Flugzeuge aus der Indianer-Serie von Piper gibt es nicht allzu oft als Kit. AERO-Modell (Hausmarke von TOM-Modellbau, Friedland/Germany, im Vertrieb auch über Aviationmegastore) hatte sich dieser Serie vor rund zwei Jahren in Resin-Ausführung angenommen. Grund: Der alte Airfix Kit hat erhebliche Mängel um eine konkrete Version darzustellen. Und: eine der beliebten und verbreiteten Varianten mit festem Fahrwerk konnte praktisch gar nicht gebaut werden. Inzwischen gibt es sogar sechs grundsätzlich verschiedene PA-28-Kits vom diesem neuen rührigen Hersteller aus Deutschland. Eine genauere Vorstellung der einzelnen Varianten muss jedoch noch separat erfolgen.
AERO MODELL hat sich erfreulicherweise in besonderem Maße den Sport- und Reisemaschinen der allgemeinen Luftfahrt verschrieben - eine Sparte, welche von den etablierten Herstellern nach wie vor ziemlich vernachlässigt wird. Auch von dem hier vorgestellten Bausatz sind in der Zwischenzeit schon mindestens zwei Kit-Ausführungen am Markt.
Seit vielen Jahren hat Airfix einen PA-28 Arrow II genannten Typ der Cherokee im Programm. Anmerkung: Modellnamen wurden bei Piper übrigens recht oft geändert und geben nicht immer auch Hinweise auf äußerliche Veränderungen! Bisher genügte dieser Kit wohl den Ansprüchen der Modellbauer. Heute stellen sich die Fragen nach Detail- und Originaltreue allerdings deutlich differenzierter. Und an dieser Stelle werden schnell die Schwächen des Airfix-Kit deutlich, der aber sehr klar in die Reihe R- also retrectable /Einziehfahrwerk eingeordnet werden kann. Bei den jetzt besprochenen AERO-Modell-Kits handelt es sich allerdings um die Ausführung mit festem Fahrwerk, von dem es zunächst grundsätzlich ebenfalls zwei gibt: Dynaflair - also mit verkleideten Radschuhen (serienmäßig), oder ohne diese. Außerdem geht es hier um die PA-28 mit kurzem Rumpf, kurzer Hershey-Bar-Tragfläche und kleinen Steuerflächen.
Und auch davon gibt es inzwischen bei AERO-Modell zwei Kit-Ausführungen, wie ganz oben gezeigt - übrigens bei gleicher Kit-Nummer!! Der erste Bausatz (nicht besonders fester Stülpkarton - innen andere Cover-Bedruckungen von TOM-Modellbau) enthält alle Teile zum Bau der Versionen Cherokee B, C und D und auch drei Decaloptionen - hier sind dessen Teile links im Bild.
Der aktuelle Kit (etwas größerer, deutlich festerer weißer Faltkarton), klar ausgewiesen als EARLY Modell, short fuselage und NEW Edition, enthält nur noch zwei Decaloptionen, weiße Klarsichtteile und hat völlig andere (hohle) Motorteile und neuerdings sogar eine Motorattrappe - hier rechts im Bild.
Beide Kartons enthalten darüber hinaus wahlweise ein unverkleidetes Fahrwerk oder die Dynaflair-Radschuhe.
Wir haben uns hier zum Bau der besonders attraktiven Cherokee B mit der schweizerischen Registrierung HB-OVT und dem starken 180 PS-Triebwerk - allerdings in der alten, kleineren Cowling (ja, so etwas hat es damals gegeben!) entschieden.
Bevor wir also den langen Kit- und Baubericht lesen, gönnen wir uns schon mal ein paar Sommerbilder vom fertigen Modell.
Dies war in der ersten Kitausführung nicht wirklich gut auseinanderzuhalten. Wohl einer der Gründe, warum AERO-Modell die 180 hp-Variante der N8325W mit großer Cowling nun als separaten Kit, im Bundle mit der TUI-Cherokee D, als neuen Bausatz mit der Nummer 73720 herausgegeben hat - aus heutiger Sicht wohl eine kluge Entscheidung, zumal die alte Cover-Grafik in dieser Hinsicht etwas irreführend war.
Der AERO-Modell Bausatz besteht aus wenigen, jedoch sauber gegossenen und verzugsfreien Resinteilen. Ein Novum ist hierbei das einteilige Kabinenteil aus klarem Resinmaterial, welche in einigen Kits auch grün eingefärbt erhältlich ist. Gegenüber den bisher bei Resinkits üblichen, tiefgezogenen Vaku-Kanzeln ist dieses Material wesentlich stabiler und leichter zu verarbeiten. Um jedoch ein gutes Resultat zu bekommen, muss folgendes beachtet werden: Das Klarsichtteil in der ersten Kit-Ausführung ist recht dick und auch nicht besonders durchsichtig. Hier empfiehlt sich ein radikales dünner schleifen (Dremel + Schleifpapier in immer kleiner werdender Körnung) mit darauffolgender Politur zunächst mit groben Schleifmitteln (z.B. Elsterglanz) und dann noch mittels Zahnpasta. Anschließend sollte das Ganze noch mit einem Kunstharzklarlack oder FUTURE (oder Ähnlich) Versiegelt werden - so hat man erstklassigen "Durchblick". Im neuren Kit ist das in dieser Vehemenz nicht mehr notwendig, da die Kanzel schon von Hause deutlich dünner ausgefallen ist.
An dieser Stelle ein Blick auf die "Produktionslinie".
Beim Zusammenbau der Rumpfhälften ist darauf zu achten, dass der Anguss an den Verbindungsstellen am Rumpf so weit entfernt wird, bis die Breite des Rumpfes dem Kabinenteil entspricht (vgl. Skizze in den Bauanleitungen). Um korrekten Sitz zu bekommen, sollte das Kabinenteil der ersten Kit-Version hinten um reichlich 1mm gekürzt werden - aber bitte laufend Anpassungen vornehmen! Durch den hiermit erreichten, leichten Versatz der Frontscheibe nach hinten ergibt sich gleichzeitig eine bessere Passgenauigkeit mit dem Armaturenbrett.
Diese Maßnahme erfordert im Anschluss eine geänderte Gravur der Einstiegstür am rechten Rumpfteil - ein Aufwand, der sich mit einer passenden Schablone (z.B. aus Dymoband) im Großen und Ganzen in Grenzen hält (siehe Fotos).
Der Kit der zweiten Generation ist hier deutlich passgenauer, zumal auch der Rumpf einen Tick kürzer geraten scheint und die Gravur der Türe sich gut an das separate Klarsicht-Kabinendach anschließt.
Bei der Verklebung (mittels Zwei-Komponenten-Harz wie z.B. UHU Schnellfest) oder eines Sekundenklebers oder -gels ist darauf zu achten, dass der Kleber äußerst sparsam verwendet wird. Im Bereich der Frontscheibe besteht die Tendenz, dass der Kleber nach innen läuft und so das Klarsichtteil beschädigen kann. Auch bei der späteren Lackierung ist darauf zu achten, dass keine Farbe nach innen auf das Armaturenbrett laufen kann. Am Besten man dichtet deshalb die Verklebung vorsichtig mit ein wenig Weißleim oder Spachtelmasse ab.
Ohnehin sollte - wie immer im Modellbau - der Innenraum der Kabine noch weiter detailliert werden. Steuerhörner, Einstiegshilfen, Antennen usw., liegen dem Kit zwar bei, aber an dieser Stelle ist die Eigenfertigung aus Draht oder anderen Materialien oft vorbildgetreuer. Sitzgurte gibt es nicht, doch diese sind schnell aus Packpapier und "Drahtösen" im Sinne des eben gesagten hergestellt. Auch können nach Gutdünken Ruder und/oder Klappen abgetrennt (Rasierklingensäge/Skalpell/Kratzen mittels Nadel…) und in "ausgefahrenen" Stellungen neu angebracht werden. Als Fixierung empfiehlt sich wieder jegliche Form von Draht, welcher - durch entsprechende Löcher eingebracht - wie ein "Scharnier", quasi "beweglich" diese zuvor abgetrennten Ruder wieder mit dem Modell verbindet.
Die Bauanleitung enthält übrigens eine Schablone für selbst herzustellenden Klebemasken der Fenster aus Isolierband oder Paketklebeband, sowie eine Anleitung dazu. Praktisch wird das bei den Modellen nicht benötigt, da in allen AERO MODELL-Kits von Anfang an fertig geplottete Abklebe-Masken beliegen. Übrigens Achtung - Alle AERO-Modell-Kits haben unterschiedliche Masken entsprechend der gewählten Vorbild-Ausführung. So sind z.B. bei den ersten Baureihen alle Fenster eckig - außer die Türfenster - diese sind als einzige immer abgerundet!
An dieser Stelle soll gleich mal die ausgezeichnete Bauanleitung beleuchtet werden. Sie sucht im Bereich der Resin-Kits ihresgleichen. Eine derartig aussagefähige und informative Bauanleitung gibt es bei derartigen Kleinserien-Kits normalerweise nicht. Üblicherweise sind diese eher lieblos gestaltet und sind oft kaum aussagekräftig. Nicht so bei AERO-Modell.
Die Instruktion zeigt ziemlich klar das Engagement der Macher: historischer Abriss in Englisch, Hinweise auf das Internet, Detailfotos von Originalflugzeugen, Faksimile historischer Prospekte des Originals, klare Grafiken, und nicht Zuletzt nie bisher gezeigte/veröffentlichte Risse des Originals - für die separat einem wohl beteiligten Kollegen namens Mika und auch von den anderen Mitbeteiligten gedankt wird - eine Bauanleitung der Extraklasse! Dazu noch die Tipps zur Herstellung von Abklebemasken, eine Produktübersicht von AERO-Modell - und alles in Farbe - was will man mehr auf 8 Seiten im Format A5 erwarten?
Zurück zum Bau des Models:
Bei der Masken-Anbringung ist unbedingt auf eine exakte Position derselben zu achten. Hierbei ist es empfehlenswert, sich die Decals für die Rumpfstreifen auf Papier zu kopieren und am Rohbau des Modellrumpfs zu fixieren. So kann man die Fensterpositionen besser ersichtlich machen und die Größe der Decals simulieren.
Der "Decaltest: Größe" empfiehlt sich ohnehin immer bei Kleinserienmodellen:
Das heißt: die Decals werden mit einem Kopierer/Farbkopierer kopiert, ausgeschnitten und die richtige Lage und Position erst einmal simuliert, bevor man "scharf" schießt und das einzig im Kit vorhandene Decal nicht "verschießt".
Aber aufpassen: Scanner und Kopierer machen nicht wirklich 1:1 Kopien! Unser hier liegt bei 99,87% - also vorher mit Stahlmaß kontrollieren.
Nach der Lackierung werden die Ränder der Fenstermasken mittels eines scharfen, kleinen Bastelmessers oder Skalpells angeritzt und danach abgezogen. Das hat an unserem Modell prima geklappt und das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen.
Die Cowling der Cherokee B liegt in den ersten Kits noch als ein Vollgussteil bei. Um ein Umkippen des Modells auf den Sporn (tailsitter) zu verhindern, muss das Teil zunächst ausgefräst werden, damit ein Bleiballast darin Platz findet. Auf dem Zubehörmarkt gibt es von Constanza die Cowling der PA-28 als Vollgussteil in Weißmetall, was einen Bleiballast überflüssig macht. Wirklich eine gute Idee, finden wir, und haben dieses Teil gleich in unser Modell verbaut. Im neueren Kit von AERO-Modell (rechts im Bild) sind diese Teile hohl und dreiteilig ausgeführt, so dass man Ballast auch selbst einbringen kann - ein großer Vorteil, vor allem in Sachen Zeit- und Arbeitsersparnis. Dazu gibt es jetzt im neuen Kit auch noch separate Auspuffrohre.
Die Decals für die Radschuhe werden knapp mit der Schere ausgeschnitten und mit viel Weichmacher angebracht. Den oberen Bereich dieser Verkleidungen haben wir rot lackiert und das Abziehbild um diese Position gekürzt.
Beim Rumpfstreifen der HB-OVT empfiehlt es sich, das Decal in mehrere Teile zu zerschneiden und anzupassen.
Die Abziehbilder / korrekt Wasserschiebebilder / neudeutsch Decals sind von hervorragender Qualität, decken prima glänzend und lassen sich sehr gut verarbeiten, so dass Set & Sol an sich nicht nötig ist. Der vordere Bereich an der Cowling muss dann noch mit ruhiger Hand und roter Farbe verziert werden. Anschließend einen Klarlacküberzug, oder FUTURE/Nachfolgeprodukt drauf - fertig!
Insgesamt: solider Modellbau, der uns aber großen Spaß und ein tolles Resultat bereitet hat, wie insbesondere die Winterbilder unserer fertigen Maschine zeigen.
Das tolle Ergebnis bewog uns noch weitere PA-28 "aus der Produktionsline zu nehmen" und gleich noch die "goldene" N7611W mit selbstgefertigten Decals und 180-hp-Triebwerk - nun allerdings mit der großen, moderneren, Cowling - zu bauen.
Diese N7611W (c/n 28-1571) war laut der "Piper-Bibel" von Peperell (erhältlich bei Air Britain, Seite 288) die erste Testmaschine der Cherokee C, Erstflug 1964. Fotos gibt es mit gleichem Werksschema von der 2. Testmaschine, der N7613W.
Toll wäre, wenn es mal ein Decalhersteller schaffen würde, eine solch komplizierte "goldene" Cherokee-Bemalung zu realisieren.
Auch dieses kleine Modell ist sehenswert gelungen und zu einem absoluten Blickfang in unserer Vitrine avanciert.
Martin Grupp (Modell+ Fotos 2014), Detlef Billig (Kits und Grafik 2016)