Messerschmitt Bf 110C-2/C-7
Revell 04961 - 1/32
Vorbild: Die Bf 110 als zweimotoriger, schwerer Jäger bzw. "(Flugzeug-)Zerstörer" ist ein Kind der 1930er Jahre, als in vielen Luftstreitkräften die entsprechende Konzeption Anhänger fand. Bis heute hängt dem eleganten Flugzeug der Ruf an, dass es in dieser Rolle grandios gescheitert sei. Das stimmt so allerdings nicht, wie Untersuchungen der letzten Jahre gezeigt haben, die beispielsweise für die Luftschlacht um England keine wesentlich höhere Verlustraten als diejenigen der einmotorigen Bf 109 oder gar der Spitfire belegen konnten. Vielmehr erwies sich der Entwurf als gelungen genug, um als Kampfflugzeug im Erdeinsatz noch zu überzeugen und sogar geplante Nachfolger zu überleben. Notgedrungen, aber nicht ohne Erfolge, war das Muster in seiner letzten Version noch bis zum Kriegsende als Nachtjäger im Einsatz.
Die C-Version ist die erste Serienversion gewesen, die nicht mehr mit einem Jumo-Motor produziert, sondern mit dem stärkeren DB 601 A ausgestattet wurde. Die Unterversion C-2 stellte einen "Zerstörer" dar, bei dem im Gegensatz zur C-1 das neue Funkgerät FuG X verbaut wurde, wodurch die Festantenne vom Antennenmast hin zum linken Seitenruder entfiel. Die Version C-7 stellte hingegen ein auf der C-4 basierendes Kampfflugzeug dar. Die Letztgenannte unterschied sich von der C-2 durch Einbau des verbesserten MG FF "M" anstelle von MG FF und den Entfall der Hülsenwanne unter dem Rumpf (auf Höhe der Flügel). Bei der C-7 wurden zusätzlich ein Bombenschloss ETC unter dem Rumpf angebracht und Reifen und Sporn verstärkt. Fabrikneu ist diese Variante nur in sehr kleinen Stückzahlen hergestellt worden, in Reparaturwerken wurden vorhandene ältere Maschinen jedoch auf diesen Stand umgebaut. Durch Fotos belegt sind auch C-7, die - wie auf dem Deckelbild des Bausatzes - auch unter den Außenflügeln Bombenlasten tragen konnten (Eigentlich erst ab Bf 110 E-1 vorgesehen, vermutlich später bei "überlebenden" C-7 nachgerüstet).
Bausatz: REVELL bringt uns als Wiederauflage eines DRAGON-Bausatzes eine Bf 110 C im Maßstab 1:32. Das ist - um das Fazit schon an dieser Stelle kurz anzureißen - trotz des ein oder anderen kleinen Kritikpunkts eine großartige Nachricht. Denn hier gibt es viel Bastelvergnügen für vergleichsweise wenig Geld, gerade auch im Hinblick auf den damaligen Preis der Erstauflage (Das Original war 2008 das erste Flugzeugmodell, für dass ich mehr als 100 € über die Ladentheke wandern lassen musste).
Beim Auspacken des riesigen Kartons war ich zunächst richtig dankbar, dass REVELL kein Müsliproduzent ist! Dann wäre das Ganze nämlich nichts anderes als eine Mogelpackung, denn in dem Karton verbleibt trotz 14 teilweise recht großer Spritzlinge aus grauem Kunststoff immer noch eine Menge Platz. Für diesen Aspekt und die Tatsache, dass es sich tatsächlich um einen Stülpkarton handelt (d.h. mit einem nach oben abhebbarem Deckel), gebührt REVELL das erste dicke Lob. Denn dieser große Karton ermöglicht es dem Bastler, das Modell bis fast zur Fertigstellung immer wieder problemlos wegpacken und damit vor Staub, der Dame des Hauses oder vor neugierigen Kinderhänden schützen zu können. Insbesondere diejenigen von uns, die nur einen kleinen oder gar keinen festen Platz für das Basteln ihr Eigen nennen, werden dies zu schätzen wissen. Die Qualität der Spritzlinge - auch der Klarsichtteile - ist einwandfrei wie bei der Erstauflage, alle Gravuren sind schön ausgeprägt, nichts ist verzogen oder mit Grat versehen. Bei knapp über 400 Teilen ist das die zweite gute Botschaft.
Der aufmerksame Leser wird sich jetzt fragen, wo denn die angekündigte Kritik geblieben ist. Damit möchte ich jetzt im Fazit um die Ecke kommen, denn sie hält sich einerseits in Grenzen und andererseits ist REVELL dafür - bis auf Kleinigkeiten - der falsche Adressat. Denn der Bausatz, aus dem sich ohne Zweifel ein eindrucksvolles Modell bauen lässt, bringt DRAGON-typisch seit der Erstauflage ein paar Unkorrektheiten und Kompliziertheiten mit sich. Darauf möchte ich hier jetzt noch ausführlicher eingehen und aufzeigen, dass man diese mit ein klein wenig Aufwand durchaus beheben kann:
- Meiner Meinung nach handelt es sich bei der aus dem Bausatz erstellbaren frühen Variante um eine C-4 und nicht um eine C-2, da die typische Hülsenwanne unter dem Rumpf fehlt. Ich will aber nicht ausschließen, dass C-2 auch ohne diese Wanne geflogen sind und außerdem gibt es diese als Zurüstteil von Quickboost (QB32179). Ferner wurden Flugzeuge als C-2 gebaut und als C-4 nach "Upgrades" aus dem Dienst gestellt. Also kein Genickbruch!
- Eine ganz frühe C lässt sich aus dem Bausatz nicht ohne weiteres bauen, da die beiden ganz hinten zu verbauenden Klarsichtteile runde Ausschnitte für das MG 15 des Bordfunkers haben. Zudem hat die Waffe auch die späte Lafette, die nicht mehr ausgeschwenkt werden konnte/musste. Anmerkung: Das Teil A8 hat eine Aussparung, in der beim Original die Abwehrbewaffnung lagerte. Zum Schießen musste der Bordfunker dann die Kanzel öffnen und konnte sich sogar angegurtet hinstellen. Während der Produktion der Baureihe C entfiel diese Lösung jedoch und es wurde ein Ausschnitt für die Waffe in die Kanzel integriert. Es gibt Fotos, die Maschinen mit der (unnötig gewordenen) Aussparung im Rumpf und der späteren Version der Abwehrbewaffnung zeigen. Hier würde ich nach Möglichkeit Fotos eines konkreten Vorbilds zu Rate ziehen, um die genaue Konfiguration in Erfahrung zu bringen. Teilweise wurde die Öffnung auch vernietet. (Vgl. Vasco/Estanislau, S. 84),
- So detailliert der Bausatz insgesamt ist, ein wesentliches Element der Messerschmitt-Konstruktionen aus dieser Phase lässt sich leider out-of-the-box gar nicht darstellen: Die automatisch ausfahrenden Vorflügel, die bei geringeren Geschwindigkeiten für mehr Auftrieb sorgten und am Boden immer ausgefahren waren. Hier muss der Modellbauer zwingend auf den Zubehörmarkt zurückgreifen (z.B. Mastercasters) oder aber mit einer Feinsäge die (als Relief geprägten) Vorflügel jeweils an den Ober- und Unterschalen der Flügel absägen, die Lücken mit Sheet auffüllen und die Vorflügel dann ausgefahren anbringen. Dass man alle anderen Steuerflächen auch nicht in anderen Positionen anbringen kann ist schade, aber dort ist der ausgefahrene Zustand im Boden eben kein Muss. Auch hier bliebe dann nur der Griff zur Säge.
- REVELL hat sich tatsächlich die Mühe gemacht und die Bauanleitung gründlich überarbeitet und damit bereits einige Fehler ausgeschlossen. Allerdings sollte man bei den Bauschritten 111 und 114 aufpassen und eine Entscheidung treffen: Denn sowohl das Teil N8 (frühe Ausführung) als auch das Teil N29 (späte Ausführung) stellen Staurohre da. Prinzipiell kam die letztgenannte Version erst ab der Ausführung E zum Einbau, es gibt aber mindestens ein Foto einer C-7, die beide Typen gleichzeitig verbaut hat. Bei der C-2 sollte man aber auf alle Fälle nur das Teil N8 installieren und auch nicht das bereits in Schritt 55 verlangte Loch im Außenflügel bohren! Auch hier gilt: Am besten ein Foto zu Rate ziehen.
- Schwerer wiegt das Fehlen des Tropenfilters für den rechten Motor, der auch schon bei der Erstauflage fehlte. Die Konfiguration müsste jedoch auf beiden Seiten die gleiche sein! Für den linken Motor wird die Filteranlage im Schritt 64 erstellt, am rechten müsste der gleiche Filter - allerdings an einer Hutze - anstatt des Teiles F8 im Bauschritt 41 angebracht werden (Vgl. Fotos weiter unten). Dies ist umso ärgerlicher, da DRAGON den Fehler selbst erkannt hat und dem CYBER-HOBBY Bausatz der Bf 110 E-2 trop einen Mini-Spritzling beigefügt hat, der fast nur aus dem zweiten Filter und der zugehörigen Hutze besteht. Hier muss der Modellbauer ggf. zu einem Tropenfilter aus dem Zubehörmarkt greifen und die Hutze scratch erstellen oder aber den CYBER-HOBBY-Bausatz plündern. Da die Hutze nicht sonderlich komplex ist (Vgl. auch Fotos der Bf 110 F im Technikmuseum Berlin), erscheint auch dieses Hindernis als nicht unüberwindbar. Oder man baut eine C-7, die keine Tropenfilter installiert hatte (z.B. die S9+HP der 6./ZG 1, von der es auch Fotos gibt).
- Die riesige Glaskanzel würde ich persönlich Stück für Stück am Rumpf installieren und zunächst das vordere und hintere Teil anbringen. Die vorgeschlagene Verfahrensweise, zunächst alle Klarsichtteile miteinander zu verbinden, erscheint mir persönlich zu gewagt. Insbesondere, wenn man die Kanzel geöffnet darstellen möchte, was ohne weiteres möglich ist. Auch bei der Installation der mehrteilig ausgeführten Motorverkleidungen muss man sehr genau arbeiten, da sich sonst Spalten an anderen Stellen auftun!
- Bei den beiden 500 kg-Bomben (Bauschritt 84) müssen aus gezogenem Gießast oder Sheetstreifen an den Stabilisierungsflossen die Querverstrebungen ergänzt werden.
- Die in den Bauschritten 22 bis 25 zu konstruierende Waffenanlage in der Bugspitze sieht hinterher kein Mensch mehr, da DRAGON unsinnigerweise die Rumpfspitze einteilig ausgelegt hat. Möchte man das ändern, muss man auch dem Teil D67 mit der Feinsäge auf den Leib rücken.
Wer seine Bf 110 darüber hinaus noch weiter supern möchte, dem seien noch folgende Tipps ans Herz gelegt:
- Der Bausatz sieht die Darstellung der Gurte durch Abziehbilder vor. Da das Cockpit aber Einblicke fast wie ein Aquarium erlaubt, lohnt sich hier der Einbau alternativer und realistischer wirkender Teile. Erst recht, wenn man es offen darstellen möchte! Empfehlen kann ich hier die Kombination aus dünnem Stoff und Ätzteilen des tschechischen Herstellers HGW (Art. 132074) nur empfehlen. Die Verarbeitung der Gurte gelingt problemlos mit Uhu,
- aus dem gleichen Grund lohnt sich auch der Einbau von Ätzteilen im Cockpit, die beispielsweise EDUARD sowohl für die Version C-2 als auch für die C-7 anbietet. Diese sind hier aber weniger ein Muss als alternative Gurte, da auch die Kunststoffteile bereits eine gute Figur machen,
- am Fahrwerk sollte man mit etwas Draht die Bremsleitungen ergänzen. Die Räder sehen auch schon out-of-the-box gut aus. Wer möchte, der kann diese aber auch noch durch abgeflachte Alternativteile ersetzen, z.B. von MASTERCASTERS. Der letztgenannte Hersteller bietet auch schöne Abgasdüsen an, deren Auslässe hohl sind. Bei den Bausatzteilen ist dies leider nicht der Fall,
- eine Lackierschablone, z.B. von EDUARD oder von MONTEX, für die Kanzel ist ebenfalls eine lohnende Investition.
Bauanleitung/ Bemalung: Das dritte Lob gebührt REVELL für den Decalbogen, der sauber gedruckt neben den Kennungen für zwei unterschiedliche Varianten eine Fülle an Wartungshinweisen enthält (Was bei der Erstauflage nicht der Fall war):
Die beiden im Bausatz enthaltenen Versionen stellen einmal eine Bf 110 C-2 (Zerstörer) der 9./ZG 26 aus dem Juni 1940 in Frankreich in der frühen Tarnung sowie eine Bf 110 C-7 (Kampfflugzeug) der 5./ZG 1 aus dem Mai 1942 in der Sowjetunion in der späten Tarnung dar. Letztere besticht durch die großen, avantgardistischen Wespen auf beiden Seiten des Rumpfs, die meiner Meinung nach zu den attraktivsten Symboliken auf Flugzeugen überhaupt gehört. Vielleicht hätte ich mir für die frühe Variante eher noch eine Version mit dem Haifischmaul des ZG 76 gewünscht, aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Lob gebührt REVELL auch für die Bemalungshinweise (in REVELL-Farbtönen und bei den Außenfarben auch mit RLM-Angaben), die keine Fragen offenlassen. Beispielsweise werden darin auch die Innenseiten der Ruder oder diejenigen der Motorgondeln abgebildet. So gehört sich das! Schließlich hat nicht jeder das Geld und die Lust, sich zusätzlich zum Modell noch Tonnen an Literatur zuzulegen.
Fazit: Aber allen Kritikpunkten zum Trotz - und das gilt es hier nochmal festzuhalten - ist der Bausatz uneingeschränkt zu empfehlen. Es gibt für einen fairen Preis eine Menge Plastik in sehr guter Qualität mit feinsten Gravuren, darüber hinaus ist die Passgenauigkeit vom Feinsten (z.B. halten einige Baugruppen auch ohne Klebstoff). Insbesondere das Cockpit, die Motoren und auch die Fahrwerksschächte sind schon out-of-the-box richtige Hingucker. REVELL hat mit Wiederauflage alles richtig gemacht und die kleineren Mängel sind alle behebbar.
Zu beziehen ist dieser Bausatz im gut sortierten Fachhandel, bei Revell direkt.
Matthias Böcking, März 2020
Literatur:
- John Vasco, Fernando Estanislau, MESSERSCHMITT Bf 110 C, D and E - An Illustrated Study - Variants - Weapons - Equipment
Das Buch ist ein wahrer Knaller, da es nahezu alle Details mit Fotos von Vorbildern oder Auszügen aus Dienstvorschriften in sehr guter Qualität belegt. Leider ausverkauft und im Internet nur noch zu wahren Mondpreisen verfügbar. Diejenigen die es ihr Eigen nennen, können sich glücklich schätzen.
- John Vasco, MESSERSCHMITT Bf 110 - UNITS IN THE BATTLE OF BRITAIN - PART ONE
Anmerkung: Das Heft liefert die wesentlichen Informationen zu den verschiedenen Versionen in einer komprimierten Form. Kaufempfehlung!
- Heinz Mankau, Peter Petrick, Messerschmitt Bf 110, Me 210, Me 410
Anmerkung: Wenngleich der Schwerpunkt des Buches auf der Entwicklungsgeschichte und Diskussionen von Entscheidungsträgern über die Fortentwicklung der darin behandelten Muster liegt, so bietet es doch ebenfalls einen mit Vorbildfotos und Auszügen aus Vorschriften versehenen Überblick über die Versionen der 110. Immer noch verfügbar, auch zu guten Preisen. Kaufempfehlung!.