Sowjetisches Motortorpedoboot Tupolew G-5

merit 63503 - 1/35

Vorbild: Denkt man über Torpedoschnellboote des Zweiten Weltkrieges nach, fallen einem sicher die deutschen S-Boote, die amerikanischen PT-Boote und bestimmt auch noch die britischen Vospers und italienischen M.A.S.-Boote ein, aber sonst noch? Was ist mit den Sowjets? Auch sie verfügten über Torpedoschnellboote und zwar auch aus eigener Produktion.

Anfang der 30er Jahre entwickelte und baute das Zentral Institut für Aero- und Hydrodynamic den Prototypen, der auf einem Entwurf von Andrei Tupolev basierte. Der berühmte Flugzeugkonstrukteur liess sich hierbei von den britischen Küstentorpedobooten (CMB) des 1. Weltkriegs beeinflussen, die, je nach Größe, 1 - 2 Torpedos mitführen konnten. Das neue sowjetische Torpedoboot sollte größere Torpedos als ihre Vorgänger zum Einsatz bringen können und von Motoren aus eigener Fertigung angetrieben werden. Da der angedachte Motor, der von einem Flugzeugmotor abgeleitet wurde, noch nicht zur Verfügung stand, wurde der Prototyp von extra dafür importierten Isotta-Fraschini Motoren angetrieben. Mit reduzierter Kraftstoffmenge erreichte der Prototyp bei ersten Versuchsfahrten auf dem Schwarzen Meer 63,5 Knoten, worauf die Serienfertigung angeordnet wurde.

Das aus Aluminium gebaute G-5 erinnert mit seinem gewölbten Rumpfrücken stark an den Schwimmer eines Wasserflugzeuges, auf den man noch den Turm eines U-Boots gesetzt hat. Der einstufige Unterwasserrumpf verstärkt diesen Eindruck noch weiter. Was konstruierte Tupolev üblicherweise noch gleich? Der Rumpf ist durch drei Schotts in vier Räume unterteilt: Bugraum, Maschinenraum, Fahrstand und Heckraum,in dem sich aber aufgrund seiner geringen Höhe niemand aufhalten konnte. Aber auch in keinem der anderen Räume konnte man, mit Ausnahme des unmittelbaren Fahrstandes, aufrecht stehen! Die Torpedos liegen, Bug voraus, in zwei Ablaufmulden im Heck. Diese Anordnung wurde eins zu eins von den britischen Vorbildern übernommen. Ausgestossen wurden die Torpedos mittels Kolben, die durch die Explosion einer Sprengkapsel losschnellten. Der Torpedoantrieb wurde aber erst durch einen Abreissdraht verzögert gestartet, damit dem Boot noch genügend Zeit blieb, sich aus der Laufbahn des Torpedos zu manövrieren.

Diese Technik erforderte eine gut ausgebildete Besatzung und, beim Einsatz gleich mehrerer Boote auf ein einzelnes Ziel, auch eine ausgeklügelte "Choreographie" aller Boote, denn wenn alle in gleicher Weise von ihren abgefeuerten Torpedos abdrehten, wäre die Gefahr groß gewesen, in die Laufbahnen der anderen Torpedos zu laufen oder gar andere Boote zu rammen.

Gebaut wurden über 320 Stück in 5 verschiedenen Untertypen mit unterschiedlichsten Bewaffnungen und modifizierten Antrieben. Sogar ein "Stalin-Orgel"-ähnlicher Raketenwerfer wurde auf einigen Booten montiert, die dann aber keine Torpedomulden mehr aufwiesen.

Der Schlüssel zur überragenden Geschwindigkeit der G-5 Boote war natürlich die Leichtbauweise aus Aluminium. Der Preis dafür war ein hoher Wartungsaufwand, denn Aluminium hat, wenn es mit anderen Metallen verbaut wird, eine sehr hohe Affinität für galvanische Korrosion, besonders wenn es mit Salzwasser in Berührung kommt. Die Boote konnten daher nur cirka eine Woche im Wasser verbleiben, im Winter etwas länger, bevor sie an Land gezogen werden mussten, um den Rumpf bearbeiten zu können.

Zu den Nutzern zählte nicht allein die Sowjetmarine. Vier Boote wurden während des Spanischen Bürgerkriegs an die republikanisch-spanische Marine geliefert, von denen noch mindestens zwei Einheiten bis 1946 in der Marineliste Franco-Spaniens geführt wurden. Drei Boote wurden fahruntüchtig von den Finnen erbeutet. Zwei davon wurden wieder einsatzklar gemacht und unter den Namen "Vinha" und "Vihuri" in Dienst gestellt. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde eine unbekannte Anzahl von G-5 Booten an die Volksmarine von Nordkorea geliefert, von denen eines noch heute in einem Museum zu bewundern ist, sofern man denn nach Nordkorea reisen möchte.

Die Einsatzgeschichte der G-5er weist nur wenige Einsätze als Torpedoboot auf. Zumeist wurden sie als Eskorte eingesetzt oder um Kommandoeinheiten abzusetzen. Es sind zwar ein paar wenige Versenkungserfolge, sowohl seitens der Sowjets, als auch seitens der Finnen, dokumentiert, aber diese sind eher unbedeutend.

technische Daten (Typ Serie 10):
Länge:18,85 - 19,1m
Breite:3,50 m
Tiefgang:0,82 m
Antrieb:2x Mikulin GAM-34BS Benzinmotoren mit je 630 kW Leistung
Geschwindigkeit:53 - 56 Knoten
Bewaffnung:2 x 53,3 cm Torpedos, 2 x 12,7 mm DShK MG
Besatzung:6-7 Mann

Der Bausatz: Merit brachte mit dem G-5, nach dem X-Craft, nun den zweiten maritimen Bausatz in 1:35 auf den Markt. Nicht unerfreulich, denn bei Italeri scheint diesbezüglich ja die Luft raus zu sein. Allerdings war vor Jahren eine andere Firma mit einer Vorankündigung einer Serie von G-5 Modellen auf ihrer Internetseite vorgeprescht und zwar Master Box aus der Ukraine. Ein paar Jahre lang konnte man sich Computergrafiken der Modelle anschauen und man kann sie auch noch heute finden, denn das Netz vergisst ja nichts, aber bei Master Box selber sind sie nicht mehr zu finden. Schade, denn diese Modelle sollten nicht nur unterschiedlichen Waffensyteme beinhalten, sondern auch eine komplette Innenausstattung.

Nach dem Öffnen der Schachtel findet man eine relativ überschaubare Teilzahl vor und nach dem Durchblättern der Bauanleitung wird einem auch klar, warum das so ist, doch dazu später mehr.

Der Rumpf besteht im wesentlichen aus zwei Teilen. Einem Rumpfboden und einer Oberschale. Außer, dass man ein paar Löcher bohren muss und eine kleine Querstrebe im hinteren Teil des Fahrstandes einzubauen ist, war es das dann auch schon. Es gibt noch eine Abdeckplatte für den Motorraum und eine Anzahl Anbauteile, wie Lüfter- und Ablufthutzen, Klampen, Poller, Handläufe, Bootshaken und so weiter. Auf dem Rumpfbug kann optional eines der beiden DShK MG eingebaut werden. dafür ist eine entsprechend große Öffnung vorhanden. Wenn man das MG nicht einbauen möchte, soll man stattdessen eine ebenso große "Panoramascheibe" einsetzen. Sowas hat es natürlich nicht gegeben. Merit hätte ein Bauteil anbieten müssen, mit dem man die Öffnung so hätte verschliessen können, dass die Rumpfwölbung durchgehend nachvollzogen worden wäre.

Natürlich gibt es auch noch die Propellerwellen, Propeller und Ruderanlage, aber im Grunde ist der Rumpf schnell komplettiert , wenn man denn mit dem Angebotenen zufrieden ist. Meiner Ansicht nach kann man damit aber nicht zufrieden sein. Für die Oberlichter der Motorraumabdeckung liegen dem Bausatz Klarsichtteile bei. Soweit so gut, aber was ist mit den anderen fünf Oberlichtern und den beiden Fenstern seitlich unterhalb des Fahrstands? Aus unerfindlichen Gründen sind die fünf etwas kleineren Oberlichter Teil der Rumpfschale und die beiden Seitenfenster sind auch nicht aus Klarsichtkunststoff gespritzt! Was soll sowas? Nun, dies ist zwar ärgerlich, aber kein Beinbruch. Die geschlossenen Oberlichter kann man ausbohren und passende Messingbauteile aus dem Schiffsmodellbauhandel einsetzen. Für die Seitenfenster ist die Lösung etwas aufwendiger. Die optimale Lösung scheint mir zu sein, eines der Fensterbauteile zu polieren, mit Silikonkautschuk abzuformen und dann mit Klarsichtresin abzugiessen. Ein anderer Weg könnte sein, die Fensterscheiben auszutrennen und Klarsichtscheiben einzupassen.

Der Fahrstand der G-5er erinnert an den Turm eines U-Boots und ist generell als einteiliges Bauteil ausgeführt. Klarsichtteile für die Fenster und diverse Anbauteile, wie die einfache Visiereinrichtung, Handläufe, Positionslichter und ein 12,7 mm DShK MG mit seinem Drehkranz und der Signalmast vervollständigen die Baugruppe. Vervollständigen? Leider ist der Fahrstand vollkommen hohl! Keinerlei Innenausstattung ist vorhanden. Keine Schotts zu der vorderen und der achteren Sektion, kein Boden und auch keinerlei Instrumente oder Steuerrad. Nichts! Dies gilt übrigens auch für den Motorraum, der ja unter der separat einzubauenden Abdeckplatte liegen müsste, aber auch da "Fehlanzeige".



Die Torpedos werden aus Plastik- und Ätzteilen zusammengesetzt. Sie weisen ein Anzahl von gravierten Wartungsdeckeln auf. Die, sogar auf der Abbildung des entsprechenden Bauabschnitts dargestellten, Gravurlinien zwischen Gefechtskopf, Hauptkörper und Schwanzstück gibt es allerdings nicht. Ebenso wenig gibt es die dazugehörigen Schraubenkanäle. Der Torpedokopf hat eine Form, die eher an ein Medikament erinnert, das man sich rektal einführen muss. MIt demVorbild hat das nichts zu tun. Vermutlich hat man sich hier deshalb keine besondere Mühe gegeben, da die Torpedoköpfe unterhalb des achteren Rumpfdaches verschwinden und man auch auf eine Darstellung der Ausstossvorrichtung komplett verzichtet hat. Woran sollte man diese auch befestigen? Es gibt ja keinerlei Schotts.

Fazit: Merit International ist es zu verdanken, dass es aktuell überhaupt ein Modell des schnellsten Torpedoschnellboots des Zweiten Weltkriegs in 1:35 gibt. Die Umsetzung ist nicht schlecht, aber auch bei weitem nicht gut. Das Fehlen jeglicher Innenausstattung, besonders im Fahrstand, ist meiner Ansicht nach das größte Manko, besonders angesichts des Preises, der in aller Regel deutlich über 75,- Euro liegt. Ohne ein erhebliches Maß an Eigenleistung wird es also nicht gehen. Wenn man sich dem stellt, erhält man allerdings ein attraktives Modell eines ungewöhnlichen Wasserfahrzeugs. Eingeschränkt empfehlenswert

Olaf Krabbenhöft, Hamburg (März 2016)