangen wurde. Ein, zwei Sätze zu den Abmessungen und Abweichungen zum Original, zum Gesamteindruck des fertigen Modells, hätte den Vergleich, auch für eine spätere Generation, vereinfacht.
Wer die abgebildeten Bauanleitungen noch einmal nachlesen möchte, was durchaus funktioniert, dem empfehle ich unbedingt eine gute Leselupe.
Man muss abschließend schon einschätzen, eine große Stück Fleißarbeit, nicht nur beim Schreiben.
Die Auflage von 200 Exemplaren wird an dem zu erwarteten Käuferklientel festgemacht sein, was natürlich auch den Kaufpreis beeinflusst.
Der Käuferkreis wird sicher sehr speziell sein. Modellfreunde die mit diesen Bausätzen aufgewachsen sind und dem Plastikmodellbau heute immer noch als Hobby betreiben, diesen Modellfreunden kann ich das Buch empfehlen, man wird sich selber wiederfinden.
Bernhard „Flugi“ Pethe (Dezember 2022)