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Noch kein Golden Oldie

Mitsubishi J2M Raiden - "Nippon Thunderbolts"

Tamiya Spritzguss 1:48

Schon immer faszinierte mich der Paradigmenwechsel im japanischen Jagdflugzeug-Bau während des Zweiten Weltkrieges vom extrem leichten und wendigen Langstreckenjäger hin zum schwer bewaffneten, steigfähigen Interceptor. Galt es am Beginn des Krieges im Pazifik riesige Strecken zu überwinden und mit langsamen und leicht bewaffneten Maschinen ausgerüstete Kontrahenten zu bekämpfen, so waren 1945 hochfliegende alliierte Bomber mit Geleitschutz die Gegener, die der Heimat näher kamen als den Japanern lieb sein konnte.

Als Reaktion entstanden Typen, mit ähnlichem Konzept wie die amerikanische P-47D Thunderbolt. Zu diesen "Nippon (Nippon = Japan) Thunderbolts" zähle ich die Ki-100II Hien, die Ki-44 Shoki und die Ki-84 Hayate, alles für japanische Verhältnisse schwere Maschinen mit starken Sternmotoren. Der bekannteste Vertreter dieser Gattung ist für mich. die J2M Raiden alliierter Codename "Jack") von Mitsubishi, die um den großen Kasei 23a 14-Zylinder-Motor aus dem selben Hause herum konstruiert wurde. Mit ihrem dicken kreisförmigen Rumpf und den kurzen Flügeln war sie ein richtiges "Kraftei". Kaum zu glauben, dass sie von Jiro Horikoshi dem Schöpfer der "Zero", stammt!

Am lebhaftesten in Erinnerung habe ich diesen Typ durch den alten Revell 1:32er-Kit, den ich allerdings nie gebaut habe und den man heute nur noch Second-Hand bekommt. Außerdem gab es einmal von Otaki eine "Jack" in 1:48. Aktuell hat Hasegawa die Raiden in 1:32 und 1:48 im Sortiment. Mich hat aber der alte Tamiya-Bausatz immer mehr gereizt. Die Formen stammen aus dem Jahr 1973. Zu der Zeit baute ich Airfix-Kits aus weichem hellblauen Plastik, überzogen von erhabenen Gravuren und Panzernieten. Inneneinrichtungen bestanden bestenfalls aus einem Hockbrett auf dem eine arme Pilotenfigur kauerte und, wenn es hochkam noch einem Instrumentenbrett.

Und was bietet dagegen dieses Oldie-Juwel? Harten, gut zu bearbeitenden Kunststoff im Farbton IJA-Grau. Oberflächen mit vertieften Gravuren und ein paar feinen erhabenen Linien, Schraubverschlüsse und einige (wenige) Nieten ebenfalls versenkt dargestellt. Die Inneneinrichtung ist komplett mit Sitzschale, Seitenkonsolen und Instrumentenbord sowie Seitenruderpedalen, Steuerknüppel und Sitzverstellhebel. Dazu zwei Pilotenfiguren, eine sitzend und eine stehend. Der Propeller ist vierteilig einschließlich Lüfterrad, das Fahrwerk hat detaillierte Schächte sowie Klappen, es fehlen einzig die Bremsleitungen. Für den verspielteren Modellbauer gibt es die Option, sowohl Hauptfahrwerk als auch Spornrad mit Extrateilen sehr einfach im eingezogenen Zustand darzustellen. Ein abwerfbarer Zusatztank komplettiert das Modell.

Aus allem spricht der Tamiya-typische Sinn für Qualität. Trotz des fortgeschrittenen Alters der Formen findet sich nur wenig Grat und auch Sinkstellen und Auswerfermarkierungen sind eher die Ausnahme. Noch besser: es passt einfach alles problemlos zusammen, ein wenig Schleifen der Klebenähte genügt, die Spachteltube bleibt zu. Typisch auch die trickreich konstruierte Einheit Kabinendachverstrebung/Antenne: Da sie tief im Rumpf verankert wird, ist garantiert, dass alles richtig sitzt und, kaum zu glauben, während des gesamten Baus ist dieses Teil nicht einmal abgebrochen!

Als Nebeneffekt des Bausatzalters gibt es keinerlei Zubehör mehr auf dem Markt. Sicher, ich hätte für den Hasegawa-Kit gedachte Teile verwenden können, aber statt dessen machte ich aus der Not eine Tugend und baute mal wirklich OOB! Einzige Verbesserungen waren fotogeätzte Sitzgurte von Eduard und das Aufsägen der Kabinenhaube. Letzteres gelang problemlos mit ruhiger Hand und fotogeätzter Säge. Und da die Glasteile auch noch ausreichend dünn sind (Thema Qualität) passte das Mittelstück auch auf das hintere Haubenteil.

Da der Bau also mehr oder weniger "shake´n´bake" verlief, wollte ich mal was neues bei der Bemalung probieren. Die Maschine sollte mit silberner Unterlackierung versehen werden, um dann mit abschaben der Tarnfarbe einen realistischen Chipping-Effekt zu erhalten. Dazu sollte das neue Superfine-Siver (Super Metallic SM1) von Gunze verwendet werden. Etwas unsicher war ich mir bei dieser Premiere, aber wie von Gunze gewohnt, deckte die Farbe schon nach einer dünnen Lage und war nach 24 Stunden durchgetrocknet genug, um mit Gunze H60 IJA-Green auf der Oberseite bzw. IJA-Grey H62 unten überlackiert zu werden. Im Bereich der Flügelwurzeln habe ich vor der Tarnung auch noch etwas Mico-Mask (ähnliches Produkt wie Humbrol Maskol) aufgetragen. Leider wartete ich ein paar Tage bis zum abziehen, so dass die Gummilösung hart geworden war.

Nachdem ich aber einen Rand gefunden und diesen angehoben hatte, ließ sich der Rest problemlos abzeihen. Der Effekt ist beeindruckend, aber ich hatte zuviel des Guten getan, so dass die Fläche unrealistisch groß aussah. Daher sprühte ich sie teilweise wieder über und schabte anschießend mit einer 10er-Skalpellklinge am Rand entlang, so dass wieder scharfe Kanten entstanden. Gleiches tat ich mit viel beanspruchten Kanten, Rändern von Wartungsklappen und der Flügelvorderkante so lange, bis ein realistischer Abnutzungseffekt entstanden war. Die Markierungen an der Flächenvorderkante und am Spinner entstanden mit einer Mischung von H14 Orange und H4 Gelb.

Zuletzt wurden nach einer Schicht Future die Decals aufgebracht und anschließend ein Washing aufgepinselt. Hierzu verwendete ich unten MIG-Neutral-Wash, oben eine sandfarbene Mixtur aus Goya Aqua Oil wasserverdünnbarer Ölfarbe, da die Originalfotos die Maschinen meistens mit hellem Staub in den Rillen zeigen.

Die Decals sind das einzig unerfreuliche an dem Bausatz, sie sind zwar im Register gedruckt und decken hervorragend, sind aber dermaßen fest, dass sie selbst auf Daco Rot nur beim drittenmal reagierten. Gleichzeitig waren sie aber so brüchig, dass man sie nur extrem vorsichtig verschieben durfte. Ich war heilfroh, als sie drauf waren und sich einigermaßen "gesetzt" hatten. Ob diese Probleme am Alter der Decals lagen, kann ich nicht sagen. Ich habe mich übrigens dagegen entschieden, die allseits bekannte Maschine von Yoshihiro Aoki mit den gelben Blitzen nachzubilden stattdessen baute ich lieber eine bereits 1943 geflogene Raiden der Genzan Flying Group von der Kagoshima Air Base.

Zum Schluss wurde noch eine Mixtur aus Gunze Mattlack mit 1/10 glänzendem Klarlack aufgesprüht und eine Antenne aus 0.1mm-Anglerleine gespannt..

Fazit: Dieser Bausatz ist trotz seines Alters allemal eine Kaufüberlegung wert: Die Qualität ist noch immer beeindruckend, die Maße stimmen mit dem Original überein und nach dem Bau unverkennbar eine Raiden vor einem! Die Tatsache, dass es keine Aftermarket-Produkte für diesen Bausatz mehr gibt und die gute Passform machen den Bau zu einer echten Erholung! Alles in allem habe ich trotzdem, vor allem wegen der Lackierung etwa vierzig Stunden für den Bau benötigt.

Literatur:

Utz Schißau (Berlin, März 2012)