Ein schlankes Flugzeug mit stolz gehobener Nase. In der allgemeinen Tristesse des glossy dark sea blue sind weiße Kennzeichen und Fahrwerke sowie die roten Fahrwerksklappen eine erfreuliche Abwechslung.
Historie: Die McDonnell Aircraft Corporation in St. Louis besteht seit 1939 und produzierte während des zweiten Weltkrieges vor allem Baugruppen für Flugzeuge anderer Konstrukteure und fertigte in Lizenz die Fairchild AT-21. Einzige Ausnahme blieb die innovative XP-67 Moonbat, die das Interesse der Militärs anzog, auch wenn sie nicht erfolgreich war. Immerhin war etliches aus diesem Projekt brauchbar für die Konstruktion der FD-1, nach dem Wiedereintritt von Douglas später umbenannt in FH-1 Phantom. McDonnell wurde schließlich ausgewählt, den ersten Düsenjäger der Navy zu bauen. Nach dem ersten amerikanischen Jet Bell P-59 AiraComet, der am 1. Oktober 1942 das Düsenzeitalter in den USA mit seinem Erstflug begründete, hatte die Navy mit dem Dampfkesselhersteller Westinghouse Entwicklungsverträge für Düsentriebwerke abgeschlossen und McDonnell sollte das Flugzeug dazu bauen.
Die Seitenansicht zeigt die schlichte Bauart mit dem typisch großen Seitenruder der meisten US-Konstruktionen im Vergleich zu den Europäern.
Etwas mehr als zwei Jahre später im Januar 1945 war es dann soweit: der erste Navy Jet flog, sogar nur mit einem Triebwerk, das andere war noch nicht fertig... Im Juli 1946 fand auf dem Flugzeugträger USS Franklin D. Roosevelt die erste Landung und Start eines Jets vor großer Kulisse statt. Damit war die fest verwurzelte Meinung durchbrochen, dass das mit Gasturbinen allein nicht möglich ist. Die Phantom war dennoch im wesentlichen eine brave Entwicklung und die Basis für den Nachfolger FH-2 Banshee, war aber für die weitere grundsätzliche Entwicklung und strategische Einstellung der US Navy von grundlegender Wichtigkeit.
In der Draufsicht sind die eingeschlagenen Ruder zu erkennen, ebenso die mit Testors Metallizer lackierten Abgasrohre und die Endkonen.
Der Bausatz aus grauem relativ weichem Plastik ist nach meiner Kenntnis der einzige Bausatz in diesem Maßstab im Markt, und das wohl schon seit etlichen Jahren. Die schöne Oberfläche ist sehr fein graviert. Alle Bauteile sind relativ dick gespritzt, was vor allem bei den Fahrwerksklappen deutlich wird. Die Bauteile beschränken sich allerdings auf ein Minimum: Cockpiteinrichtung und Fahrwerk sind zu schlicht um gut zu sein, Fahrwerksschächte, separaten Ruder und Treibwerksein- oder Auslässe sind großzügig ganz weggelassen. Damit lässt sich sicher eine richtig gute Darstellung der Phantom bauen, es bleibt aber genügend Raum für Verbesserungen, in dem der ambitionierte Modellbauer seine Fähigkeiten entwickeln und beweisen kann.
Auf den Spiegel gestellt werden die scratch gebauten Fahrwerksschächte sichtbar, ebenso die Bremsen. Hinter dem Sitz ist eine Abdeckung mit einem darauf aufgebauten Kasten. Keine Ahnung was da genau drin war!
Unter die Backbordfläche gehört eigentlich die Kennung, aber das war das erste Decal-Desaster mit Dutzenden von Bruchteilen nach dem Wasserbad; einen passenden Ersatz habe ich nicht gefunden.
Das Cockpit ist - wie üblich - die erste größere Herausforderung: Scratch Anfertigung ist angesagt. Anleihen bei True Details Angebot empfehlen sich: Sitz und Knüppel werden daher bezogen. Armaturenbrett, Boden, Rückwand und Seitenpaneele werden aus Plastiksheet unter Verwendung von Details von Reheat Models Ätzteilen und Instrumenten hergestellt. Hilfreich dabei sind Aufnahmen im Internet des noch vorhandenen Flugzeugs und Darstellungen in "Naval Fighters No. Three".
Die Ruder sind mit Skalpell und Rasierklingensäge herausgetrennt und werden mit Sheet am Gelenk aufgefüttert. Das Ganze eingeschlagen eingepasst wirkt lebendiger als die starre Nullage. Nicht vergessen auch die Trimmruder auszutrennen!
Der Rumpf aus zwei Hälften wird zunächst vom Seitenruder befreit: das soll später eingeschlagen angebaut etwas mehr Leben in das dunkelblau triste Bild bringen. Der Bugfahrwerksschacht wird durch Seitenplatten und Innenversteifungen ergänzt. Das wichtigste ist aber die Bewaffnung: der Rumpf hat nur 2 Beulen für Kanonen, die 2 oben liegenden sind wohl vergessen worden, sie werden aus Sheet Rohren nachgebildet und die vorhandenen ausgebohrt. Die beiden Seitenhälften sind glücklicherweise in der Höhe nur ein paar Zehntelmillimeter ungleich: nachträgliches Spachtel und Schleifen ist unabwendbar, leider ist auch die schöne feine Gravur hinüber und muss nachgefertigt werden.
Die beiden mittleren Kanonen hat MPM vergessen: ein Stück Rohrprofil wird angepasst und mit Surfacer eingepasst.
Die Kanzel soll offen dargestellt werden: Die bei MPM typische tiefgezogene Haube wird auseinandergeschnitten oder besser gesägt - mir hilft eine Rasierklingensäge dabei am Besten. Und wer vermeiden möchte, dass bei der Bearbeitung der einzigen beigefügten Haube etwas schief geht, braucht sie nur abzugießen zur Anfertigung eventuell notwendiger Kopien, dann klappt alles beim ersten Mal...
Positionsleuchten einfach aussägen und in die weiß oder silber lackierte Öffnung einen entsprechenden Gußast aus klarem Plastik einkleben. Zuvor wurde die "Leuchte" ausgebohrt und mit einem Tropfen Farbe gefüllt. Wenn das getrocknet ist, wird mit immer feinerem Schleifpapier verschliffen, bis es durch Micromesh endbehandelt richtig glänzt.
Das Fahrwerk erinnert nur bei den Speichen der Räder ans Original, der Rest ist frei erfunden bzw. weggelassen. Da der Blick vom Turbineneinlauf her ungestört durch die Fläche nach hinten oder auch durch die Fahrwerksöffnung schweifen kann, ist Abhilfe nötig. Ein Fahrwerksschacht mit Rippen zur Versteifung wird aus Sheet gebaut und nach dem Einpassen abgegossen für die andere Seite; das spart ein paar Stunden, die gut für die Erstellung der Turbinenein- und -auslässe angelegt sind. Bremsanker und Bremskolben sind aus Sheet hergestellt: Schön, wenn man eine die nötigen Teile ausstanzen kann (Punch & Die)!
Rechts das Orginalteil, in der Mitte der abgetrennte Nadelträger einer Spritzkanüle, der genau in die Bohrung passt und den Endkonus mit Stützen gut wiedergibt.
Das Fahrwerk erhält aus Draht die korrekten doppelten Einzugsstreben. Die Klappen werden mit Profil aus Sheet und Beschlägen aus Ätzteilresten versehen. Die unklare Quellenlage ist dabei nicht wirklich hilfreich, man muss sich für eine Darstellung entscheiden: ich habe einfach zeitgenössische Daten bevorzugt und die restaurierten Museumsflugzeuge negiert - wahrscheinlich ist beides irgendwann korrekt.
Vom Bugfahrwerk des Bausatzes bleibt nur das ausgebohrte Rad und Halbgabel übrig, der Rest ist aus diversen Resten aufgebaut.
Bei den Tragflächen werden die nackten Höhlen der Abgaskonen durch den Nadelhalter einer Spritzkanüle ausgefüllt: das ergibt den Konus und die vier Stützen! Die schlichten Blenden (Teil 5L & R) im Einlass werden mit einer Bohrung versehen. Darin ist ein dünnwandiges Rohr - bei mir von einer Antenne eines Uralthandys - eingeklebt und darin mit der Spitze nach vorn eine Spaxschraube. Das Gewinde ist oft in kleinen Stufen gewalzt, gefiel mir gut und war Ruck-Zuck erledigt. Zuletzt werden die Positionslichter ausgeschnitten
Die fertigen Flächen werden am angeklebt, was durch fehlende Zentrierstifte "erleichtert" wird: man kann sich die Stelle aussuchen. an der man Nachspachteln und Schleifen will...
An den Flächen habe ich die Ruder belassen, die Höhenruder jedoch abgetrennt: Bei allen Bildern hängen die Ruder deutlich, die Querruder jedoch sind in Nulllage.
Eine Probemontage des neu aufgebauten Hauptfahrwerks in einer Knetmasse (Bostik Blue Tack). In Weiß die zusätzlichen Teile an der inneren Klappe noch ohne Einzughebel. Rechts das Originalteil des Bausatzes mit nur einer Einzugstrebe.
Die Lackierung im Cockpit basiert auf Innengrün und für das Armaturenbrett aufgehelltes Schwarz, das Ganze mit schwarzer Farbbrühe "gewaschen" und mit stark aufgehellten Grundfarben trocken gebürstet - das gibt Tiefe und hebt die Details hervor, gerade im Maßstab 1:72 wirklich zu empfehlen!
Einblick ins Cockpit auf die Backbordseite mit den Gashebeln und Trimmung. Die matte Trittfläche ist nicht auflackiert, sondern ein selbst angefertigtes Decal.
Das Flugzeug ist kompromisslos einfarbig in glossy dark sea blue lackiert bis auf die Fahrwerksschächte (glänzend weiß) und die Innenseiten ihrer Klappen (feuerrot). Klingt einfach, ist es aber nicht: Hochglanz dunkel zieht Schmutz magisch an und sieht - wenn es ausnahmsweise einmal ohne Einschlüsse geklappt haben sollte - aus wie ein "schönes Modell". Der an beanspruchten Stellen speckige Glanze, ganz leichte Darstellung der Stöße und eine dem Einsatz angemessene Verschmutzung (besser abgeblätterter Lack) lassen sich durch den Einsatz von feinstem Schleifleinen und kleinen Silbertupfern erzeugen. Ich sage jetzt aber nicht, wie oft ich die Lackierung nachlackiert habe...
Sitz und Steuerbordseite des Cockpits, an der sich diverse Schaltkästen befinden. Bei der Vergrößerung werden die Grenzen der tief gezogenen Haube deutlich, obwohl nachpoliert und mit Future nachbehandelt. Tja. Der Aufkleber "No Step" ist aus dem Fundus, leider nicht von MPM.
Die Endausrüstung mit Antennen und Fanghaken erfolgt, nachdem die mit Scheren aus Ätzteilresten vervollständigten Fahrwerke und deren Klappen sowie die Aufkleber angebracht sind. Apropos Aufkleber: superdünn, richtig gut. Leider waren meine wohl überlagert, denn sie zerfielen im Wasser in kleinste Teile. Nach dem zweiten Versuch mit gleichem Ergebnis habe ich den Bogen mit Micro Liquid Decal Film lackiert, dann ging es ganz gut, unterstützt von heftigem Weichmacher-Einsatz. Die Trittflächen auf den Tragflächen fehlen allerdings; ich habe sie aus matt lackiertem Blanko-Aufkleber nachgefertigt. Normalerweise muss jetzt alles noch mit Klarlack gesichert werden: habe ich mich nicht getraut, denn wie kriegt man dann den speckigen Glanz hin?
Ein historisch wichtiges Modell, eine im Grunde gute Basis, nur eben nicht mehr ganz am Ausrüstungsanspruch von heute angekommen: in jedem Fall eine lohnende Herausforderung für jeden Modellbauer.
Quellen
Christian Breuning (IP 84), Much-Kranüchel