Diese noch recht aktuelle Revell-Neuerscheinung dürfte für gemischte Gefühle sorgen. Diejenigen, die jahrzehntelang auf einen erschwinglichen, zeitgemäßen, Douglas Boston /Havoc Kit warteten, hätten sich hier wahrscheinlich etwas mehr erwartet. Anderen wiederum, wird solch Plastikmodell eher egal sein, wie es leider das Schicksal dieses Douglas-Kampflugzeug zu sein scheint. Liegen doch seine Zeiten als populärer 1/72- Mainstream-Kit, geschweige denn händlerseitig gern georderten Umsatzbringer, schon weit zurück.
Schwer zu sagen ob dies (in diesem spezifischen Fall) von Revell Bünde (oder in den USA) von vornherein billigend in Kauf genommen, oder gar (im wahrsten Sinne des Wortes) einkalkuliert wurde. Nach meiner Meinung, wären die Erfolgschancen dieses bekannten, ja legendären, amerikanischen WK-II-Klassikers, auf dem US-Binnenmarkt höher als bei uns in Deutschland, einzuschätzen. Obwohl ich auch schon Stimmen gehört habe, dass man sich mit diesem Bausatz, absatzmäßig, eher auf das Commonwealth, und vor allen Dingen Großbritannien konzentriert hatte.
Das Gesamtresultat ist meines Erachtens, leider etwas zwiespältig oder halbherzig ausgefallen. Wenn man auch fairerweise zugeben muss, dass es die Verantwortlichen bei diesem Vorhaben wirklich nicht einfach hatten. Dies wird eigentlich bereits schon an den Angaben auf der Schachteloberseite erkennbar. Wohl aus gründen des Markenrechts wird auf die Erwähnung des Namens "Douglas" verzichtet! Dies ist irgendwo verständlich, wenn man sich allerdings auch fragen muss, warum dies z.B. bei Airfix’ eben gerade neu herausgebrachter 1/72er "Douglas Dauntless" ging. Auch bei der letzten Wiederauflage des Original-Revell-Kits Mitte der Neunziger schien beides ebenfalls noch viel einfacher zu sein, und das obwohl es sich damals auch schon um eine (dazu noch weit kleinere) Bluebox-Schachtel handelte.
Womit jetzt vielleicht auch der Formenursprung angesprochen werden sollte. Die im aktuellen Baukasten in den vier wiederverschließbaren Klarsichtbeuteln einliegenden grauen Formlinge stammen von MPM aus Tschechien. Diese Kooperation besteht schon seit Längerem und bringt immer mal wieder Bausätze aus der Prager Schmiede in den Revellkarton.
Der A4 großen Bauanleitung mangelt es im Begleittext leider etwas an Klarheit. Hier setzen sich die zuvor erwähnten Schwierigkeiten fort. Aufgrund von Revells spezifischen Modellwahl (d.h. konkreter Vorbild-Baureihe) galt es den geschichtlichen Abriss zu meistern. Dieser stellt bei einem dermaßen variantenreichen ja wandelbaren Mehrzweckflugzeug allgemein schon eine Herausforderung dar. Der verfügbare Rahmen und das Budget führten dann zu einem eher dürftigen Ergebnis. Andererseits zeigt das weit kleinere Unternehmen MPM das es auch besser geht. Und dies sogar ohne unbedingt mehr Kosten an Druckerschwärze verursacht zu haben. Letztendlich genügte den Pragern diesbezüglich offensichtlich ein kurzer Blick in K. Munsons bekanntes Standardwerk, um alles professioneller wirken zu lassen.
Revells in 30 Abschnitte aufgeteilte Bauanleitung dürfte demgegenüber frei von Fehlern sein, zumindest habe ich auf die Schnelle keine entdecken können. Lediglich die darin verwendeten Symbole wie "Holz Wäscheklammer" und das "Spezialklebstofffläschchen" sind teilweise noch nicht optimal, d.h. wirklich für Jeden verständlich eingefügt worden... finde ich.
Dies führt mich gleich zur Skill-Level-Angabe die hier (nur) den Wert 3 erreicht, wobei meiner Meinung nach der Bausatz insbesondere Anfänger ein wenig überfordern könnte. Jeder Interessierte sollte besser schon einige Flugzeug-Bausätze gebaut haben, oder zumindest Jemanden mit entsprechender Erfahrung in der Nähe wissen.
Ist meine Besprechung bislang etwas weniger positiv ausgefallen, so gebührt den mannigfaltig bestückten Gussrahmen schon weit größere Wertschätzung. An den 118 Teilen gibt es nämlich nahezu absolut keinen Grat, geschweige den Formenversatz. Notwendige Auswerfer wurden mit Sachverstand platziert, so dass deren Abdrücke später nicht auffallen. Auch die Passgenauigkeit ist als vorbildlich zu klassifizieren. Alle Bauteile sind durchgehend hochwertig detailliert, womit insbesondere im Cockpit- und Fahrwerksbereich ein Quantensprung zum alten einst aus Kalifornien stammenden Originalkit erreicht werden konnte.
Die hellgrauen Teile in allen Photos sind aus dem im Text erwähnten alten Revellbausatz und nur zum Vergleich abgebildet.
Dies gilt auch für die Rohrwaffen, die man dereinst völlig ausgespart hatte. Die jeweils zwei separaten Nachbildungen für die sternförmig, hintereinander liegenden Zylinderreihen bewegen sich erstaunlicherweise "nur" auf vergleichbaren Niveau. Was weitestgehend auch für die recht akkurat ausgefallenen Hauptfahrwerksräder gilt. Die Klarsichtteile des neuen Kits erreichen erwartungsgemäß einen guten, zeitgemäßen, Standard. Das einzig wirklich fehlende Detail ist das typisch amerikanische diagonale Reifenprofil. Ansonsten treffen hier natürlich auch alle bereits in Volkers MPM Boston Mk. IV/V – FL aufgeführten Merkmale zu.
Die zwei Bemalungsoptionen entsprechen existierenden Vorbildern, unterscheiden sich untereinander aber nur wenig vom Sichtschutz-Schema und sind meiner Meinung nach vielleicht etwas unattraktiv, da es insbesondere für die USAAF-Maschine auch noch etwas reichhaltiger dekorierte Original-Vorbilder gäbe. Somit ist der einliegende Decalbogen diesmal auch eher klein ausgefallen, enthält aber dennoch Wartungshinweise, Armaturenbrett usw. .
Zusammenfassend bietet der Bausatz der Prager auch unter Revell`s Label einen sehr ordentlichen Standard, der in Punkto Ausgestaltung, ohne weiteres mit den jüngeren oder allerneusten Bausätzen auf dem Markt mithalten kann.
Fazit: Der abschließende Gesamteindruck tendiert bedauerlicherweise etwas mehr zu durchschnittlich als top. Aber, wie schon erwähnt, ist das nackte Plastikmodell qualitativ keineswegs zu unterschätzen. Außerdem gibt es den Bausatz auch zu einem recht annehmbarer Preis, so dass sich diesen bislang eher raren Bausatz eigentlich Jedermann holen sollte. Immerhin ist das Preisleistungsverhältnis besser als bei dem MPM-Kit. Ich bin fest überzeugt, dass auch dieser neue Revell-Baukasten, bestimmt seine Käufer finden wird.
Zdenek Nevole (März 2013)