Vorbild
Die MiG-35 wurde erstmals 2007 auf der Aero India Air Show vorgestellt, dabei handelte es sich im eigentlichen Sinne um eine MiG-29M unter einem neuen Namen. Das Ziel war es, mit der MiG-35/29M einen Verkaufsschlager zu schaffen, der direkt mit westlichen Kampfflugzeugen wie dem Eurofighter oder der F-16 konkurrieren konnte. Diese Ambitionen wurden jedoch nicht erreicht, und erst 2015 erhielt Russland einen Auftrag über 45 MiG-29M von Ägypten.
Die Entwicklung ging weiter und 2016 hatten die ersten beiden “echten“ Mig-35 Prototypen Ihren Erstflug. Die Single-Seat Mig-35S mit der Bordnummer 702 und die Two-Seat Mig-35UB mit der Nummer 712. 2017 wurden auf der MAKS dem internationalen Publikum vorgestellt.
Während die optischen Änderungen vor allem im Detail zu finden sind, wurden die inneren Werte der MiG-35 erheblich verbessert.
Am markantesten dürften die größeren Flügel sein, die von der MiG-29K übernommen wurden, dadurch weist die MiG-35 eine um 63,5 cm vergrößerte Spannweite auf und erreicht eine Gesamtspannweite von zwölf Metern. Dies führt dazu, dass die MiG-35 nun vier Waffenstationen pro Flügel hat. Weggefallen sind ebenfalls die Lufteinlässe auf der Oberseite des Flugzeugs, um das Ansaugen von Schmutz auf unbefestigten Pisten zu verhindern. Das Einsaugen von Schmutz wird nun durch Netzgitter innerhalb des Triebwerkeinlasses, ähnlich wie bei den Su-Flugzeugen, verhindert. Der gewonnene Platz durch das Wegfallen der Lufteinlässe wurde für zusätzliche Tanks genutzt, sodass nun 5400 kg mehr Kerosin untergebracht werden können. Die Single-Seat MiG-35S hat anstelle eines zweiten Sitzes im Cockpit einen weiteren Zusatztank, der 630 kg Kerosin fasst. Interessant ist, dass dieser Tank entfernt und ein zweiter Sitz eingebaut werden kann.
Weit größere Eingriffe gab es bei den inneren Werten. Die MiG-35 bekam ein vierfach redundantes Fly-by-Wire sowie ein modernes HUD und ein Glascockpit mit drei großen Multifunktionsdisplays. Für die Zielerfassung im Infrarotbereich hat die MiG-35 das moderne OLS-UEM (13SM-1). Mit diesem FLIR können Luftziele in bis zu 55 km Entfernung aufgeschaltet werden. Des Weiteren hat das OLS-UEM eine Lookdown-Fähigkeit, um See- und Bodenziele zu identifizieren. Unter der rechten Triebwerksgondel wurde zudem noch ein OLS-K/OLS-KE elektro-optisches Zielsuchsystem untergebracht, um See- und Bodenziele mit TV- und Infrarotkameras zu bekämpfen.
Ein weiterer großer Schritt ist das neue Radar. Die Serienversion soll ein Phazotron-NIIR FGM-129 Zhuk-M PESA-Radar bekommen, wobei Exportversionen der MiG-35 mit dem moderneren Phazotron Zhuk-A/AE AESA-Radar ausgestattet werden könnten.
Durch die höhere Waffenlast mussten ebenfalls die Triebwerke verbessert werden, und so ist die MiG-35 mit Klimov Turbofan RD-33MK-Triebwerken ausgestattet worden, die ca. 88,8 kN Schub im Nachbrenner liefern. Auf Thrust-Vectoring wurde verzichtet. Die MiG-35 ist mit diversen Frühwarnsystemen ausgestattet, wie einem LWS (Laser-Warning-System) oder dem LL150 Pastel Radarwarnempfänger, bekannt aus der Su-34. Ein MSP-418KE ECM-Pod sowie Düppelwerfer können je nach Bedarf mitgeführt werden.
Die MiG-35 kann so gut wie alle modernen russischen Luft-Luft und Luft-Boden-Waffen nutzen. Angeblich soll auch die Radarsignatur verringert worden sein, was den Multi-Role-Fighter zu einem Flugzeug der 4++ Generation macht.
Die Erwartungen konnte die MiG-35 bis dato jedoch nicht erfüllen. Nur sechs Serienflugzeuge wurden produziert. Alle Länder, die Interesse bekundet hatten, haben sich letztendlich für andere Flugzeuge entschieden oder abgesagt. Aktuell nehmen die MiG-35 aktiv am Ukrainekrieg teil, um weitere „Tests“ durchzuführen.
Genug davon, kommen wir endlich zum Bausatz.
Bausatz

Auf dem Deckelbild sehen wir zwei Personen im Cockpit, ein Hinweis darauf, was noch kommt?
Der Bausatz ist die logische Weiterentwicklung der Hobby Boss MiG-29K. Um es vorwegzunehmen: Der Bausatz ist die MiG-29K von Hobby Boss, nur ohne die Option, die Flügel eingeklappt darzustellen, und es liegt kein Fanghaken bei. Vergleicht man die Anleitung, findet man kaum Unterschiede, abgesehen von den genannten Punkten. Einen Unterschied gibt es jedoch, auf den wir später zurückkommen.
Öffnet man den großen Stülpkarton, findet man die klassische Hobby-Boss/Trumpeter-Anordnung. Alles ist sicher verpackt, und die kleinen, filigranen Teile sind in einer extra Kiste an der Seite untergebracht.
Der Bau beginnt klassisch mit dem Cockpit, und man sieht direkt, dass weitere Versionen erscheinen werden. Das hintere Cockpit ist bis auf den Sitz und die Displays vollständig, sogar mit Decals für die seitlichen Bedienelemente. Ich kann mir gut vorstellen, dass es sogar Upgrade-Sets von Drittanbietern geben wird zum Umbau auf UB-Version.


Bei uns ist jedoch alles anders, deshalb bauen wir hinten unseren Tank ein. Das Cockpit ist im Großen und Ganzen okay, aber ich werde nie ein Fan dieser Decal-Sidepanels sein. Da würde ich mir detailliertere Knöpfe usw. wünschen, auch wenn das nicht unbedingt für Anfänger geeignet ist.
Nachdem der vordere Fahrwerksschacht in die untere Rumpfhälfte eingebaut und das Cockpit in die obere verbaut wurde, darf man diese miteinander verbinden.



Die Passgenauigkeit beim trockenen Zusammenhalten der beiden Hälften zeigt eine sehr gute Passform, da gibt es nichts dran auszusetzen. Die oberflächlichen Details sind sauber und scharf. Maximal zur Nase hin finde ich den Übergang der beiden Hälften etwas prägnant, aber nicht dramatisch.


Kommen wir zu einem meiner Highlights des Bausatzes, endlich hat auch bei Hobby Boss das Slide-Mold-Verfahren Einzug gehalten, und somit wurden die Triebwerkslufteinlässe in einem Guss gefertigt. Jetzt muss man sich nicht mehr damit abmühen, die Lufteinlässe aus zwei einzelnen Hälften sauber zusammenzubekommen. Das war einer der größten Schwachpunkte der alten Hobby Boss MiGs.

Die Qualität der Teile ist durchweg sehr gut, es gibt keine verbogenen oder abgebrochenen Teile.
Der Bau schreitet mit den Fahrwerksschächten voran, diese sind wie das Cockpit simpel gehalten. Mit der neuen Tamiya F-35 ist das nicht zu vergleichen. Für Modelle in einer ähnlichen Preisklasse könnte man hier etwas mehr erwarten, aber es ist wohl dem Umstand geschuldet, dass niemand außer Hobby Boss eine 1/48 MiG-29K/35 im Repertoire hat.
Die Engine-Nozzles sind ebenfalls aus einem Guss und haben wirklich schöne Details.



Die Leading-Edge-Flaps, das Seitenruder, die Bremsklappe sowie die massiven Flaps am Flügel können in verschiedenen Positionen dargestellt werden. Ebenfalls kann man die markanten Krüger-Flaps offen zeigen, diese sollen den Auftrieb erhöhen und das Handling im Langsamflug verbessern.
Gegen Ende des Baus findet man die kleinen Unterschiede zum Bausatz der MiG-29K. Anstelle des Teils, um die Flügel eingeklappt darzustellen, kommt hier einfach nur eine Verbindung für die Flügelspitzen zum Einsatz. Weiterhin fehlt der Fanghaken für die Trägerlandung. Bekommen tut man dafür das OLS-K/OLS-KE elektro-optisches Zielsuchsystem unter den Triebwerksgondeln.
Kommen wir zu etwas, das mich tatsächlich stört, der Nase. Die beiden Prototypen haben ein markantes Element, das in diesem Bausatz fehlt, aber bei der MiG-29K vorhanden ist. Rundumlaufend findet man eine „Sharktooth“ Struktur an der Nase. Wofür diese genau vorhanden ist, konnte ich nicht herausfinden. Vermutet wird, dass es mit der verringerten Radarsignatur zusammenhängen könnte. Auf dem Deckelbild ist es zudem noch richtig.




Links: Anleitung MiG-29K, Mitte: echte 702, Rechts: Deckelbild
Hinter der Nase findet man die gleiche Struktur am echten Flugzeug, die jedoch nicht am Modell zu finden ist.
Es gibt jedoch von Quinta Studio bereits eine 3D-gedruckte Nase mit passender Struktur für die MiG-29K, und da es sich im Grunde um die gleichen Bausätze handelt, kann man diese dafür nutzen, wenn man möchte.
Des Weiteren gibt es auch MiG-35 Versionen ohne diese Struktur, aber warum, kann ich bis jetzt auch nicht sagen, eventuell, weil die Serienproduktion nicht das Phazotron Zhuk-A/AE AESA-Radar erhalten hat.
Ich persönlich finde gerade dieses Element super und hätte mich gefreut, es auch bei diesem Bausatz zu finden, aber sollte es der Serien-MiG-35 nachempfunden sein, ist es halt so. Das ist meine eigene Meinung.


Ein weiteres Highlight und eines der hervorstechendsten Elemente der MiG-35 ist die Kabinenhaube. Das Teil im Bausatz ist klar, um dem realen Flugzeug nachzueifern, müsste man es jedoch abdunkeln. Auch findet man über die gesamte Länge des Gussteils eine kleine, aber doch eindeutige Naht, die entfernt werden muss.
Endlich gibt es auch einen Canopy Frame, um eine detailliertere Haube zu haben.


Decals & Bemalung
Für die Lackierung gibt es zwei Vorschläge. Die Farbmuster sind dabei identisch, nur die Flugzeugkennung ist unterschiedlich. Die MiG-35 mit der Bordnummer 702, einer der beiden Prototypen der MAKS 2017, und eine blaue Nr. 10. Über die blaue Nr. 10 konnte ich nicht viel finden, aber es gibt wohl ein reales Gegenstück dazu. Informationen von Hobby Boss direkt bekommt man wie immer nicht.




Die Bewaffnung fällt wie immer bei Hobby Boss üppig aus, aber ich hätte mir vier KAB-500KR gewünscht, um das Loadout bei den Vorstellungen der MiG-35 nachahmen zu können. Ansonsten sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt.



Anleitung
Die Anleitung ist klassisch in Schwarz/Weiß gehalten und folgt einer klaren Struktur. Wie bei allen Hobby-Boss-Anleitungen bemängle ich, dass es ab und zu Details gibt, die etwas genauer hätten dargestellt werden können, aber nichts, was den Bau irgendwie unmöglich machen würde.




Fazit
Ein wirklich gelungener Bausatz eines der coolsten Flugzeuge, die es gibt. Die Qualität überzeugt, aber in dieser Preisklasse könnten Details wie der Fahrwerksschacht oder das Cockpit etwas mehr Liebe bekommen.
Man kauft hier eine Version des MiG-29K Bausatzes, preistechnisch unterscheiden sich die beiden Bausätze nicht. Die Unterschiede sind im Detail zu finden, so hat man hier das OLS-K/OLS-KE elektro-optische Zielsuchsystem unter den Triebwerksgondeln, welches die MiG-29K nicht besitzt, und die Flügel sind ‚ausgeklappt‘. Der MiG-29K-Bausatz kann nur mit eingeklappten Flügeln gebaut werden (theoretisch, ausgeklappte Flügel sind jedoch leicht umzusetzen).
Für Anfänger absolut geeignet und für Fans der MiG-29-Familie ein absolutes Muss.









Quellen:
https://www.flugrevue.de/militaer/was-wird-aus-der-mig-35-einstampfen-oder-serienbau/
https://en.wikipedia.org/wiki/Mikoyan_MiG-35
https://www.youtube.com/watch?v=IVVJdBj6-28&t=658s
Yefim Gordon – Famous Russian Aircraft – MiG-29 & MiG-35
Florian Schuster, Berlin (Februar 2025)