Als Junge war ich fasziniert von einem Flugzeug, das sich E-166 nannte und aus dem Hause Mikojan-Gurewitsch kam. Die Faktenlage war meist so schlecht, wie die schlechten Fotos zur damaligen Zeit. Was man aber schnell wusste und schon aus propagandistischen Interesse der Welt mitteilen musste, es war ein Flugzeug das drei Weltrekorde aufgestellt hat.
Ich war 10 Jahre alt, als Alexander Fedotow (7. Oktober 1961) ein Geschwindigkeitsrekord auf einer geschlossenen 100-km-Strecke mit 2401 km/h aufstellte. Im Nachhinein beeindruckend, wie 16 Jahre nach Kriegsende die Entwicklung in der Luftfahrt einen solchen Fortschritt gemacht hat.
Weitere Rekorde folgten am 7. Juli 1962. Auf einer geraden Strecke von 15/25 km flog Pilot Georgi Mossolow eine Geschwindigkeit von 2681 km/h und am 11. September 1962 flog Pjotr Ostapenko im Horizontalflug in einer Höhe von 22.670 m. Zweifellos und die FAI bestätigt dies, Weltbestleistungen zur damaligen Zeit.
Nun hatte es 58 Jahre gedauert, bis im letzten Jahr, der Ukrainische Hersteller Modelsvit einen Plastikmodellbausatz im Maßstab 1:72 herausgebracht hat. Dies geschah aber mehr wegen des Drängen der interessierten Modellfreunde, da Modelsvit kurz zuvor schon das Modell der Je-152M vorgelegt hatte. Zwischen der Je-152M und der E-166 besteht kein großer Unterschied. Nur steht aber die Frage, ist das wirklich die Rekordmaschine? So wie sie heute im Museum der Russischen Luftstreitkräfte in Monino steht?
Okay, der Reihe nach.
Die Entwicklung geht auf das Jahr 1956 zurück und begann mit der Je-150. Eine Entwicklungslinie der schweren Jagdflugzeuge bei Mikojan- Gurewitsch.
Die Hauptaufgaben waren wie folgt formuliert: Gemäß dem Auftrag sollte der Jäger automatisch angreifen, Abfangen und Zerstören, feindlicher Bomber bei Überschallgeschwindigkeit bei allen Wetterbedingungen und ohne optische Sichtbarkeit, bei sich kreuzenden Kursen bekämpfen. Dabei waren Geschwindigkeiten von bis zu 1600 km / h in einer Höhe von 10.000 m und von bis zu 2.500 km / h in einer Höhe von 20.000 m, vorgegeben. Die Je-150 flog am 8.Juli 1960 mit A.V. Fedotow das erste mal.
Das Projekt Je-151 kam wegen der aerodynamischen Probleme bei dem Einbau einer Revolverkanone über die mock-up-Phase nicht hinaus.
Richtig zum Fliegen kam man erst wieder mit der Je-152A. Aber auch hier gab es eine Besonderheit. Wegen der durchaus begründeten Angst vor möglichen Störung bei den neu entwickelten R15-300 Strahltriebwerk für die Je-150, ging man schnell einen Schritt weiter und baute den zweiten Prototyp der Je-150 zur Je-152A mit den zwei R11F-300 um. Folglich flog diese auch eher. Erst nach zeitraubenden Prüfstandläufen baute man das R15-300 in die Je-152-1 ein. Trotzdem konnte man die Triebwerksprobleme in der ganzen Baureihe Je-150/Je-152 nicht wirklich abstellen.
Mit der Je-152-1 (Erstflug 21.April 1961) flog man dann auch eine ganze Reihe Erprobungen mit neuer Radaranlage und mit Luft- Luft- Raketen Dummys die an den Flächenenden angebracht waren. Im Sommer des Jahres 1961 hatte man schon bemerkt, welche Performanz in dem Flugzeug steckte. Nachdem man das Erprobungsprogramm abgearbeitet hatte, ging man dazu über sich mit Rekordflügen zu befassen. Man muss auch nicht davon ausgehen, das so ein Rekord beim ersten mal klappt. Dafür sind bestimmte Voraussetzungen und einige Flüge notwendig gewesen, wobei das beste Ergebnis dann letztlich in die FAI (Fédération dÁéronautique Internationale) Listen eingetragen wurden.
Und genau für diese Eintragungen musste man einen Flugzeugtyp angeben. Es gibt ein Foto dieses Dokumentes und dort steht nun E-166. Der Verbleib der Je-152-1 ist unbekannt. Diese Bezeichnung ist eine Fortführung der Rekordflugzeuge von Mikojan. Nach der Je-6, (Prototyp- und Vorserienbezeichnung der MiG-21), folgte die Je-66 (Bezeichnung der Rekordversion der MiG-21) und die Je-166. Danach gab es noch die Je-266/Je-266M, welch eine Rekordversion der MiG-25 war.
Die gleiche Konfiguration mit der Raketenaufhängung findet man dann auch bei der folgenden Je-152P. Die Je-152P war der nächste Entwicklungsschritt. Die Probleme mit dem internen Kraftstoffvorrat versuchte man mit größeren Kraftstoffbehältern auf dem Rumpfrücken zu begegnen. Auch ein 1500 Liter Zusatzbehälter war schon bei der Je-152-1 zu finden. Wobei ich nicht davon ausgehe, das die Rekordflüge mit einem Zusatzbehälter erflogen wurden. Bei der Je-152M wollte man mit Canards experimentieren. Deswegen gab es diese Verkleidung am Rumpfbug. Das hat man dann aber doch nicht mehr umgesetzt, da parallel die gleichen Tests mit einer MiG Je-6T3 liefen.
Erst nach dem die Entwicklung abgebrochen wurde oder das Flugzeug aus technischen Gründen (Triebwerk) nicht mehr einsatzbereit war, kam vermutlich die Frage auf, was soll damit werden? Mittlerweile war es 1967 geworden. Am Flughafen Moskau- Domodedowo stand im Juli die große Luftparade der Sowjetunion an. Nun stellte man die Je-152M ins Display der Flugshow.
Die Je-152M war vorher schon über die Gänze in einem ganz hellen Grau lackiert. In Vorbereitung der Luftparade wurde die Maschine noch einmal aufgehübscht. Vermutlich wurde dabei nur die Rumpfunterseite, der Falschkiel und das Seitenleitwerk farblich behandelt. Vor dem Flugzeug stand dann ein Schild, E-166 mit den Rekorden. Letztendlich aber eine totale Desinformation der damaligen Zeit. Danach kam dann das Flugzeug in das Museum der sowjetischen Luftstreitkräfte nach Monino.
Modelsvit hat sich durchaus Mühe gegeben und einen recht praktikablen Bausatz der E-166 erstellt. Es ist von den Bauteilen der gleiche Bausatz wie der zuvor erschienene Bausatz der Je-152M (Nr.72030). Was Modelsvit nicht gemacht hat, es hat sich mit dem Original nicht tiefgründig beschäftigt. Neue Decals, neuer Karton, neue Bauanleitung, fertig.
Fakt ist, man baut mit diesem Modell nur das Flugzeug, was heute in Monino steht und der Witterung preisgegeben ist. Wer das wahre Rekordflugzeug bauen möchte, der nimmt dem Bausatz Je-152-1 (Nr. 72036) von Modelsvit. Das Museumsflugzeug hat die verlängerten Tragflächen. In der Bauanleitung ist das schlicht falsch dargestellt, ebenso die zugeklappten Klappen am Hauptfahrwerk. Hier hat man im Zuge der Umlackierung die Hydraulikzylinder von der Klappe getrennt und zugeklappt. Eine neue Cockpithaube habe ich mir gezogen, weil so eine, einen besseren Durchblick hat.
Interessant ist auch, das in Monino schon einmal das Blau erneuert wurde. Dabei hat man den Bugbereich bis ganz vorn auch Blau gestrichen. In der vorigen Variante war dieser noch Hellgrau, wie der Rest der Zelle.
Bei der Farbgebung hat man dann die Wahl zwischen dem noch neuen Anstrich aus den Jahren um 1967. Hier waren die Farben noch recht satt und kräftig, oder so wie sie heute in Monino steht, verwittert, ausgebleicht, verrostet.
Es sind aber auch durchaus Zwischenfarbtöne möglich. Den Farbangaben kann man in der Bauanleitung nicht unbedingt folgen. Vor allem das Grau ist zu dunkel. Meine Farben habe ich mir dann selbst gemischt. Ich habe mich bei meinem Modell für die erste Variante entschieden, aus jener Zeit wo ich, lang ist es her, die ersten Bilder dieser Maschine gesehen habe. Damit schließt sich der Kreis.
Bernhard Pethe(Mai 2020)