Das es im Plastikmodellbau immer noch eine Überraschung gibt, beweist die Gründung der Neuseeländischen Firma Wingnut-Wings im Jahre 2009.
Das Team hinter der Marke hat sich vor allem auf historische Flugzeugmodelle im 32er Maßstab aus der Epoche des 1.Weltkrieges spezialisiert. Die Produktpalette beschränkt sich dabei nicht nur auf die hinlänglich bekannten Muster dieser Zeit, sondern bietet dem Bastler auch Exoten wie das Schlachtflugzeug Junkers J-1, welches wir nun in diesem Artikel vorstellen wollen.
Gegen Ende 1916 erließ die Idflieg, ( die deutsche Inspektion der Luftwaffen-Truppe) die J-Typ Vorgaben für ein bewaffnetes Flugzeug zur Unterstützung von Bodentruppen. Junkers entwickelte daraufhin eines der innovativsten Flugzeuge des ersten Weltkrieges, die Junkers J-1. Junkers war ein Pionier in der Konstruktion von Metallflugzeugen. So wurde schon 1915 ein Jagdeindecker, ebenfalls J-1 bezeichnet fertiggestellt und der Truppe übergeben. Die letzte Entwicklung, also das besagte Schlachtflugzeug, bekam ursprünglich die Bezeichnung Junkers J-4 und wurde irrtümlich von der Idflieg ebenfalls als J-1 in Dienst gestellt.
Die J-1/J-4 war aus Dural-Aluminium im Wellblechverfahren gefertigt und der vordere Rumpf bekam eine 5mm Stahlpanzerung zum Schutz der Besatzung und des Motors gegen Bodenbeschuss. Frühere Muster, wie auch unser Modell darstellt, hatten noch einen stoffbespannten Hinterrumpf. Trotz ihres schwerfälligen Aussehens und ihrer Größe war die Maschine wohl gut zu fliegen. Allerdings wurde eine lange Start- und Landebahn benötigt um sie in die Luft und wieder herunter zu bekommen. Die markante Wellblechstruktur der Junkersflugzeuge wurde bis spät in die 30er Jahre das Markenzeichen dieses genialen Konstrukteurs.
Nach Betrachtung des attraktiven Kartons nebst deren Inhalt, wird klar, dass dieser Newcomer wohl in der oberen Liga des Plastikmodellbaus mitspielt. Lässt die Detailfülle des Bausatzes schon auf viel Bastelspaß hoffen, stellt sich die Frage wie ist bei einem Junkers Modell die Wellblechstruktur wiedergegeben? Antwort bei diesem Modell: Ausgezeichnet. Auch die für die damalige Zeit kräftigen Nieten sind optimal ausgearbeitet und auch der hintere Rumpfabschnitt vermittelt eine realistische Darstellung von Stoffverspannung über den Aluminiumrahmen.
Ein Novum ist auch die farbige Bauanleitung, welche eine umfangreiche Historie in Form von vielen Schwarz-Weiß Fotos von zeitgenössischen Vorbildern, nebst farbigen Restaurationsbildern aus einem neuseeländischen Museum und dem Berliner Museum für Verkehr und Technik beinhaltet. Eine kleine Ätzteileplatine zur Detaillierung des Cockpits und ein riesiger Decalbogen zur Gestaltung von einer Maschine aus vier Bausatzvarianten, für die auch unterschiedliche Austauschteile vorhanden sind, vervollständigen den Bausatzinhalt.
Begonnen wird der Zusammenbau mit dem Cockpit. Dieses ist, dem Original entsprechend, spartanisch eingerichtet und wird von dem großen Sitz des Piloten dominiert, welcher auch als Treibstofftank verwendet wurde.Also, ein wahrer Feuerstuhl. Wichtig für die weitere Passung des Rumpfes ist das präzise Einkleben der Spannten und eines wird schnell klar: Die Zeichnungen in der Anleitung sollten immer wieder überprüft werden, so das kleine Teile wie z.B. die Ruderpedale nicht übersehen werden. Am Sitz bitte erst die Beckengurte und danach die Armlehnen ankleben. Zur Farbgestaltung ist der Bauanleitung ebenfalls in jedem Schritt zu folgen.
Beim Aufbau des Rumpfes fiel nur bei der oberen Verkleidung etwas Nacharbeit an. Die anfallenden Spalten wurden vorsichtig mit Sekundenkleber Gel verfugt. So bleibt die Nahtstruktur erhalten, weil Unebenheiten mit einem Zahnstocher geglättet werden können. Das Leitwerk mit den Steuerhörnern ist zügig zusammengebaut und montiert. Dabei darauf achten, das die winzigen Kerben des Höhenruders nach oben zeigen.Daran werden die Verkleidungen der Ruderscharniere (Metallplatine) geklebt. Wichtig ist sparsam und bedacht mit dem Kleber umgehen, denn die Wellblechstruktur verzeiht keine Fingerabdrücke von Kleberesten und ähnlichem. Da hilft kein Nachschleifen mehr. Zerstört ist Zerstört.
Dieser Hinweis bezieht sich auch auf dem Bereich der Tragflächen. Diese sind dankenswerterweise innen mit einer Holmstruktur versehen, welche Verzug unmöglich machen. Gerade bei dem riesigen oberen Baldachinflügel eine unverzichtbare Hilfe zum präzisen Verkleben. Zum Einsetzen der Verstrebungen hat Wingnut große Paßstifte und die entsprechenden Löcher vorgesehen. Das gibt die nötige Festigkeit und Stabilität um Flächen und Rumpf miteinander zu verbinden. Allerdings war es erforderlich, nach Probepassungen, von dem Keil der unteren Fläche Material zu entfernen, damit diese in die bootsförmige Aushöhlung des Rumpfes passt.
Der Daimler Benz Bz IV Motor ist als Modell einfach aber gut gestaltet. Zu kritisieren wären die nur angeprägten Stößelstangen an den Zylindern. Der markante Kaminauspuff wurde oben mit einem spitzen Skalpell aufgeschabt. Drei Löcher anbohren und an den Rändern entlang aushöhlen. Das macht sich anhand des nicht zu spröden Materials recht gut. Alle Streben, auch die des Fahrwerkes wurden mit Sekundenkleber Gel befestigt. Das gibt den Großen Teilen die nötige Festigkeit und Stabilität, denn das Modell ist aufgrund seiner Fertigung ein Schwergewicht. Nun noch den Drehkranz mit dem Varianten spezifischen MG zusammengebaut und fertig ist unsere Junkers mit ihrer außergewöhnlichen Silhouette.
Die Bauanleitung geht sehr präzise auf die zeitgenössische Farbgebung der Flugzeuge ein. So dürfte die Vorgabe Graugrün über alles mit Hellblauen Unterseiten und einer Fleckentarnung in Flieder/Violett durchaus historisch korrekt sein. Die Decals reagieren gleich gut auf herkömmliche Weichmacher wie Set und Sol bzw. Marker Softer von Gunze. Allerdings sind die großen Kreuze auf den Tragflächen schwer der Wellblechstuktur anzupassen. Hier muß gegebenenfalls mit etwas Trickserei, z.B. einritzen mit einem Skalpell nachgeholfen werden. Anschließend ist ein Mattlacküberzug notwendig weil die Kennungen glänzend ausgeführt sind.
Fazit: Die vielen Lorbeeren, welche Wingnut Wings schon begleitet, sind unserer Meinung durchaus gerechtfertigt. Zumindest die Junkers ist trotz komplexen Aufbaus und einer im Großen Ganzen ausgezeichneten Detaillierung auch noch zügig und ohne große Probleme zusammenzubasteln. Gerade Modellerbauer, die vor den Fliegenden Kisten aus dieser Epoche wegen der vielen Verstrebungen und Spanndrähte zurückschrecken, haben mit diesem Vogel die Möglichkeit, ein ungewöhnliches Modell auf das Fahrwerk zu stellen.
Zu Beziehen sind diese Modelle bisher nur über das Internet, unter wingnutwings.com. Der Versand ist nach vielen Erfahrungen problemlos. Ein Besuch auf diese Seite lohnt sich. Von den Modellen, welche bisher erschienen sind, lassen sich auch viele Detailangaben anklicken, so das auch gleich ein Eindruck von dem betreffenden Bausatz zu bekommen ist.
Hans-Jürgen Bauer Berlin (September 2010)