Bespannung, ein vergessenes Thema



Corner X.OP-1A, einsitziger Jagd-Aufklärer, USAAC 1932

Haute Couture: Man glaubt es zunächst nicht, aber auch Modellbau ist Moden unterworfen. Das geht bis auf die Anfänge des Plastikmodellbaus gegen Ende des WK II zurück. Damals kam für den ernsthaften Modellbauer nur Holz in Frage, Plastikmodelle waren Kinderspielzeug. Was nicht verwunderte, denn alles war doch recht rudimentär. Das ließ die Kit-Hersteller nicht ruhen, die nächste Bausatzgeneration zeigte deshalb Nieten. Schön groß, damit man sie auch von den Holzbildhauern, die so etwas nicht wiedergeben konnten, bemerkt werden konnten. Nachdem man entdeckt hatte, dass ein platter Pilotenkopf und sonst nichts etwas mickrig war und Flugzeuge auch Beine haben, folgten in den 70ern bewegliche Teile. Fortan wurde die Qualität eines Bausatzes an der Anzahl der beweglichen Teile gemessen (z.B. eine TBF Avenger von Lindberg, bei der alle Ruder durch den Steuerknüppel bewegt werden konnten). Etwas später erschienen dann versenkte Gravuren statt erhabener Grate und Ätzteile, und - nicht zu vergessen - Stoffstrukur - damit noch mehr Detailierung zu sehen war. "Detailierung" war nun das Zauberwort. Je mehr, desto mehr Lob des Rezensenten.  So ist es bis heute geblieben.

Mit einer Ausnahme: Bespannung sieht noch immer aus wie anno dazumal. Meist wellenförmige Durchhänger, neuerdings aber auch Hervorstehendes, das an aufgenagelte Zaunlatten erinnert. - Wie bei den Nieten feiert die Übertreibung ("Detailierung") fröhliche Urständ. Auch wer's gerne etwas deutlicher hat, muss wohl eingestehen, dass es so wie z.B. bei der SB2U-3 Vindicator von Accurate Miniatures (s. Bild) wohl nicht ausgesehen haben kann. Detailierung und Übertreibung sind eben zwei untrennbare Geschwister.

Foto: Petr Buchar B-17



So nicht! - hier SB2U-3 von Accurate Miniatures

Stoffbespannung: Wie man sich in einem Luftfahrtmuseum oder zumindest anhand von Fotos leicht selbst überzeugen kann, sehen bespannte Ruder oder Tragflächen anders aus. Weder hängt etwas in Wellen durch, noch sind außen Verstärkungen à la Cessna 170 zu sehen,  die Stoffstruktur verschwindet unter  etlichen Lagen Spann- und anderen Lacken, ganz abgesehen davon, dass sie im Modell gar nicht darstellbar wäre. Bespannung ist straff wie ein Trommelfell und spiegelglatt. Nur wenn man genau hinsieht, erkennt man die darunter liegenden Rippen. Nichts hängt dazwischen durch und auch Latten vom Jägerzaun sind nicht zu sehen.

Womit wir beim eigentlichen Thema wären: Wie kann man im Modell eine falsche Bespannung korrigieren bzw. selbst machen?  - Die Lösung ist einfacher, als man denkt:

Dünne Tragflächen von WK I-Flugzeugen: Durchhänger so mit Kitt/Putty auffüllen, dass eine glatte Oberfläche entsteht, die Erhebungen aber eben noch zu erkennen sind; nach dem Trocknen fein verschleifen. Da Kitt normalerweise etwas nachschrumpft, bleiben etwas später minimale Erhebungen (Rippen) stehen. Ganz wie im Original.

Ansonsten: Man nehme einen Kern (Material unwichtig, Balsa, Plastik oder was gerade zur Hand ist) und laminiere ihn mit dünnem Plastik (max. 0,2 mm), in das vorab auf der Rückseite die Rippen eingeprägt wurden. Bei 1/48 oder größer nehme ich dazu einen Kugelschreiber, bei 1/72 die Rückseite einer Messerspitze (1/144: Vergiss es!). Damit es eine scharfe Hinterkante gibt, wird innen flach abgefast. Evtl. Trimmruder werden erst nachträglich eingraviert, weil bei einem Schlitz die Gefahr besteht, dass Leim nach außen dringt. Für die Verklebung hat sich Sekundenkleber bewährt, Plastikkleber würde die Rippen aufweichen. - Im Prinzip war's das schon. Also überhaupt keine Hexerei.

Links Hilfslinien, rechts Einprägung
mittels Kugelschreiber
Kern und Beplankung vor dem Verkleben

Die im Foto ersichtliche Lösung, die vorne verbundenen Ober- und Unterteile einfach um das Profil herumzubiegen, erwies sich als bruchanfällig. War aber auch kein Problem: Einen Streifen Plastik mittels Reißzwecken an zwei Leisten befestigt, über dem Toaster weich gemacht und dann vorne um den Kern gelegt (nicht gezerrt). Nach dem Erkalten zurechtgetrimmt und eingesetzt (auf dem Foto auf dem schmäleren Tragflächenteil vorne zu sehen); dann Flächenober- und Unterseite aufgebracht.

Weil das Modell ein Unikat ist, dürfte der restliche Eigenbau weniger interessieren. Nur nebenbei: Um eine Cockpithaube zu ziehen, brauchte man nur in den 1940er Jahren ein Balsaholzklötzchen. Heutzutage gibt es PolyesterSpachtelmasse, die sich nach dem anhärten schnitzen und danach wunderbar schleifen lässt.



Das Rohmodell - Außer Rumpf, Motorhaube und Luftschraube Eigenbau

"Zaunlatten" und andere im Original nicht vorhandene überstehende Applikationen zu korrigieren ist auch nicht schwer: Zaunlatten abschleifen, Maskierband so aufbringen, dass an den Stellen der Rippen ganz schmale Schlitze offen bleiben; diese dann mit verdünntem Kitt/Putty glatt auffüllen; nach dem Trocknen und Abziehen der Maskierung evtl. entgraten.

Farben: Entsprechend der damaligen Zeit Olivgrün und Orangegelb. In meinem Fall einfach aus Revell 15 Gelb und 08 Schwarz (Olivgrün) bzw. 15 Gelb mit einem Stich 34 Signalrot gemischt. Dann Revell 1 Glanzlack, Eigenbau-Abziehbilder und schließlich Mischung aus 1/5 Glanz plus 4/5 2 Matt Abschlusslackierung. Warum nicht Gunze oder andere angesagte Farben, ist einfach erklärt: In Nürnberg gibt es kein Modellbaugeschäft mehr, aber Revell in jedem Kaufhaus.





Eigenbau-Cockpit, man beachte den waagrechten Kompass.

Abschließend wäre da noch etwas zu erklären: Sorry, eine X.OP-1A gab es in Wirklichkeit gar nicht. Am Anfang stand die Frage, was aus einer Tamiya J3M2 Raiden werden sollte, die ich nicht mehr bauen und niemand haben wollte. Im Ergebnis kam heraus, dass ich mich in die Rolle eines Konstrukteurs der zwanziger Jahre versetzte, der den Auftrag hatte, anstelle der damals üblichen Aufklärungs-Doppeldecker eine Maschine zu bauen, die zwar primär Aufklärer war, sich aber auch als Jäger ihrer Haut wehren konnte. Was auf einen Eindecker mit Vorwärtsbewaffnung voraussetzte (Kamera hinten, Flügel aus aerodynamischen Gründen geknickt). Dass das Herstellen der Bespannung kein Problem war, habe ich versucht, oben klar zu machen. Nur die Fotos hatten es in sich, weil die Bespannung kaum zu sehen ist. Wie im Original.

Wilfried Eck, Nürnberg (März 2015)