Vorbild: Das in mehrerer Hinsicht außergewöhnliche US-amerikanische Jagdflugzeug mit dem Namen "Thunderbolt", dürften wohl die meisten von uns hinlänglich kennen. Daher will ich mich auf die hier zu besprechende Baureihe P 47B beschränken.
Hierbei handelte es sich um die erste aus dem Prototypen XP47B abgeleitete und im November 1941 in Produktion gegangene Serie. Da die darin eingeflossenen Änderungen recht umfangreich waren, kann ich sie hier leider nicht alle aufführen. Die wichtigste Neuerung dürfte aber eindeutig die neue Schiebehaube dargestellt haben. Erwähnenswert wäre ebenfalls noch die Tatsache das es sofort nach der Ausrüstung der Fighter Group 56, der ersten (und auch einzigen), USAAF-Einheit mit diesem neuen Baumuster zu relativ vielen Abstürzen kam. Daher ließ sich vorerst auch an keinen regulären Kriegseinsatz diese Musters denken. Stattdessen sollte der Testbetrieb im Binnenland fortgeführt werden.
Nachdem man schrittweise die gravierendsten Mängel behoben hatte, beschloss das Entwicklungsteam um Republics versierten Chefdesigner Alexander Kartveli sofort mit der Produktion der, neben andern Verbesserungen um 8 Zoll längeren, Baureihe C zu beginnen. Der Start dieses später so berühmt gewordenen wuchtigen Einsitzers mit der höchsten Fertigungszahl aller amerikanischen Jagdflugzeuges des zweiten Weltkriegs war mit einem ersten Bau-Los von nur 171 Maschinen also nicht besonders erfolgreich. Mit Einführung der nachfolgenden Baureihen sollte sich dies völlig ändern. Das großangelegte Bauprogramm der meist nur "Jug" genannten Maschinen wurde schließlich zu einer außergewöhnlichen Erfolgsgeschichte.
Zwar berichten einige Quellen von einem vereinzelten Kriegseinsatz auch von B-Varianten über Europa. Wahrscheinlicher dürften dies aber eher P-47C gewesen sein die zu Jahresende 1942 erstmalig nach England verlegten.
Bausatz: Die Firma Lindberg, war neben Monogram und Revell, einer der bekanntesten und größten Hersteller von Plastikmodellbausätzen Nordamerikas. Wie auch seine Mitbewerber versäumt es der Hersteller jedoch nicht, seine Produkte auch bei uns in Europa zu vertreiben. Glücklicherweise konnte nach der Wiedergründung in Cedar Rapids/ Iowa vor wenigen Jahren, nicht nur der traditionsreiche Firmenname erhalten werden, sondern es werden seitdem auch viele der alten Bausätze wieder angeboten. Anspruchsvolle Neuheiten werden aber bedauerlicherweise nur sehr schleppend bzw. überhaupt nicht entwickelt.
Auch wenn dieser Bausatz hier - der noch aus den Sechzigern stammt - selbstverständlich sehr betagt ist, war er bereits im heute gängigen 1/72er Maßstab entworfen worden. Der erste Blick auf die sauber ausgeführten Oberflächen spricht dafür, dass auch ein mit Raised-Panels-Lines entworfenes Modell noch brauchbar ist. Allerdings ist die Ausführung einiger Einzelteile erwartungsgemäß stark vereinfacht und der Bausatz kann sicher nicht mit modernen Kits mithalten. Derzeit ist dieser auch nur antiquarisch erhältlich, während andere Lindberg-Klassiker wie z.B. die Me 410, Hs 129, die He 219 sowie weitere berühmte WK II-Flugzeugmodellen in 1/72 aber weiter angeboten werden.
Die vielen Nietenreihen sind überwiegend stimmig und recht dezent gehalten, so dass sie meiner Meinung nicht als störend betrachtet werden sollten. Ganz nach Belieben könne sie problemlos entfernt werden. Auch die Breite und Tiefe der Fugen an Leitwerk und den Ruderflächen ist vorbildgerecht und nicht zu beanstanden. Auch deren Stärke geht völlig in Ordnung, da sie an den hinteren Kanten angemessen spitz zusammenlaufend abgegossen worden sind.
Ferner verdient, meiner Meinung nach, auch die heutzutage leider selten werdende wohldurchdachte und äußerst sparsame Verwendung von Angussstegen ein Riesenlob, da man bei Lindberg grundsätzlich keine Gussrahmen verwendet hat und wohl daher an keinen der wenigen Einzelteile mehr als eine Verbindung zum Mittelast braucht. Dadurch wird das Versäubern der Trennstellen zu einer Minutensache oder einer kleinen Fingerübung.
Überhaupt erlaubt der nahezu gratfreie Guss bei diesem Modell einen sehr raschen Zusammenbau. Lediglich einige an unpassender Stelle in die Form eingearbeiteten Auswerfermarken schmälern die ansonsten vorbildliche Verarbeitungsqualität. Hinzu kommt eine Einsink- Mulde über dem vorne am Oberrumpf liegenden Passstift. Zum Glück verlaufen dort keine Nietenreihe, daher ist dies kein allzu großes Malheur. Die vermaledeiten Ejectorpins an den Fahrwerksklappen allerdings sind nicht ohne Zerstörung der Nietenreihen zu beseitigen!
Womit ich vielleicht gleich auch mit allen anderen Minuspunkten fortfahren sollte. Die da wären:
Neben diesen ärgerlichen Defiziten, die es allerdings auch bei vielen anderen alten Modellen gibt, bestehen aber auch ein paar Lichtblicke. Die ordentlich aber etwas zu lang dargestellten Fahrwerksbeine und das passable Thunderbolt-typische Spornrad mit seiner einseitigen Radgabel, ferner die zwei brauchbaren 250Pfund-Bombennachbildungen und last not least ein recht authentisch wirkender Curtiss-Electric-Propeller können als positive Punkte gewertet werden. Die Klarsichteile sind, wie bei Lindberg eigentlich immer, zwar ausreichend klar allerdings nicht so sehr als dass die große Leere im Cockpit allzu gewahr werden zu lassen.
Die Abziehbilder meines Exemplars des Lindberg-WWII-Sets, eine Kombination aus zwei P-47 und einer He 111 in 1/64, sind zwar qualitativ in Ordnung entsprechen aber überhaupt nicht tatsächlich an P-47B angebrachten Markierungen. Wen es stört, der kann die farbenfrohe Nose-art ja einfach weglassen. Recht nett finde ich die immerhin schon vorhandenen Logos für die Propellerblätter.
Das Fazit fällt ambivalent aus. Derzeit gibt es keinen anderen Bausatz der P-47B in 72- facher Verkleinerung. Den Bau dieses Modells kann man wirklich kinderleicht bewältigenden. Auch der Nachwuchs oder jemand mit weniger Freizeit kann hier ohne Probleme binnen kürzester Zeit ein schönes P-47-Modell zusammenfügen. Andererseits wiegen die aufgezählten Mängel so schwer, dass man sich fragt, wie es möglich sein kann, dass ein solcher Kit überhaupt so lange Zeit im Angebot bleiben konnte.
Letztlich dürften eher die eingefleischten Nostalgiker oder auch Bausatz-Sammler ein größeres Interesse an diesem Veteranen zeigen, da es längst besser detaillierte und leichter zu bekommende oder einfacher ausgedrückt, zeitgemäßere Thunderbolt-Bausätze gibt.
N. (Oktober 2011)