Original: Als Henri Coanda 1910 bei der Zweiten Internationalen Aeronautischen Ausstellung im Grand Palais, Paris (October 1910) sein "Air Reactive (Jet) Flugzeug" ausstellte, fand er bei der Fachwelt wenig Anklang. Heute wissen wir jedoch, dass er seiner Zeit weit voraus war. Dieses Flugzeug war das erste Flugzeug der Welt mit einem Düsenantrieb. Es war mit einem Thermojet, einer Kombination aus kolbengetriebenem Verdichter und zwei Brennkammern, angetrieben. Der Motor war an der Rumpfspitze angebracht und sollte die beiden Schubstrahlen schräg nach hinten/außen ausstoßen.
Im Dezember 1910 führte Coanda mit der Maschine erste praktische Flugversuche durch. Leider wurde die Maschine beim Erstflug zerstört. Weitere praktische Versuche mit Strahlantrieben erfolgten erst etwa 30 Jahre später.
Henri Coanda beschreibt seinen Flug so:
"Es war am 10. Dezember 1910. Ich hatte nicht die Absicht, an diesem Tag zu fliegen. Ich plante, den Betrieb des Düsenmotors nahe am Boden zu überprüfen, aber die Hitze des Düsenstrahls, der zu mir zurückkam war größer, als ich erwartet hatte und ich befürchtete, das Flugzeug in Brand zu setzen. Deshalb konzentrierte ich mich darauf, die Düse richtig einzustellen und bemerkte überhaupt nicht, dass das Flugzeug schnell an Geschwindigkeit gewann. Dann schaute ich auf und sah die Mauern von Paris schnell näher kommen. Es blieb keine Zeit mehr, zu stoppen oder umzukehren und ich entschloss mich, es auszuprobieren und stattdessen zu fliegen. Unglücklicherweise hatte ich keine Erfahrung im Fliegen und wusste nicht genau, wie man die Schalthebel im Flugzeug bediente. Die Maschine machte einen kurzen Steilflug und landete dann mit einem heftigen Ruck. Erst schlug der linke Flügel auf dem Boden auf und dann zerschellte die Maschine auf dem Boden. Ich war nicht angeschnallt und wurde deshalb glücklicherweise aus der brennenden Maschine geschleudert."
Bei der ersten Erprobung beobachtete Coanda jedoch, dass die heißen Gase der Rumpfkontur folgten und daran entlangströmten. Der Sachverhalt, dass sich eine Luftströmung an eine glatte Fläche anlegt, wurde von Ihm eingehend untersucht und ist heute als Coanda- Effekt bekannt. Er wird auch heute im Flugzeugbau zur Erhöhung des Auftriebes eingesetzt. (z.B. SBS-System an der MiG-21 oder Triebwerksanordnung bei der An-72).
Technische Daten: | |
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Länge: | 12,5m |
Spannweite: | 10,3m |
Höhe: | 2,75m |
Leergewicht: | 420 kg |
Antrieb: | 1×37 kW (50 PS) Clerget 4-Zylinder-Reihenmotor für Thermojet-Triebwerk (2 kN Schub) |
Quellen: Wikipedia und flanagan-forschung.de
Zum Modell: Bei dem Kit der rumänischen Firma FanKit handelt es sich um einen Resinbausatz von mittlerer Qualität und exorbitantem Preis. Aber für den Liebhaber der frühen Flugzeuge ist es der einfachste Weg zu einem Modell dieses interessanten Flugzeuges.
Am Anfang standen die Suche nach geeigneter Dokumentation und der Vergleich mit dem Bausatz. Interessanterweise gibt es eine Replica, in einem rumänischen Museum. Diese Maschine zeigt aber gegenüber den historischen Aufnahmen im Detail einige Abweichungen. Noch schlechter ist es um die Detailgetreue eines weiteren Nachbaus (evtl. flugfähig?), der auch auf verschiedenen Flugtagen gezeigt wurde bestellt. Ein CAD-Modell von CIPWARE graphix3d ist auch unbrauchbar. Recht stimmig erscheint mir jedoch ein Riss aus dem RC- Modellbau (Scale modell aircraft plans). Er passt recht gut mit meinen vier Originalbildern überein.
Die Bausatzteile sehen von der Oberfläche her gut aus, erweisen sich aber bei genauerer Betrachtung für ein vorbildgetreues Modell als unbrauchbar. Die Tragflächen sind wesentlich zu dick, als Motor sind nur ein paar angedeutete Zylinderköpfe vorhanden, der Kabinenbereich ist zu voluminös und das Fahrwerk hat Abweichungen in Form und Dicke. Letzteres lässt sich wohl aufgrund der Stabilität nicht anders machen.
Lange gerätselt habe ich, ob die Coanda Vorflügel gehabt hatte. Der obere Flügel im Bausatz von FanKit hat eine durchgehende Oberfläche und unten kleine, bogenförmige Ausleger. Die meisten Modelle der Coanda zeigen an der Unterseite diese Ausleger, die die Halterungen für eine Art Vorflügel sein könnten. Sie sind auch auf den Bildern vom Original deutlich zu erkennen. Andererseits haben fast alle mir bekannten Modelle durchgehende Tragflächen. Die Replika im rumänischen Museum scheint dagegen einen Vorflügel zu haben. Auch das - zugegeben recht einfache - Modell im Technikmuseum München hat ihn auf der Oberseite angedeutet.
Was ist also korrekt? Die Originalfotos sind in zu schlechter Qualität um den möglichen Spalt des Vorflügels eindeutig zu zeigen, insofern ist reichlich Platz für Zweifel. Aber Henri Coanda ist der Begründer der Lehre vom Strömungsverhalten der Luft an glatten Oberflächen, einer der führenden Wissenschaftler der Strömungslehre. Ich denke, dass die Maschine eine Art Vorflügel oder Spalt hatte. Dafür spricht auch das ungewollte Abheben nach kurzer Anlaufstrecke, was letztendlich zum Crash des Flugzeugs geführt hat. Aber nun zum Bau:
Begonnen habe ich mit der Überarbeitung des Rumpfes. Auf zwei meiner vier Originalbilder ist zu erkennen, dass im Bereich des Motors keine Verkleidung vorhanden war oder abgenommen wurde. So wollte ich mein Modell auch zeigen. Da der Führerraum des Bausatzes auch nicht stimmig erschien, habe ich den Rumpf in drei Teile zerlegt und Motorraum sowie Pilotenbereich neu aufgebaut.
Dabei sind mir zwei der Seitenleitwerke mehrfach abgebrochen. Da sie sowieso etwas dick geraten sind, habe ich sie gleich abgetrennt und den Rumpf verschliffen. Vier neue Leitwerke entstanden aus dünnen Polystyrolplatten. Zur stabileren Befestigung habe ich den hinteren Rumpf etwas eingesägt.
Beim Aufbau des Motors konnte ich die vorhandenen Zylinder einsetzen. Ich habe anhand des 3D-Modelles (Internet) einen Motorblock aus Evergreenprofilen nachgebildet.
Der Rumpf des Modelles weist nur zwei Längsgravuren auf. Irgendwo am Flugzeug müssen jedoch Stöße in der Holzverkleidung gewesen sein. Eine Prinzipskizze der Coanda zeigt im hinteren Rumpfbereich mehrere Spanten und ich denke, dass dort auch die Holzplatten zusammengesetzt wurden. Ich habe deshalb an diesen Stellen den Rumpf nachgraviert.
Die Tragflächen wurden neu hergestellt. Ich habe mir für diesen Fall vor einiger Zeit aus einem Stahlblech eine Form gebogen, die eine ungleichmäßige Wölbung hat. Es wurden zwei 1,5 mm dicke Plastikplatten mit Klebeband auf die Form geklebt und das Ganze in kochendem Wasser erhitzt. Nach der Abkühlung haben die Plastikplatten die passende Wölbung angenommen. Im Anschluss wurde das Profil herausgearbeitet und die Vorflügel abgetrennt. Nachdem ich diese in Form gebracht hatte, wurden sie mit kleinen Plastikklötzen wieder angeklebt und die Gravuren hergestellt. Ich habe mich bei den Gravuren mangels Originalangaben an die Gravuren des Bausatzes angelehnt.
Danach mussten die Halterungen für die Vorflügel angebracht werden. Diese wurden aus kleinen Stücken Evergreenprofilen 0,5x1mm hergestellt. Ich habe die Teile hochkant mit einem Teppichband auf ein Stück Plastikplatte geklebt und rechts bzw. links daneben noch einen Begrenzungsklotz gesetzt. Danach wurden alle Halterungen (38 und 10 Reserve) gleichmäßig in Form gefeilt und anschließend angebracht. Zum Schluss musste noch die entgegengesetzte Wölbung der Tragflächenhinterkante realisiert werden. Ich habe die Flügel nach 2/3 der Tiefe längs getrennt und umgedreht wieder angebracht. Danach musste die entstandene Naht verspachtelt und verschliffen werden.
Die Baugruppen wurden im Anschluss mit Revell weiß, matt lackiert und auf Fehlstellen untersucht. Diese habe ich dann verspachtelt und nachgeschliffen. Diese Arbeitsgänge erfolgten 2x bis ich mit dem Ergebnis zufrieden war.
Die finale Lackierung von Tragflächen und Rumpf habe ich mit hautfarbener Valejo-Farbe durchgeführt. Danach wurden die Stöße durch Trockenbürsten mit Revell Rost abgedunkelt und die Teile mit rotbrauner Ölfarbe bemalt. Zur schnelleren Austrocknung habe ich Trocknungsbeschleuniger für Ölfarbe untergemischt. Da mir die Bemalung noch nicht dunkel genug und etwas streifig erschien, die abgedunkelten Stöße mir zu auffällig waren und ich die einzelnen Panele noch farblich variieren wollte, habe ich nach 2 Tagen Trocknungszeit nochmals Ölfarbe aufgebracht. Dabei habe ich die Grundfarbe mit Ocker und Dunkelbraun etwas abgestuft.
Im Anschluss wurde der vorbereitete Motor schwarz lackiert und silbern trockengemalt. Ergänzt habe ich noch die Auspuffleitung, welche die Abgase in den Verbrennungsraum der Triebwerkskammer leitete sowie einige Benzinleitungen (Messingdraht) zu den Zylindern und zur Turbine.
Das Fahrwerk und die Tragflächenstreben habe ich aus 0,5mm Messingrohr gebaut. Bei den Tragflächenstreben sollte man sich nicht nach den Bausatzstreben richten, sie sind zu kurz geraten. Auch die vorhandenen Risse stimmen nicht. Ich habe glücklicherweise ein Originalbild mit der Ansicht nur leicht schräg von der Seite. Dieses wurde so skaliert, dass die Größe der Turbine mit dem Bausatz übereinstimmt. Danach kann man die Größe der Streben gut schätzen. Zur stabileren Befestigung wurden die Streben mit 0,3mm Messingdraht verstiftet. Die Gleitschiene des Fahrwerkes stammt aus dem Bausatz. Bemalt wurde alles mit schwarzer Acrylfarbe.
Nach Anbringung und Ausrichtung der Tragflächen ist mir aufgefallen, dass einige Gravurlinien an der oberen Tragfläche etwas schräg lagen. Also musste ich nochmals nachbessern. Danach habe ich das Höhenruder und den Hecksporn angebracht. Dabei kamen wieder Messingprofile zum Einsatz, die ich in den Bohrungen des Rumpfes fest verkleben konnte.
Die Coanda von 1910 hatte Speichenräder. Ich habe für den Reifen ein Evergreenrundprofil um eine passende Schaftschraube gewickelt und in heißem Wasser zu einer Spirale verformt. Danach wurde diese in Ringe geschnitten, verklebt, bemalt und durch eine auf Polyluxfolie gedruckte Speichenscheibe ergänzt. Im Zentrum wurde als Nabe ein kurzes Stück Messingrohr eingesetzt.
Die Steuerräder des Bausatzes waren schlecht ausgeformt. Deshalb habe ich sie neu angefertigt. Bei der Ausrichtung der Speichen half mir eine Vorlage, die ich am Computer ausgedruckt habe. Im Innenraum fanden noch eine Umlenkung und Seile aus gezogenen Gußästen Platz.
Bei der Federung war ich wieder auf Vermutungen angewiesen. Es könnten Spiralfedern sein, wie sie an den alten Voisin-Doppeldeckern üblich waren gewesen waren. Die Federn an meinem Modell stammen aus einem Stück Draht meiner alten Spule, welche ich um ein Messingrohr gewickelt habe.
Zuletzt habe ich noch die Seitenruder angebracht, mit Ölfarbe bemalt und das Modell mit seidenmattem Lack versiegelt. Die Anbringung der Räder und der zwei Spannseile (transparentes Nähgarn) rundeten den Bau ab.
Fazit: Für einen Bausatz reichlich viel Arbeit, aber ein außergewöhnliches Modell.
Karsten Rummer, Zittau (gebaut 2014)