Junkers Ju 90 V3 „Bayern“ Lufthansa

Lüdemann/Classic Plane-Resinkomplettbausatz 1:72

Vorbild: Unser langjähriges Mitglied Karl Kössler hat sich in seinem Werk intensiv mit der Entstehungsgeschichte der Ju 89 und Ju 90 befasst. Aus den Forderungen des damaligen Luftschutzamtes 1933 entstanden vermutlich bei Dornier die Do 19 und bei Junkers die Ju 89. Schon 1936 erkannte man im RLM, dass diese beiden Typen nicht mehr die zukünftigen Forderungen der Luftwaffe erfüllen können. Als Ergebnis entstand die Ausschreibung, aus der dann die Heinkel He 177 hervorging. Trotzdem lief bei Junkers die Fertigstellung der Ju 89 weiter. Am 11. April 1937 flog die Ju 89 V1 und am 12. August 1937 die Ju 89 V2 erstmals. Sie wurden vorrangig als Erprobungsträger verwandt. Ende 1938 wurden beide Flugzeuge an die Luftwaffe abgeliefert. Schon 1939 verlieren sich ihre Spuren.

Die Ju 90 entstand parallel bei Junkers als J 89 V3 und sie hatte als Ju 90 V1 am 28. August 1937 ihren Erstflug. Es zeigt sich hier, dass auch bei der Ju 89, wie zuvor bei der Ju 86 und He 111, eine militärische und eine zivile Version geplant waren. Im Gegensatz zu den Vorgängermustern erhielt die Ju 90 einen völlig neuen Rumpf. Am 6. Februar 1938 stürzte die Ju 90 V1 bei Schwingungsversuchen ab. Der Erstflug der Ju 90 V2, die nun mit BMW 132 H Triebwerken ausgerüstet war (alle bisherigen Ju 89/90V1 hatten DB 600) fand am 2. Dezember 1937 statt. Schon am 26. Mai 1938 ging die V2 als D-AIVI zur 100-Stunden-Erprobung an die Lufthansa. Sie fand ihr Ende am 26. November 1938 durch Absturz beim Start in Bathurst.

Die Ju 90 V3 (D-AURE) hatte am 23. Juni 1938 ihren Erstflug. Sie hatte ein charakteristisches Aussehen und unterschied sich deutlich durch das Fehlen der üblichen Bugscheinwerfer, der Rumpfbug war in einem dunkleren Grau gehalten und die Hauptfahrwerksräder waren noch kleiner (1450 x 500). Somit benötigten die Hauptfahrwerksklappen keinen Ausschnitt. Das Flugzeug ging als GF+GD an die Luftwaffe und wurde dann wieder als D-AURE von der Lufthansa eingesetzt, bis sie am 09. August 1944 bei einem Tieffliegerangriff in Stuttgart-Echterdingen beschädigt wurde und ausbrannte.

Bausatz: Detlef Schorsch von Classic Plane arbeitet seit einiger Zeit mit Herrn Lüdemann zusammen. Daher kommen die Bausätze zu dieser Doppelbezeichnung. Für knapp 60 € gibt es doch einen recht großen Karton. Ich war überrascht über den teilweise guten Abguss der Großbauteile. Selbst ein Cockpit ist vorhanden. Warum allerdings einige Bauteile in „Giftgrün“ gehalten sind, das muss ich nicht verstehen. Die kleinen Fenster auf der rechten Rumpfseite sind zwar in der Bauanleitung vorhanden, jedoch nicht im Rumpfteil selbst. Das gilt ebenso für das kleine Fenster in der Rumpftür. Hier ist also Eigeninitiative gefragt.

Ein unbefriedigender Abguss war bei allen vier Triebwerken deutlich festzustellen. Diese müssen nach meiner Meinung durch Beuteile aus Italeri's Ju 86E (oder anderer Zubehörteile) ersetzt werden. Nicht mal die Motorverkleidungen sind vollständig ausgegossen. Von den Motoren mag ich gar nicht reden. Ebenso nachteilig finde ich, dass die Vacukanzel nur einmal vorhanden ist. Für alle Rumpffenster gibt es keine Glasteile. Hier hilft nur die Verwendung von Microscale Kristal Klear weiter.

Vor dem Zusammenbau sollten alle Bauteile grundiert werden, damit wirklich alle vorhandenen Blasen aufgespürt werden (Vielleicht bin ich auch durch den hervorragenden Resinguß von CMR verwöhnt!). Nach der Betrachtung der Rumpfinnenseiten habe ich gleich die Idee einer Passagierkabineneinrichtung verworfen. Außer Resinkugeln ist hier nichts vorhanden. Wer jetzt auch noch eine übliche Bauanleitung erwartet, den muss ich enttäuschen. Hier gibt es nur ein paar kurze Informationen zum Original, allgemeine Hinweise zum Umgang mit Resinmodellen und schöne in 1:144 gehaltene Maßstabsskizzen, die für den Zusammenbau hilfreich und für die Bemalung erforderlich sind. In der Bauanleitung wird allerdings von Naturmetall über alles gesprochen. Das war die Ju 90 V3 mit Sicherheit nicht, wie ein Vergleich der Bilder auf S. 36 ff. im Buch von Karl Kössler zeigt. Vermutlich erhielt sie einen silbernen Farbanstrich, denn auf Fotos sieht das Flugzeug sehr homogen aus. Die Decals sollten vor dem Benutzen mit Microscale Decal Liquid Film fixiert werden. Der weiße Kreis auf den Seitenleitwerken muss lackiert werden.



Bemalung:

Fazit: Ein interessanter Bausatz, der jedoch einiges an Erfahrung im Modellbau voraussetzt und daher nur dem wirklich erfahrenen Modellbauer zu empfehlen.

Literatur:

Die großen Dessauer - Junkers Ju 89, Ju 90, Ju 290, Ju 390 - Die Geschichte einer Flugzeugfamilie, Karl Kössler und Günther Ott, Aviatic Verlag 1993, ISBN 3-925505-25-3;
Junkers Ju 90 - Ein Dessauer Riese - Erinnerungen und Berichte eines Junkers-Flugzeugprüfers, Helmut Bukowski und Fritz Müller, Brandenburgisches Verlagshaus 1995, ISBN 3-89488-083-X;
Vom Original zum Modell: Junkers Ju 90, Karl-Heinz Regnat, Bernard & Graefe Verlag 2002, ISBN 3-7637-6233-7.

Volker Helms, Godern