Vorbild:
In der Sowjetunion wurden in der letzten Hälfte des Zweiten Weltkrieges eine Reihe von Fahrzeugen konstruiert, die dazu in der Lage sein sollten, schwere Panzerabwehrkanonen aufzunehmen und somit die stark gepanzerten deutschen Kampfpanzer zu durchdringen. So wurde 1944 vom Konstruktionsbüro Uralmasch auf Basis des T-44 ein Panzerjäger mit einer 122-mm-D-25S-Kanone entworfen. Als Zweitbewaffnung war ein koaxiales 7,62-mm-DT-BlendenMG sowie ein 12,7-mm-DShK-FlaMG vorgesehen. Ausgelegt war die Konstruktion als Kasemattpanzer. Die Frontpanzerung sollte bei einem Neigungswinkel von 27° 90 mm stark sein. Auch die Seiten- und Heckpanzerung fiel für einen Panzerjäger verhältnismäßig stark aus. Die Konstruktion wäre dementsprechend schwer geworden. Das Volkskommissariat für Panzerindustrie verglich im Oktober 1944 die Entwürfe des ESU-100, SU-122P, SU-100-M-1, SU-100-M-2 und SU-122-44. Die Entscheidung fiel auf das SU-100-M-2. Somit wurde im März 1945 die weitere Entwicklung ohne Bau eines Prototyps eingestellt.
Quellen: Wikipedia Artikel SU-122-44 (englisch und russisch)

Bausatz:
OKB Grigorov hat bereits eine Reihe von Prototypen und Reißbrettzeichnungen in 1/72 herausgebracht. Diese Reihe wird nun um das sowjetische SU-122-44 erweitert. In dem kleinen, aber stabilen Faltkarton sind 108 graue, 2 klare Resin- und 105 Ätzteile, ein gedrehtes Messingrohr sowie die Bauanleitung enthalten. Die Teile sind wie üblich am Computer gestaltet worden. Der Guss des Resins ist von guter Qualität, weist aber einiges an Flash auf. Die Angussblöcke fallen schmal aus. Diese lassen sich leicht entfernen, die Versäuberung der vielen Teile wird trotzdem etwas Zeit benötigten. Verzug gibt es bei den vielen Teilen des Öfteren. Ein warmes Wasserbad und gegebenenfalls Zurechtbiegen sollten aber Abhilfe schaffen. Die Detaillierung der Teile fällt dank CAD sehr gut aus. OKB ist dafür bekannt, in 1/72 sämtliche Details möglichst genau darzustellen, was auch bei diesem Bausatz der Fall ist.

Der Bau beginnt mit dem Laufwerk. Hier zeigt sich bereits die gute Detaillierung: auch kleine Teile wie die Endanschläge der Drehstabarme liegen einzeln bei. Die Kette fällt sehr dünn aus und weiß voll zu überzeugen. Einzig beim Trennen von den Angussblöcken und Versäubern gilt es sehr vorsichtig vorzugehen, um nichts abzubrechen. Die Laufrollen und Drehstabarme liegen selbstverständlich einzeln bei und können daher an den Untergrund angepasst werden. Die Wanne ist ebenfalls sehr schön dargestellt und weist eine Fülle von Muttern und anderen kleinen Details auf. Die für russische Panzer übliche raue Struktur der Stahlplatten ist allerdings nicht wiedergegeben, ebenso wenig die Schweißnähte an den Verzahnungen der Kasematte. Stattdessen erkennt man noch Spuren vom 3D-Druck des Mastermodells. Hier kann der Modellbauer mit flüssiger Spachtelmasse vorsichtig nachbessern. Mir gefallen die dünnwandigen Kettenabdeckungen und einzeln beiliegenden Werkzeuge, auch wenn diese nach dem Guss noch gerade gebogen werden müssen. Auch die zwei Scheinwerfer aus klarem Resin sind sehr nützlich. Der eine wird am Modell befestigt und kann realistisch bemalt werden, der andere wandert in die Restekiste. Die Ätzteile werden sinnvoll genutzt, etwa als Motorraumabdeckungen, als Querstreben an den Kettenabdeckungen, für Klemmen der Ersatzkettenglieder oder für die bei sowjetischen Panzern typische Trummsäge (Zweimannsäge). Letztere liegt aber auch noch als Resinteil bei. Das Rohr der Kanone liegt sowohl als Resin-, als auch als gedrehtes Messingteil bei, die Mündungsbremse besteht aus Resin und ist offen gegossen. Auf der Oberseite fällt sofort das wunderbar dargestellte DShK-FlaMG ins Auge. Dieses strotzt vor filigranen Teilen und muss mit viel Fingerspitzengefühl zusammengebaut werden. Wünschenswert wäre es bei dem hohen Detailgrad noch gewesen, die zahlreichen Luken, wenigstens aber die für die Besatzung, geöffnet darstellen zu können. So wurde nur die Kommandantenluke berücksichtigt, wobei darunter auch gleich das geschlossene Wannendach folgt, sodass nur eine Halbfigur in Frage kommt oder das Dach aufgebohrt werden müsste. Einige Teile benötigen noch Stifte aus Messingdraht, welcher nicht beiliegt. Für die Abschleppseile liegen Schäkel bei, aber keine Drahtseile. Auch hier muss der Modellbauer auf seinen eigenen Fundus zurückgreifen.

Bauanleitung und Bemalung:
Die Bauanleitung ist auf eine DIN A4-Seite in schwarz-weiß gedruckt. Die enthaltenen Teile sind alle jeweils einmal abgebildet und sollten vor dem Bau dringend abgeglichen und auf Vollzähligkeit überprüft werden. Das Modell wird lediglich im fertigen Zustand aus mehreren Perspektiven abgebildet. Daher sollte man beim Zusammenbau sehr aufmerksam sein.
Bemalungshinweise und Decals sind nicht enthalten, da es kein entsprechendes Vorbild gab. Hier kann sich der Modellbauer also künstlerisch frei austoben.

Fazit:
OKB Grigorov bringt mit diesem Modell wieder eine Rarität in 1/72 heraus. Es handelt sich meines Wissens nach um das einzige SU-122-44 in diesem Maßstab. Dieses ist sehr gut umgesetzt und fabelhaft detailliert, besitzt aber noch kleine Stellen zum Nachbessern. Aufgrund der verwendeten Materialien und der Anzahl an Teilen ist der Bausatz zweifelsohne nur für erfahrene Modellbauer geeignet. Wer sich für Entwürfe vom Reißbrett oder den Bau von Panzern aus Spielen wie World of Tanks interessiert, sollte hier zugreifen.
Der Preis liegt bei etwa 55 €. Zu erhalten ist der Bausatz beim Hersteller oder ausgewählten Modellbaufachhändlern.

Philip Koch, Godern (April 2023)

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