Junkers Ju 188 A-2 "Rächer"

Revell 03855 Spritzguss - 1/48

Vorbild: Die Junkers Ju 188 war ein zweimotoriger Mitteldecker mit Einziehfahrwerk und zunächst drei Mann Besatzung. Die Maschine stellte eine Weiterentwicklung der Junkers Ju 88 dar. Der Antrieb erfolgte durch jeweils zwei 12-Zylinder V-Motoren Jumo 213A (A- und D-Serie) oder durch zwei 14-Zylinder-Doppelsternmotoren BMW 801 G-2 (E- und F-Serie). Der Erstflug der Ju 88 V44 (Ju 188 V1) fand 1941 statt. Gegenüber dem Ausgangstyp wurden im Wesentlichen die Kanzel, das Leitwerk und die Tragflächen geändert. Es entstand ein so genannter Kampfkopf, in dem alle Besatzungsmitglieder in unmittelbarer Nähe zueinander im vorderen Rumpfbereich zusammengefasst wurden. Aber auch die Leistung der Triebwerke wurde erhöht, die Tragflächen und die allgemeine Aerodynamik verbessert. Der Serienbau der Ju 188 lief von Februar 1943 bis Februar 1945. Insgesamt wurden 1234 Flugzeuge hergestellt. Es wurden fünf unterschiedliche Versionen in Serie gebaut. Ebenso entstanden eine Reihe von Projekten, auf denen zum Teil (J/K/L-Serie) die Weiterentwicklung Ju 388 basierte. Von der Gesamtzahl wurden insgesamt 125 vor der Auslieferung zerstört, so dass nur 1109 Flugzeuge durch die Bauaufsichtsleitung (BAL) des Reichsluftfahrtministeriums übernommen wurden. Die Luftwaffe erhielt zwischen August 1943 und Februar 1945 lediglich 874 Flugzeuge, weshalb nach der BAL-Abnahme weitere Zerstörungen, aber auch umfangreiche Verschrottungen durch die weitgehende Auflösung der Kampfgeschwader anzunehmen sind. 22 Flugzeuge wurden bei Junkers zur Vorserie Ju 388 L-0 und K-0 umgebaut. Letztendlich erhielten nur die Kampfgeschwader 2, 6 und 26 teilweise die Ju 188. Die II. Gruppe des Kampfgeschwaders 2 nahm mit 35 Ju 188E und die I. Gruppe des Kampfgeschwaders 6 mit 41 Ju 188A am Unternehmen Steinbock teil. Unterversionen: Ju 188 A-2: Bomber mit zwei 1750-PS-Triebwerken Jumo 213A; Ju 188 A-3: Torpedoflugzeug mit zwei 1750-PS-Triebwerken Jumo 213A; Ju 188 D-2: Aufklärer, eine Ju 188 A-2 ohne Bomben, mit mehr Treibstoff sowie Fotoausrüstung; Ju 188 E-1: Bomber mit zwei 1700 PS leistenden Triebwerken BMW 801 G-2; Ju 188 E-2: Torpedobomber, wie E-1 mit entsprechender Auslegung (nur Umbau); Ju 188 F-1: Aufklärer, eine Ju 188 E-1 ohne Bomben, mit mehr Treibstoff sowie Fotoausrüstung; Ju 188 F-2: Aufklärer, wie F-1 aber mit Modifikationen der E-2 (nur Umbau) (Auszüge aus Wikipedia)

Bausatz: 1994 brachte Dragon seinen Ju 188 A-1 Kit (wohl eigentlich eine Ju 188 A-2, da von der A-1 nie ein Exemplar flog) auf den Markt. Es folgte gleich noch eine E-1 mit BMW-801-Motoren. Beide Kits wurden unter dem Label DML weiterproduziert und sind bis heute gefragt, auch weil sie the only game in town sind. Jetzt hat Revell den A-1/A-2 Kit neu aufgelegt, diesmal mit der richtigen Bezeichnung! Der große Bausatz hat sogar eine (etwas überdimensionierte und dünnwandige) Schüttbox erhalten! Den Deckel ziert eine Ju 188 A vor einem stimmungsvollen leicht dämmrigen Hintergrund, der in Motiv- und Farbwahl sehr an das Dragon-Original erinnert, wenngleich mit weniger martialischer Umgebung. Innen finden sich in drei großen und ebenso vielen kleinen, leider nicht wiederverschließbaren Beuteln an 13 unterschiedlich großen Rahmen 115 Teile in hellgrauem leicht rauem Spritzguss. Weiter gibt es zwei kleine Beutel mit Klarsichtteilen, einmal neun Teile für die Ju 188, einmal 11 Teile für eine Ju 88 (so die Bezeichnung auf dem Rahmen). Laut Teileplan sind von letzteren einige Teile auch für den Bau der Ju 188 vonnöten. Ein bescheidener, kleiner, messingfarbener Ätzteilerahmen bietet noch einige Antennen und Gitter für die Flammendämpfer sowie Stellhebel für die Querrunder.

Die Detailqualität der Teile ist sehr ordentlich. Die Oberflächen sind mit feinen Gravuren, einigen versenkten Nieten und erhabenen Details übersät. Das Material ist wie erwähnt etwas rau, was aber bei einer matten Tarnbemalung nur wenig störend sein dürfte. Dragon-Bausätzen sagt man nach, sie seien wegen nicht immer idealer Passform schwer zu bauen. Ob dies auch bei diesem Kit der Fall ist, zeigt sich natürlich erst beim Bau, bis dahin machen die Teile einen sehr ansprechenden Eindruck.

Der Bau beginnt in den Stufen 1 - 5 wie gewöhnlich mit dem Cockpit, das aus Cockpitboden, dem gepanzerten Schalensitz für den Piloten, die Sitze für Copilot/Navigator/Bombenschütze und den Funker/Schützen, der Rückwand mit den Funkgeräten und der rechtsseitigen Gerätetafel, Gashebeln, zweiteiliger Steuersäule und Ruderpedalen besteht. Die Bodenwanne erhält ein Zwillings-MG und Fenster, danach können die Hälften des sog. Kampfkopfes bereits geschlossen werden.
Anschließend sollen wahrscheinlich die hinteren Rumpfhälften vereinigt werden, was jedoch in der Anleitung nicht explizit gezeigt wird. Bei ungeübten Modellbauern kann dies zu Missverständnissen führen. Der fünfteilige Sporn soll übrigens vor Schließen der Rumpfhälften eingebaut werden, was ihn bis zum Fertigstellen des Modells permanenter Bruchgefahr aussetzt. In Stufe 8 werden dann Kabine und Rumpf vereinigt.

Der Zusammenbau des Leitwerkes wird in den Stufen 9 - 11 gezeigt. Sämtliche Ruderflächen sind separat dargestellt und mittels Zapfen einzusetzen. Eine ausgelenkte Darstellung sollte also ohne große Probleme möglich sein. Die Stufen 12 - 17 beschreiben den Zusammenbau der Motorgondeln und der Propeller. Nachbildungen der Jumo 211 finden sich nicht, was einerseits zwar den Bau vereinfacht, aber andererseits Dioramenszenen wie zum Beispiel eine Motorwartung schwierig macht.

Die nächsten sechs Abschnitte zeigen den sehr komplexen Zusammenbau der Hauptfahrwerke und deren Einbau in die Motorgondeln der unteren Flügelhälften. Letztere erhalten zwischendurch von innen noch je vier Bohrungen für die Bombenschlösser. Als nächstes werden die Flügel verklebt und dabei die separaten Flügelspitzen und die Querruder angebaut. Der Sinn, warum einer von den vier Ruderhebeln ein Fotoätzteil ist, die drei übrigen aber aus Kunststoff bestehen, erschließt sich mir nicht völlig. Aber vielleicht sollte ich mal Aufnahmen der Flügelunterseiten recherchieren, eventuell erklärt sich dann alles. Schließlich finden die vorher komplettierten Motorgondeln in Stufe 28 ihren Platz vorn an den Flügeln.
Stufe 30 bringt dann die Hochzeit und im weitern werden die Fahrwerksklappen und die Bomben samt Schlössern montiert. Weiter finden die Einstiegsleiter, diverse Antennen, das Staurohr und die Motorfronten samt Propellern ihren Platz am Modell. Den Abschluss bilden die letzten vier Baustufen 44 - 47 mit den Abwehrwaffen, dem MG-Turm und schließlich der eigentlichen Haube. Voila, c'est fini!

Bauanleitung/Bemalung: Der knapp DIN A5-große Decalbogen ist vielversprechend ausgewiesen mit "Printed in Italy" und "Designed by House of Phantoms" und bietet auf blassblauem Papier in Seidenmatt neben den Balkenkreuzen reichlich Wartungshinweise und Walkways, die Instrumente für das Cockpit auf klarem Hintergrund, sodass man den genauen Farbton für den Innenraum nach eigenem Gutdünken (RLM 66?) wählen kann und es keine Diskrepanzen zum Decal gibt. Wie meistens müssen die Seitenleitwerksmarkierungen aus dem eigenen Fundus beigesteuert werden. Die angebotenen Gurte kann, wer will, mit dem Papier randscharf ausschneiden, dann erhalten sie aufgeklebt mehr realistische Dicke. Ich würde jedoch eher zu fotogeätzten Gurten vom Zubehörmarkt raten.

Die Bauanleitung ist im typisch neuen Revell-Stil poppig-bunt und in Hochglanz gehalten. Sie enthält leider keinerlei Angaben zum Vorbild und führt auf 19 Seiten in 48 Schritten mit vielen Piktogrammen durch den Bau. Den Anfang der Anleitung machen die üblichen Mischanleitungen für die hauseigenen Farben, Querverweise auf andere Farbhersteller, wie bei fast allen anderen Herstellern inzwischen längst Standard, fehlen leider wie immer gänzlich. Als nächstes folgt erfreulicherweise ein Teileplan. Den Abschluss bilden vier Seiten mit farbigen Vierseiten-Bemalungsplänen für die leider nur zwei angebotenen Varianten.

Als Decalvarianten gibt es zunächst die "3E+HK" der II./KG 6 in Melsbroek/Belgien aus dem Oktober 1944. Die Oberseite ist in RLM 76 Hellblau gehalten, unterbrochen von verästelten Streifen in Schwarz RLM 22, die Unterseite ist gänzlich in RLM 22 getarnt. Die Maschine erhielt eine Austausch-Backbordtragfläche, die in Grüntönen RLM 70/71 von oben und RLM 65 Hellblau von unten getarnt war. Die Motorgondel, die Querruder und die Landeklappen sind wie der Rest der Maschine bemalt.

Die "US+KH" Wk.-Nr. 160096, I./KG 2 in Bron/Frankreich, März 1944 war ursprünglich an den Oberseiten im üblichen Splitter-Muster aus Grüntönen RLM 70/71 bemalt, das dann wohl im Feld mit großen abgerundeten Flächen in RLM 76 Hellblau nachgetarnt wurde. Die Unterseiten sind in Schwarz RLM 22 gehalten. Das Seitenruder zeigt feine von Hand aufgetragene Mäander in RLM 76 über Dunkelgrün (RLM 70?) und war vielleicht ein Austauschteil.

Fazit: Der Grundbausatz ist noch immer ein Must-Have für Luftwaffen-Modellbauer. Revell hat dieses wichtige Modell dem Quarterscaler nun wieder leichter zugänglich gemacht und dafür sei Dank. Ansonsten hat man sich in Bünde aber wieder mal kein Bein ausgerissen. Das Fehlen einer Vorbildhistorie ist man bei Revell ja schon gewöhnt, aber nur zwei Decalvarianten finde ich doch sehr dürftig. Zum Glück gibt es ja den Zubehörmarkt, von dem man dann außer Decals auch gleich Gurte und bedruckte Instrumententafeln bestellen kann. Für alle Modellbauer mit etwas Erfahrung sehr zu empfehlen!
Mich persönlich würde für meine Sammlung eher eine Ju 188 E mit BMW-Motoren interessieren, aber, ob Revell die auch noch einmal auflegt, wage ich zu bezweifeln!

Zu beziehen ist dieser Bausatz im gut sortierten Fachhandel oder bei Revell direkt.

Utz Schißau (Berlin, Dezember 2020)

PS. Hier kann man den Kit mal von Meister-Modellbauer Dieter Wiegmann gebaut sehen.