Grumman AF-2S Guardian

special hobby SH48135 - Multimedia 1/48

Geht man nach dem Deckelbild, halten sich die Erwartungen an Special Hobbies neuestes Werk in Grenzen. Aber das täuscht, da ist nichts drin, was nach Short Run aussieht. Als Erstes fallen einem zwei riesige Rumpfhälften auf, die angeblich zu einem 1:48 Modell gehören, aber eher wie 1:32 wirken. Doch, es ist 1:48, mit über 18 Metern Spannweite war die AF-2 seinerzeit das größte Flugzeug, das je auf einem Träger stationiert war (anfangs eigenartigerweise auf den kleinsten, den Geleitträgern der Commencement Bay-Klasse). Die Guardian war ein U-Bootjäger, genau genommen waren es zwei, denn eine Guardian flog nicht alleine. Die unbewaffnete Version -2W mit Radarradom unter dem Rumpf, der sog. "hunter" mit vier Mann Besatzung, suchte den Ozean ab und gab bei Kontakt mit einem russischen U-Boot der bewaffneten Version -2S, "killer" genannt (3 Mann Besatzung), die entsprechenden Koordinaten. Die genaue Geschichte hat Special Hobby (S.H.) sehr schön in der Bauanleitung aufgezeichnet. S.H. hat sich auch dankenswerterweise beider Versionen angenommen und damit den Modellbauer vor die Qual der Wahl gestellt (wenn nicht zufällig gerade Geburtstag ansteht).



Die äußere Form der "Killer"-Version AF-2S ist nicht nur sehr gut wiedergegeben, sondern wartet - 1. Highlight dieses Bausatzes - mit einer exemplarischen Wiedergabe der Bespannung auf. So sollte Bespannung im Modell aussehen! Keine Durchhänger oder hervorstehende Applikationen. Was die Darstellung von Blechstößen mit feinen versenkten Linien anbelangt, kreide ich Special Hobby das nicht an, Modellbauer wollen so etwas sehen. Tatsächlich war die echte Guardian in weiten Bereichen überlappend vernietet, so dass Blechstöße nur an Wartungsklappen etc. feststellbar waren. Sei's drum, der Markt verlangt so etwas (Gottseidank ist man in Tschechien noch nicht von der "chinesischen Krankheit", dem Übersäen eines Modells mit Löchlein, befallen worden).



Das zweite Highlight ist der aus Einzelteilen (Resin) zusammenzusetzende Motor, bei dem nach Ergänzung Draht aus dem eigenen Fundus ein in jeder Hinsicht überzeugendes Ergebnis erzielt werden kann. Schließlich verdient auch noch die Bauanleitung als besonders gelungen hervorgehoben zu werden. Sie kommt zwar nur als kleines Heftchen daher, aber der Inhalt ist vorbildlich. So muss es sein! Jede Baustufe, klar ersichtlich, mit exakten Angaben zur jeweiligen Farbgebung, in den Farbprofiles am Schluss - auf meinem Foto leider etwas zu dunkel - erscheint "Glossy Sea Blue" (FS 15042) so, wie es tatsächlich aussah, nämlich als gedeckter Farbton, schwärzer als Dunkelblau. Kompliment! - Zwischenergebnis somit:

+ Bau beider Versionen möglich
+ Realistische Wiedergabe der Bespannung
+ Fein ausgearbeitete Resinteile für Motor, Lufthutzen und Kleinteile
+ Bauanleitung mit detailierten und korrekten Farbangaben
+ Diverse nützliche Ätzteile (insb. Gurte und Fahrwerksscheren)
+ Gute Wiedergabe der Konturen der Guardian
+ Überzeugende Darstellung der Schlitzflügel (nicht nur Versenkungen)
+ Gute Passgenauigkeit
+ Feine versenkte Gravuren
+ Komplette Unterflügelausstattung
0 Cockpitdarstellung
- Hauptfahrwerksräder
- Hoheitsabzeichen



Was Details anbelangt, ist die Quellenlage einigermaßen schwierig. Die einzige noch erhaltene Originalmaschine in Pensacola kam von der Aero Union Ltd. und war dort zum Löschflugzeug umgebaut worden, so dass auf Einzelheiten nicht unbedingt Verlass ist. Was Fotos anbelangt, ist meist nur die gesamte Maschine zu sehen. Es bestehen aber keine Zweifel, dass auf dem rechten Panel im Cockpit Knöpfe und Schalter und nicht Vertiefungen zu sehen waren. Auf der linken Seite hätte S.H. einen Gashebel spendieren können. Dass S.H. die hinteren Besatzungsräume nur andeutet, ist völlig in Ordnung, durch die kleinen Fenster sieht man fast nichts davon. Was den Sitz des Piloten anbelangt, liefen die Gurte entgegen der Bauanleitung nicht über die Rückenlehne, sondern wie bei Grumman üblich über eine Stange hinter/über dem Sitz (im Haltegestänge des Bausatzes angedeutet).



Auf der Minusseite sind die Hauptfahrwerksräder zu verzeichnen, die acht Speichen anstelle von nur sechs aufweisen. Falsch sind auch die Hoheitsabzeichen. Der rote Streifen ist zu schmal, er sollte 1/3 Höhe des weißen Balkens aufweisen (Korrektur durch Restdecal-Streifen löst das Problem).

Dargestellt werden können eine Maschine der Reservestation Oakland (1952 - 1956) mit orangerotem Rumpfband und eine der VS-24, 1951-1954 auf mehreren Trägern - auch im Atlantik - eingesetzt. Neben der von außen nicht sichtbaren Torpedo-Zuladung im Rumpf waren entsprechend der Aufgabenstellung dieses Typs unter den Tragflächen üblicherweise zu sehen: Rechts außen der AN/APS-31A Radar-, links außen der Scheinwerferbehälter, nach innen folgen dann jeweils auf beiden Seiten drei Raketen, alternativ zwei mit einer Mk 54 Wasserbombe dazwischen, und schließlich unter den Innenflügeln je ein Zusatztank. In der Bauanleitung erscheinen diese Anordnungen leider etwas verwirrend, aber es ist alles da.

Farbe das übliche glänzende "Glossy Sea Blue" (FS 15042), jedoch abweichend von der Norm und von Special Hobby korrekt wiedergegeben, in beiden Fällen mit weißen Fahrwerksbeinen. Wie wenig "Sea Blue" mit Dunkelblau zu tun hat, erkennt man bereits daran, dass in Special Hobbies anerkennenswert korrekten Farbzeichnung der umfangreiche schwarze Blendschutz auf der Motorhaube fast nicht mehr zu erkennen ist. Er beginnt an der Hinterkante der Motorhaube, folgt deren Kontur nach unten und setzt sich bis auf halbe Rumpfhöhe fort. Abschließender Tipp für's Bemalen/Spritzen: Da das käufliche "Sea Blue" nur für ein 1:1 Modell passt, mit Dunkelblau etwas aufhellen, ansonsten Dunkelblau mit Schwarz abtönen. Keine Lackabplatzer und sonstige "übliche Alterungsspuren", da insbesondere bei Trägermaschinen peinlich auf Korrosionsschutz geachtet wurde.

Im Ergebnis: Ein Bausatz einer seltenen, darum aber auch besonders interessanten Maschine, von Special Hobby sehr schön umgesetzt. Trotz kleiner Mängel sehr empfehlenswert! - Tipp für diejenigen, die mit US Navy weniger am Hut haben: Maschine zum Löschflugzeug ("firebomber") bei Aero Union Ltd. mit naturmetallener Zelle, orangem Rumpfband und großer Nummer am Seitenleitwerk bauen. Den vertieften Waffenschacht herzustellen sollte mittels Polyester kein Problem sein. Decals dafür dürften wohl nicht lange auf sich warten lassen.

Wilfried Eck, Nürnberg (März 2015)