Vorbild: Die MV-22 Ospray (Fischadler) ist eines der modernsten Luftfahrzeuge, insbesondere der amerikanischen Marineflieger. Trotzdem hat das Konzept einen langen Vorlauf, das bis 1938 auf eine Idee eines deutschen Konstrukteurs für den Flugzeugbau der Firma Weserflug zurückgeht. Adolf Rohrbach hatte zu der Zeit die Planung eines Flugzeuges mit schwenkbaren Tragflächen, an denen jeweils zwei Rotor-ähnliche Propeller die Motoren antrieben. Es sollte wie heute die Ospray senkrecht starten und landen. Danach sollten die Flügel wieder in die Position für den Normalflug gebracht werden. Rohrbach war seiner Zeit voraus und bis auf weiteres sind nur die Planungszeichnungen bekannt. Die amerikanische Firma Hiller nahm sich nach dem Krieg des Projekts an und entwickelte 1959 die Hiller X-18 als sogenannten Schwenkflügler. Bei den fertigen Prototypen kam es öfter zu Maschinenschaden, und so wurde die Fertigung 1961 eingestellt. Ähnlich erging es dann auch der Wiederauflage das Projekts von Boeing/Bell Mitte der 1980er Jahre. Zu komplex und zu teuer war die politische Meinung.
Insbesondere die U.S. Marine-Einheiten aber wollten ein neues Transportflugzeug, das den Hubschrauber mit einen konventionellen Flugzeug kombinierte. So wurde 1989 die Arbeit an dem Projekt V-22 wieder aufgenommen. Allerdings gab es zu Anfang auch Rückschläge. Zwei der Prototypen stürzten ab und der zweite Absturz kostete den sieben an Bord befindlichen Personen das Leben. Wieder stand alles auf der "Kippe". Aber 1993 beschloss der Kongress die Weiterentwicklung bis zur Serienreife. 2001 wurden die ersten einsatzbereiten Maschinen den U.S. Marineeinheiten übergeben. Stationiert werden die MV (M für Marine)-22 auf speziellen Trägerschiffe der "Wasp" Klasse. Ursprünglich bestand das fliegende Gerät ausschließlich aus Hubschraubern. Ein besonderer Vorteil der Ospray ist die Möglichkeit, die Tragflächen mit den großen Rotorblättern über die Längsachse des Rumpfes zu schwenken. Für den knappen Stauraum unter Deck ein unschätzbarer Wert. Die Vielseitigkeit des Hybridflugzeuges erfreut sich immer mehr an Beliebtheit bei den Einsatzkräften, sei es für das Absetzten von Truppen oder dem Einsatz in Katastrophengebiete. Die Ospray kann mit wenig Aufwand von einem Transporter zu einem Flugzeug für sanitäre Aufgaben umgerüstet werden. Neben den Marineeinheiten nutzt die U.S. Air Force dieses Flugzeug bei Spezialeinsätzen. Auch Japan verfügt inzwischen über den Flugzeugtyp.
Bausatz: Italeri hat sich vor Ewigkeiten des Prototyps als Bausatz angenommen. Das ist fast 30 Jahre her und im 48er Maßstab gab es bisher kein Modell dieses interessanten Typs. Nun liegt von Hobby Boss ein zeitgemäßer Bausatz vor. In dem großen stabilen Stülpkarton befinden sich 234 Einzelteile. Auch eine kleine Platine mit Messingteilen ist vorgesehen. Auf dieser befindet sich das Gurtzeug für die zwei Besatzungsmitglieder, Halterungen für die Feuerlöscher und Kühler.
Nach dem Öffnen des Kartons fällt anhand der Hauptteile sofort die Größe und Kompaktheit das Modells ins Auge. Die beiden Rumpfteile sollten gegen das Licht gehalten werden. Dann erst fallen einem die tollen Details der Gravuren mit feinsten Nieten auf. Da gibt es nichts mehr zu verbessern. Für die Innenausstattung der Frachtkabine ist ein Modul vorgesehen. Die Ausstattung entspricht dem eines Truppentransporters. Neben den wichtigsten Strukturen und Konsolen sind eine Reihe von Sitzen in hochgeklappter Stellung einzukleben.
Das Cockpitmodul ist aus einem Teil gefertigt (Slide Molding). Die Ausstattung entspricht einem modernen Flugzeug mit digitaler Steuerung. Herkömmliche Instrumente sind durch Bildschirme ersetzt. Sitze und Kontrollsticks sind gut dargestellt. Aufgrund der kristallklaren Glasteile ist auch eine schöne Einsicht gewährleistet. Auch das hintere Kabinenschott ist einsehbar. Um das Instrumententeil zu beleben, sind schöne Decals vorgesehen.
Etwas dürftig gestalten sich die Fahrwerksschächte. Nach dem Einbau ist aber wegen der Anordnung der Klappen kaum noch was zu erkennen. Ein Hauptaugenmerk sind die Tragflächen mit den schwenkbaren Motoren und deren mächtigen Rotorblättern. Die Fläche lässt sich wie bei dem Original um 90 Grad um die Rumpfachse schwenken. Wenn die Rotoren in Flugstellung montiert werden, entfällt dieser Effekt aber. Man hat die Wahl, die Ospray in normaler Einsatzbereitschaft oder die Flügel beweglich, aber mit eingeklappten Rotorblättern zu zeigen. In jedem Fall ist zu empfehlen, an dem Modell auszuprobieren, was an Variationen möglich ist, bevor geklebt wird.
Auf den Flügeln sind die sogenannten Vortex Generatoren aufgeprägt. Diese wurden bei den serienreifen Maschinen aufgebracht, um einen zu frühen Strömungsabriss zu verhindern, was bei den ersten Modellen zu den Abstürzen führte. Beeindruckend wirken auch die aus mehreren Teilen bestehenden Motorgondeln. Auf ihre Beweglichkeit an den Flügelenden ist zu achten.
Bevor die beiden Ausbuchtungen an den Rümpfen befestigt werden, ist das Fahrwerk einzubauen. Anpassen ist wichtig. Vor dem Einbau des Frachtmoduls sind die wenigen Fenster an den Rumpfschalen nicht zu vergessen. Die hinteren Rampen des Frachtraumes sind beweglich. Die Ausführung der U.S. Marine ist mit einer Luftbetankungssonde ausgerüstet. Die Landeklappen lassen sich in verschiedenen Positionen anbringen.
Ist die Zelle fertig, wird das Modell mit einer Vielzahl von Antennen und Sensoren, Radarkuppeln usw. vervollständigt. Das Leitwerk aber nicht vergessen. Und weil auch das so kompakt und schwer ist: Buggewicht nicht vergessen.
Anleitung/Bemalung: Der Decalbogen ist relativ klein, beinhaltet aber alle Kennungen für die eine Variante der U.S. Marineeinheiten. Ein großes Farbblatt lässt, was die Lackierung des Modells anbelangt, keine Wünsche offen. Aufgrund der feinsten negativen Details sollte aber eine Airbrush zum Einsatz kommen.
Fazit: Ein toller Bausatz des "Transformers der Lüfte". Einzig der Preis ist ein kleiner Wermutstropfen.
Erhältlich bei gut sortierten Modellbauhändlern oder für Händler bei Glow2B.
H. Jürgen Bauer, Berlin (Juni 2021)