Das Vorbild:
Die Henschel Hs 293 war eine funkferngesteuerte deutsche Gleitbombe, die im Zweiten Weltkrieg vor allem für den Einsatz gegen Schiffe vorgesehen war. Die Waffe wurde nach Sicht manuell in das Ziel geführt und war einer der ersten Vorgänger heutiger Seezielflugkörper. Die Entwicklung und der anschließende Bau erfolgte ab dem Frühjahr 1940 in Schönefeld bei Berlin von der Henschel Flugzeug-Werke AG.
Die Hs 293 wurde aus der Sprengbombe SC 500 abgeleitet, wobei Tragflächen und ein Leitwerk ergänzt wurden, was sie zu einer Gleitbombe machte. Um die Erkennung der Flugbahn für die Steuerung durch den Bombenschützen zu erleichtern, war am Heck des Flugkörpers für den Einsatz bei Tag ein rauchloser Leuchtsatz und für Nachteinsätze ein kleiner Scheinwerfer vorhanden.
Die Gleitbombe wurde vom Trägerflugzeug aus über eine Funkfernsteuerung mit 18 Kanälen im Frequenzbereich um 50 MHz ins Ziel gesteuert. Die Fernsteueranlage bestand aus einem Sender (FuG 203) mit dem Decknamen „Kehl“ im Flugzeug und dem „Straßburg“-Empfänger (FuG 230) in der Gleitbombe. Auch wurde eine „FB“(Fernsehbild)-Steuerung mit einer Auflösung von 224 Zeilen entwickelt, mit der das Bild einer Kamera („Tonne“; ca. 17 cm × 17 cm × 40 cm groß) in der Gleitbombe per Funk zum „Seedorf“-Fernsehempfänger im Flugzeug übertragen wurde, um so eine Zielführung zu ermöglichen. Die Version Hs 293 D gelangte zwar nicht mehr zur Serienreife, lässt aber aus meiner Sicht bereits zu dieser Zeit das inzwischen etablierte Konzept zur Steuerung von Dronen erkennen.
Für den Antrieb entschied man sich für das Walter Flüssigkeitsraketentriebwerk HWK 109-507. Dieses diente nicht dem eigentlichen Antrieb, sondern sollte die Gleitbombe lediglich in der Abwurfphase beschleunigen, um sie vor das Trägerflugzeug und damit ins Blickfeld des Bombenschützen zu bringen.
Der erste Einsatz der Hs 293 erfolgte am 25. August 1943. Mit über 30 beschädigten oder versenkten Kriegsschiffen war sie bis zur Einführung der französischen Exocet mehr als 30 Jahre später der weltweit erfolgreichste Seezielflugkörper. Als Trägerflugzeuge wurden vor allem Bomber vom Typ He 111, He 177, Do 217, Fw 200 und Ju 290 verwendet. Im Laufe des Krieges wurden mindestens 1200 Stück der Hs 293 gebaut.
Die Treffgenauigkeit ist vor dem Hintergrund der damaligen Funktechnologie als erstaunlich hoch zu bezeichnen; so wurde bei Testabwürfen ein Kreis von 25 m Durchmesser bei zwölf Anflügen zwölf Mal getroffen.
Technische Daten:
Einsatz | 1943 -1945 |
Hersteller | Henschel Flugzeug-Werke |
Spannweite | 3,10 m |
Länge | 3,82 m |
Gewicht | 975 kg |
Gefechtskopf | 660 kg mit 300 kg Amatol |
Höchstgeschwindigkeit | 950 km/h |
Reichweite | 3,5 – 18 km |
Schub | 600 kp |
Das Bauprojekt:
Nach dem Bau der Gleitbombe Ruhrstahl Fritz X habe ich mich weiter mit dem Thema beschäftigt und bin in diesem Kontext bei der Hs 293 gelandet, von der neben der Basisversion auch noch weitere Varianten geplant waren. Die Suche im Internet nach entsprechenden 3D-Modellen wurde schnell mit Treffern belohnt, wobei sich darunter sogar einige kostenlose Dateien befanden. Nach kurzer Rücksprache mit Lukas Raitmayr klingelte es bereits wenige Tage später an meiner Wohnungstür, und der Paketbote überreichte mir die gedruckten Teile.
Nach dem groben Entfernen der Stützäste vom Druck erfolgte eine erste Begutachtung der Teile. Die Proportionen und Details stimmten mit Ausnahme der beiden vorderen rundum verlaufenden Rillen im Hauptkörper sehr gut mit dem Original überein. Die beiden Rillen müssten eigentlich etwas weiter vorne sitzen. Leider fehlte noch das Höhenruder am Heck, das mir dann aber später separat zugeschickt wurde.
Um eine optimalen Basis für den Farbauftrag zu schaffen und Restspuren von den Druckästen zu entfernen, folgte die inzwischen übliche Schleifprozedur mit Sandpapier unterschiedlicher Körnung im Nassverfahren.
Schließlich habe ich noch eine Öse, einen kleinen H-Träger sowie einen kleinen Zylinder entsprechend Originalfotos am Vorderteil des Hauptkorpus ergänzt.
Alle Teile erhielten im Anschluss daran eine Grundierung mit verdünntem Mr Color Surfacer 1500 black. Nach einer 24 stündigen Trockenzeit konnten noch kleine Unebenheiten mit feinem Schleifpapier Körnung 5000 egalisiert werden. Um den Farbauftrag mit Lichtblau über alles etwas aufzulockern, habe ich die sogenannte Mottling Methode verwendet, bei der frei Hand oder mit Hilfe einer Schablone helle Farbflecken (in diesem Fall verdünntes Weiß) aufgetragen werden. Die beiden vorderen Teile der Grundkörper erhielten dann einen lasierenden Farbauftrag mit dunkler Rostfarbe.
Im Anschluss daran wurden die beiden vorderen Teile mit Heavy Chipping Fluid behandelt (alternativ kann man auch einfaches Haarspray verwenden). Nun konnte die Lackierung aller Teile mit einer Mischung aus verdünntem Lichtblau und Weiss aus dem Tamiya Sortiment stattfinden. Um die Plastizität des Modells noch etwas zu erhöhen, wurde der Grundfarbe noch etwas mehr Weiss zugefügt und die oberen Flächen etwas aufgehellt.
Nach einer kurzen Trockenzeit folgte mit einem feuchten Pinsel, das vorsichtige Abtragen eines Teils der Farbe an den beiden vorderen Teilen entsprechend dem Foto des Originals, um Gebrauchsspuren und einen Rosteffekt darzustellen.
Für die Präsentation des Modells orientierte ich mich an einem Originalfoto, das die Gleitbombe auf einem entsprechenden Metallrahmen zeigt. Beim Nachbau des Gestells aus L-Profilen der Firma Evergreen ist mir dabei aufgefallen, dass es sich bei dieser Konstruktion um eine Ausführung handeln muss, die ausschließlich zu Präsentationszwecken genutzt wurde, weil man die Gleitbombe wegen den drei Halteschalen im oberen Bereich weder problemlos aufsetzen noch entfernen konnte.
Das Stahlgerüst erhielt noch ein Washing mit schwarz-brauner Ölfarbe sowie eine Betonung der Kanten mit einem weichen Graphit-Stift, und war damit für die Aufnahme der Gleitbombe bereit.
Die Teile der Hs 293 wurden nun auch zusammengefügt und zum ersten Male probehalber auf den Bock gesetzt. Beim nächsten Modell werde ich noch vor der Bemalung auf eine optimale Passung der Teile achten, da es bei den Flügeln nicht ganz so einfach war, diese korrekt zu positionieren.
Noch fehlte ein seidenmatter Glanzlack als Vorbereitung und Schutz für ein abschließendes Washing.
Das Washing erfolgte mit einer verdünnten Mischung aus brauner und schwarzer Ölfarbe, um der Gleitbombe einen etwas verwitterten Eindruck zu verleihen. Dieses Exemplar stand wahrscheinlich längere Zeit im Freien, wobei es wahrscheinlich, gemäß dem Originalfoto, auch noch aus unterschiedlichen Originalteilen zu Präsentationszwecken zusammengeschustern sein dürfte.
Die Panel-Linien erhielten noch einen Pin-Wash mit dunkelgrauer Ölfarbe und zu guter Letzt wurde noch ein Leitung ausgehend vom Pitot Rohr am Heck, wie auf Originalfotos sichtbar, ergänzt.
Zur abschließenden Präsentation wurde noch eine Plakette mit dem Logo der Firma Henschel mit Hilfe des Computers erstellt, ausgedruckt und am Gestell zusammen mit der Hs-293 angebracht.
Fazit:
Mit der Nutzung von Freeware zum Drucken von Bausatzteilen betrat ich absolutes Neuland und muss sagen, dass man damit – soweit man Zugriff auf einen Bastelfreund mit Drucker hat – sehr günstige und interessante Modelle erzeugen kann.
Gert Brandl, Berlin (September 2023)
Werter Kollege Brandl,
eine tolle Beschreibung eines ausgefallenen Bausatzes . . . sofern man sowas überhaupt noch als Bausatz bezeichnen kann . . . aber, ja, ich habe selbst einige dieser Hs 293 in „meinem“ Maßstab 1:72 auf Lager, die ebenfalls solch detaillierter Bauweise harren. An Unterlagen mangelt es, Dank des Internets, ja nicht. Nur eines irritiert mich an der ganzen Geschichte: Was, um alles in der Welt, hat diese Gleitbombe verbrochen, das sie „im Freien gestanden habe“ ? ? ?
Soviel ich weiß, ist das richtige Hilfszeitwort für die Zeitenbildung von stehen „sein“ und nicht „haben“ . . . schade, daß durch solch einen läppischen Fehler ein ansonsten hervorragender, informativer Artikel abgewertet wird.
Hallo Herr Fritz,
danke für die Rückmeldung. Den Satz habe ich umformuliert.
Gert Brandl