Vorbild: Nachdem 1894/95 Japan über China gesiegt hatte, begann Russland im noch jungen Reich der aufgehenden Sonne einen ernsten Gegner zu sehen obwohl es am grünen Tisch der Großmächte von Japans Erfolg profitieren konnte. Hierzu wurde auch der verstärkte Aufbau der Pazifik-Flotte in Angriff genommen der mit Port Arthur ab 1898 ein neuer Hafen zur Verfügung stand. Wie Japan auch, beauftragte Russland mehrere ausländische Werften mit dem Bau der neuen Schiffe um erstens ein hohes Bautempo zu erreichen und zweitens um sich aus den besten Entwürfen die Muster für weitere, ggf. auf eigenen Werften produzierte, Schiffe herauspicken zu können.
Der Auftrag für das neue Linienschiff "Zessarewitsch" ging an die französische Werft Sociètè Nouvelle de Forges et Chantiers de la Mèditerranèe La Seyne-sur-Mer wo am 01.05.1899 die Kiellegung erfolgte. Der Stapellauf folgte am 10.02.1901 und die Indienststellung am 21.03.1903. Die "Zessarewitsch", welche ein Einzelschiff war, führte ihre Erprobungen im Mittelmeer durch und ging von da aus am 25.09.1903 über Suez und Singapur direkt nach Port Arthur im Fernen Osten wo es am 30.11.1903 eintraf.
Mit fast 118,5m Länge und 23,2m Breite sowie ca. 12.915ts Verdrängung handelte es sich in etwa um ein typisches "Einheitslinienschiff" wie es viele Nationen um das Jahr 1900 herum bauten bzw. bereits im Dienst hatten. Mit moderner Krupp-Panzerung von 50 bis zu 305mm Stahl war es gut geschützt obwohl man die Toplastigkeit des ganzen Entwurfs bemängelte und mit 4x305mm-, 12x152mm-, 16x75mm- und 4x 57mm-Geschützen sowie 6 Torpedorohren war die Bewaffnung recht stark. Eine Besonderheit hierbei bildeten wohl einige Beiboote mit Dampfantrieb welche einen (mir unbekannten) Teil dieser Torpedorohre trugen um notfalls abgesetzt zu operieren. Allerdings erreichten die Maschinen der "Zessarewitsch" nur ca. 16.000 PS und verliehen dem Schiff lediglich 18,5kn sowie 2.590sm Reichweite bei 10kn. 803 Männer bildeten 1903 die Besatzung.
Bereits wenige Wochen nach dem Erreichen der neuen Heimat-Basis erfolgte in der Nacht vom 08./09.02.1904 der Angriff japanischer Torpedoboote auf die russische Flotte in Port Arthur. Auch das neue Schiff erhielt hierbei einen Treffer und wurde letztendlich auf Grund gesetzt um Schlimmeres zu verhindern. Während das Schiff noch repariert wurde, liefen die ersten Land- und Seegefechte des Russisch-Japanischen Krieges sehr ungünstig für Russland - so verlor es bei diversen Operationen vor Port Arthur u.a. das Flaggschiff "Petropawlowsk" und den Flottenbefehlshaber Makarow. Als Nachfolger wurden die "Zessarewitsch" und Admiral Withöft ausgesucht. Letzterer bevorzugte jedoch eine passive Taktik und musste regelrecht vom Vizekönig Port Arthurs zum Ausbruch gedrängt werden. Am 10.08.1904 verließen schließlich 6 Linienschiffe, 4 Kreuzer und 14 Torpedoboote den sicheren Hafen und stießen auf Teile der japanischen Flotte unter Admiral Togo mit 4 Linienschiffen, 2 Panzerkreuzern, 8 Kreuzern sowie insg. 48 Zerstörern bzw. Torpedobooten. Gegen 13:00 Uhr begann die Schlacht im Gelben Meer und trotz des schlechten Zustandes seiner Schiffe gelang Withöft der Durchbruch durch die aufgefächerten japanischen Linien. Togo sammelte seine Einheiten und setzte erfolgreich nach so dass die Schlacht ab 16:20 Uhr erneut aufflammte wobei die russischen Einheiten ihre überlegenen Gegner aber durch gutes und treffsicheres Feuer auf Distanz halten konnten. Gegen 18:00 Uhr fiel Withöft jedoch auf der Brücke der "Zessarewitsch" durch einen verirrten Granatsplitter und wenige Minuten später fast die gesamte Brückenbesatzung durch einen Direkttreffer. Das Schiff lief dadurch aus dem Ruder und begann im Kreis zu fahren... ab diesem Moment ging die bis dahin gute Ordnung innerhalb der russischen Flotte verloren. Zu ihrem Glück brach Togo das Gefecht in Unkenntnis der Lage wegen der einbrechenden Dunkelheit und Munitionsmangel ab doch seine Gegner sammelten sich nicht um nach Wladiwostok durchzubrechen - 5 russische Linienschiffe liefen mit dem großen Teil ihres Geleitschutzes wieder nach Port Arthur zurück während die beschädigte "Zessarewitsch" mit 3 Torpedobooten ins deutsch-besetzte Tsingtau lief und dort interniert wurde. Immerhin überstand das Schiff somit den Krieg und ging nicht beim Fall von Port Arthur bzw. während der Seeschlacht von Tsushima verloren wie der Großteil der russischen Flotte in Fernost bzw. deren Verstärkungen. 1906 kehrte das noch immer beschädigte Schiff in die Heimat zurück und wurde nach den notwendigen Ausbesserungen dort bei der Baltischen Flotte eingesetzt.
Eine willkommene Abwechslung des eintönigen Flottenalltags in Kronstadt bildete 1908 eine Fahrt ins Mittelmeer - hier konnten sich die Besatzungen der russischen Schiffe "Zessarewitsch", "Slawa" und "Admiral Makarow" bei den ersten Rettungsarbeiten nach dem Erdbeben von Messina am 28.12.1908 bewähren.
Da der Bau neuer und modernerer Einheiten nach dem verlorenen Krieg gegen Japan Priorität besaß, wurde die "Zessarewitsch" in den Jahren bis zum ersten Weltkrieg kaum modernisiert... und war im August 1914 auch dementsprechend veraltet. Zu Einsätzen kam das Schiff daher kaum da sowohl die russische als auch die deutsche Flotte einen offenen Schlagabtausch in der Ostsee vermieden.
In Folge der Abdankung des russischen Zaren im Frühjahr 1917 wurde das Schiff am 13.04.1917 auf den Namen "Graschdanin" umgetauft und nahm als solches auch an den Kämpfen im Oktober 1917 um die baltischen Inseln teil. Hier setzte die deutsche Hochseeflotte erstmals einen größeren Teil ihrer modernen Schiffe auch in der Ostsee ein denen die Baltische Flotte nicht wirklich viel entgegenzusetzen hatte denn die vielen alten sowie wenigen modernen Schiffe waren in einem schlechten Zustand und die Moral unter den Besatzungen infolge der Kriegslage gering. Dennoch gelangte die "Graschdanin" am 14.10.1917 ins Gefecht mit einigen deutschen Torpedobooten welche aber auswichen und beschoss am 15.10.1917 deutsche Küstenbatterien vor dem Hafen von Mento.
Am Morgen des 17.10.1917 sollten die wenigen noch verfügbaren russischen Einheiten - genauer die Linienschiffe "Slawa" und "Graschdanin" sowie der Panzerkreuzer "Bajan" und einige Zerstörer - deutsche Minensucher im Moon-Sund vertreiben, stießen aber auf die Großlinienschiffe "König" und "Kronprinz" und deren Begleiter. Im ungleichen Kampf konnten sich die russischen Schiffe auf die Distanz ab 08:00 Uhr noch gut halten da sie den Reichweitenvorteil hatten aber als die viel moderneren Gegner näher kamen und sich eingeschossen hatten, erhielten die russischen Schiffe mehrere Treffer. Nach kurzem Kampf war die "Slawa" ein Wrack und auch die "Graschdanin" hatte von der S.M.S. "Kronprinz" je einen 305mm-Treffer am Heck und im Gürtelpanzer erhalten. Ab 10:30 Uhr zogen sich die verbleibenden russischen Schiffe schließlich zurück und überließen die "Slawa" ihrem Schicksal.
Die "Graschdanin" erreichte nach dem Gefecht zwar ohne weitere Schwierigkeiten Kronstadt aber die kurz darauf folgende Oktoberrevolution verhinderte eine Reparatur bzw. jede weitere Verwendung des Schiffes. Der ab Ende 1917 ständige Mangel an Werftpersonal, Geld und Material für Ersatzteile sowie einer vollständigen Besatzung ließ nur noch im Mai 1918 die schnelle Abrüstung zur Hulk zu. In den folgender Bürgerkriegswirren hatte das Schiff keinerlei nützliche Verwendung mehr und nach dem vollständigen Sieg der Bolschewiki 1924 hatten diese andere Pläne für den Aufbau einer neuen Baltischen Flotte.
So wurde das alte Schiff 1924 nach Deutschland verkauft und dort verschrottet obwohl es noch bis zum November 1925 in der sowjetischen Flottenliste geführt wurde.
Bausatz: Es ist echt toll, dass sich TRUMPETER aus China, ein russisches Schlachtschiff aus der Zeit bis 1918 im Maßstab 1/350 herausgebracht hat. Zuvor gab es in 1/400 die Aurora als Kreuzer und die Potemkin von Heller bzw. Nachnutzer der Form. Da das Original auch 1905 gegen Japan kämpfte, bietet TRUMPETER inzwischen auch die 1904er Version der Zessarewitsch an.
In dem stabilen attraktiven Stülpkarton befinden sich gut verpackt elf hellgraue Spritzgussrahmen bzw. Großbauteile mit 396 Einzelteilen, fünf Ätzteilbögen, eine Metallkette, ein Decalbogen, die mehrfarbige Bemalungsanleitung und die Bauanleitung. Alles ist in der bekannten Qualität von TRUMPETER ausgeführt. Die typische nach Innen gezogene Rumpfform ist gut getroffen. Zur Stabilisierung der Rumpfhälften nach dem Zusammenbau gibt es zwei sehr massig wirkende Spanten. Vor dem Aufkleben der Decks werden einige Teile noch von Innen am Rumpf befestigt.
Die vier Seilwinden entstehen zum Teil aus Fotoätzteilen. Ebenfalls Metall wird bei den Schutzschilden der Maxim-MGs benutzt. Aus wenigen Teilen entstehen die 305mm-Haupttürme. Die Rohre der Bewaffnung haben eine hohle Mündung.
Da TRUMPETER mit sehr vielen Fotoätzteilen arbeitet (Es sollen 227(!) Ätzteile sein!), lässt man auch keine sinnvolle Gelegenheit zur Verwendung aus. So werden natürlich die beiden Schornsteine mit geätzten Leitern aus Metall versehen. Das die Reling aus Metall ist, dürfte somit klar sein. Zwei unterschiedliche Kuttertypen hat TRUMPETER nachgebildet. Sehr interessant sind auch die beiden vorhandenen Gangways, die natürlich aus Metall gebogen und geklebt werden.
Leider ist die mehrfarbige Bemalungsanleitung viel zu klein. Die Farbangaben sind für Gunze, Vallejo, ModelMaster, Tamiya und Humbrol. Der kleine Decalbogen ist tadellos auf hellblauem Trägerpapier gedruckt.
Fazit: Ein sehr gut gemachter Bausatz der Zessarewitsch in 1/350 für den fortgeschrittenen Modellbauer und nur für diesen zu empfehlen.
Erhältlich sind die Bausätze im gut sortierten Fachhandel oder für Händler bei Faller oder Glow2b. Dieser Bausatz stammt von Faller.
Vorbildteil: Holger Schimpf, Erfurt
Volker Helms, Godern (Juli 2015)