Das Vorbild: Die erste Maschine der Baureihe S 3/6 wurde 1908 von J.A. Maffei in München an die bayerische Staatsbahn abgeliefert. Konstruktiv waren diese eine Weiterentwicklung der bad. IVf, der ersten in Deutschland gebauten Pacific-Schnellzuglokomotive. Die Beschaffung der Maschinen lief in verschiedenen Serien bis 1930. Nach dem Konkurs von Maffei wurden die letzten achtzehn Maschinen als Serie o von Henschel in Kassel geliefert. Als letzte Maschine dieser Baureihe wurde  18 548 im November 1930 an die DRG abgeliefert.


Der Bausatz: Nach dem Öffnen der Kopflaschen zeigen sich drei Spritzgussrahmen mit 139 schwarzen Teilen, ein Transparenter mit neun Teilen, ein kleiner Abziehbilderbogen und die auf heutigen Stand gebrachte Bauanleitung. Den Teilen merkt man das Alter der Form nicht unbedingt an, bis auf ein paar Kleinigkeiten – Fischhaut in den Speichenrädern des Tenders und des Vorlaufdrehgestells. Ebenfalls müssen die Achsaufnahmen aller Räder nachgearbeitet werden.

Die Formentechnik ist nicht up to date – die Details des Bausatzes entsprechen dem Stand der 1970er Jahre, das konnte ESCI zur gleichen Zeit, in den frühen 1980igern, schon deutlich besser. Auswerfermarken zu beseitigen macht ein ganzes Stück Arbeit. Sie sind unter anderem auf der Rückseite der Triebräder, genauso wie auf den Rückseiten der Treib- und Kuppelstangen oder der Unterseite des Umlaufs zu finden. Die Räder haben eine Stärke, die verdächtig an alte Trix-Express Räder denken lässt.

Ein großes Plus: Lege ich die Teile des Bausatzes auf die Maßstabszeichnungen in den Typenblättern des Eisenbahn Journals, gibt es so gut wie keine Abweichungen. An den Vorhandenen dürften sich wohl nur Nietenzähler stören.

Wer sich die erhaltenen S 3/6 in München, Nördlingen oder Neustadt/Weinstraße anschaut, wird feststellen, dass im Bereich des Aschkastens im Modell ein freier Durchblick besteht, den es beim Original nicht gibt. Wenn man eine Maschine der DB bauen möchte, wird man nicht darum herumkommen, auch das Führerhausdach umzubauen.

Die 18 538 wurde zwar mit dem im Bausatz enthaltenen Dachaufsatz ausgeliefert, 1956 ist sie jedoch mit einem Dachaufsatz fotografiert worden, der wohl so breit ist wie die Feuerbüchse, diesen hatte 18 548 bereits 1952.

Womit wir zu den Varianten der Lok im Bausatz kommen:

– 18 538 wurde im Juli 1930 von Henschel abgeliefert. Stationiert war die Lok in Osnabrück, Darmstadt und Lindau, wo sie im Mai 1958 z-gestellt wurde.

– 18 548 wurde ebenfalls von Henschel im November 1930 abgeliefert. Der Lebenslauf dieser Lok ist etwas abwechslungsreicher. Sie war in den Bw Halle P, Wiesbaden, Mainz und Darmstadt stationiert, erhielt im Mai 1955 einen neuen Hochleistungskessel und war danach als 18 617 noch in Nürnberg-Hbf, Augsburg und Lindau stationiert, bis sie im September 1964 z-gestellt wurde. Mit ihr fand der Bau dieser Lokgattung nach 22 Jahren seinen Abschluss.

Bemalung: Durchaus zu hinterfragen ist aber die in der Bauanleitung genannte Farbe für die Leitungen am Kessel. Die Farbgebung in Messing widerspricht dem in der Bauanleitung abgebildeten Modell mit den richtigen Farben schwarz und rot.

Der Abziehbilderbogen ist mit weißen Decals auf hellblauem Grund nur sehr schlecht erkennbar und wohl nicht ganz vollständig. Er enthält als Stationierungsorte nur die Bw Halle P und Mainz, passt also nur für 18 548, die jedoch seit 1946 in Darmstadt stationiert war. Für eine Maschine mit DB-Keks leider nicht verwendbar. Wenn ich mal auf die Idee komme, den Bausatz seiner Bestimmung zuzuführen, werde ich mir wohl einen anderen Decalbogen besorgen.

Fazit: Warum Revell den Bausatz im eigenen Web-Shop als ‚neu‘ verkauft, wissen wahrscheinlich nur die Marketing-Menschen in Bünde – mir erschließt sich das nicht. Irgendwo in den Tiefen meiner Regale liegt noch die Erstausgabe von 1984. Damals gab es außer der BR 50 und der BR 41 von ESCI/Italeri keine Schienenfahrzeuge (in unserem Sinn), die Uraltmodelle von Kitmaster/Airfix waren längst aus den Katalogen verschwunden, von daher war der Bausatz damals hochwillkommen. Heute wird er noch für den Einsteiger seine Berechtigung haben – mit Level 5 zielt Revell aber auf den erfahrenen Modellbauer.

Heller und Airfix legen zum Teil deutlich ältere Bausätze neu auf, kennzeichnen diese aber entweder durch die Angabe des Alters der Form oder von vorneherein als ‚vintage classic‘, so dass der Modellbauer weiß, was ihn erwartet. Revell könnte sich so viel Offenheit durchaus leisten, zumal der einzige Unterschied zur Originalausgabe die Bauanleitung ist.

Roland Schmidt, Kornwestheim (Juli 2024)

Literatur:

Die Baureihe 184-6 von Steffen Lüdecke, EK-Verlag GmbH, Freiburg 1994

ISBN 3-88255-118-6

100 Jahre S3/6 – Königin der Schnellzugsloks

EK Special 88, EK-Verlag GmbH Freiburg 2008

ISSN 0170-5288

Die bayerische S3/6

Entwicklung – Technik – Einsatz

Die Lokomotive Nr. 1

Sawodny, Koppisch Podzun-Pallas-Verlag GmbH, Friedberg 1984

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