Das Original: Es sind seltene archäologische Glücksfälle, wenn Schiffs- bzw. Bootswracks gefunden werden, die sich in derartig vollständigen und gutem Zustand befinden, wie es jenes Boot war, das wir seither als "Kalmar I." bezeichnen. Als zwischen 1932 und 1934 der alte Teil des Schloßes Kalmar zu Restaurierungszwecken entwässert wurde, entdeckte man mehrere Wracks, die zeitlich vom 17. Jhdt. bis ins hohe Mittelalter reichten. Erfreulicherweise waren es gerade die ältesten Funde, die am besten erhalten waren. Die Wracks befanden sich in den unterschiedlichsten Zuständen, wobei sich das sog. "Kalmar I." als das am vollständigsten erhaltene herausstellte. Es fehlte lediglich der Mast und Teile der oberen Rumpfbeplankung. Der kleine Küstenfrachtsegler war klinkerbeplankt und weist durch die Beplankung gehende, verzapfte Querbalken auf, wie man sie von Schiffsdarstellungen auf Stadtsiegeln der Zeit her kennt. Hier nun war dieses bauliche Detail erstmalig gesichert zu sehen. Der Mast konnte niedergelegt werden. Wollte man ihn aufrichten, so musste man ihn nur in eine Vertiefung des an dieser Stelle verdickten Kiels stecken und mit einem Kreuzstück, das mit den beiden Seitenstützen verbolzt wurde, sichern. Auch wenn man nichts gefunden hat, was Rückschlüsse auf die Art der Besegelung zulässt, kann man es doch als gesichert annehmen, dass es sich um ein Rahsegel gehandelt haben dürfte. Eine extrem einfache Tagellage ist ebenfalls anzunehmen, da der Mast ja umlegbar war.
Das Boot verfügt nicht über ein durchgehendes Deck. Lediglich das Vorschiff und das Heck waren überplankt. Interessant ist das Bratspill direkt oberhalb der achteren Querbalken. Es dürfte zum Hieven der Rah gedient haben.
technische Angaben: | |
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Länge: | 11,20m |
Breite: | 4,60m |
Tiefgang: | 1,10m |
Nutzlast: | 7 Tonnen |
Gesamtgewicht: | 11 Tonnen |
Spantenzahl: | 18 |
Ruder: | Heckruder |
Das Modell ist als Vollrumpfmodell erstellt. Das hätte ich mir schon bei der vor einigen Jahren erschienen Wikinger "Knarr" oder "Knorre" gewünscht, aber man kann nie alles haben. Germania-Figuren hat ja nun bereits beim zweiten richtigen Schiffsmodell die konstruktive Kritik an der "Knarr" aufgenommen und umgesetzt. Super! Ebenfalls super finde ich die Verpackung. So verpackt kann eigentlich nichts kaputt gehen, es sei denn, es war schon vor dem Verpacken kaputt. Bei meinem Muster war nämlich eine kleine Öse an der einen Bratspillhalterung teilweise abgebrochen und das abgebrochene Teil befand sich auch nicht in der Verpackung. Dies zu reparieren ist aber kein Problem und für mich kein Grund für eine Reklamation.
Der Rumpf ist, wie gesagt, generell in einem Stück gegossen, wobei die überplankten Bug und Heckbereiche massiv ausgeführt worden sind. Das hat natürlich mit der Stabilität des recht dünnwandigen Rumpfes zu tun. Dadurch sind sie zwar nicht "hohl", aber damit muss man dann leben.
Die in diesen Bereichen vorhandenen Querbalken sind Teil dieser massiv gegossen Partien und stehen soweit vor, dass sie den Bereichen eine gewisse Tiefe verleihen. Die Querbalken, die sich in dem offenen Bereich des Rumpfes befinden, sind als Einsetzteile erstellt und werden nach dem Versäubern einfach in den Rumpf eingeklebt. Die verstärkenden Längshölzer sind als gegossene Streifen dem Bausatz beigegeben. Auch diese müsste man versäubern, daher erscheint es mir einfacher, fertige Plastikstreifen zu verwenden. Ein kleines "Deck" ist vorne direkt über dem Kiel angelegt gewesen. Dieses "Deck" ist Teil des Rumpfes und weist einen gleich mit angegossenen Anker an einer Kette auf. Das ist etwas misslich, da ein separater Anker besser gewesen wäre. Vor allem, da es solche Anker aus Metall mit einer Kette im Hochmittelalter mit ziemlicher Sicherheit und bei so kleinen, einfachen Booten nicht gab. Ein großer gelochter Stein an einer Leine wäre hier passender gewesen.
Direkt oberhalb der achteren Querbalken befindet sich das auffällige und mit angegossene Bratspill. Warum dies meinem Muster auch nochmal separat beiliegt, verstehe ich aber nicht.
Der Mast, die Rah und der Bugspriet sind jeweils mit einem eingegossenen Draht verstärkt. Das ist löblich und funktioniert sicher auch, aber man kann diese Teile auch leicht aus Holz selber machen und beizen etc., wenn man möchte.
Das Ruder ist samt Pinne separat ausgeführt. Löblich!
Es gibt an Zubehör noch vier Riemen, einige gegossene Taubündel, einen kleinen Ring aus Draht, der wohl als Führring für die Rah gedacht ist, die beiden Seitenstützen des Mastes sowie die Darstellung einer Geweihgabel, die als Ablage für den Mast bzw. die Rah diente. Desweiteren gibt es ein Stück feines Leinen, dass durchaus fein genug ist um als Segel dienen zu können. Das kleine Kreuzholz, das den Mast daran hinderte, nach vorne zu kippen, gibt es als Einzelteil nicht, aber es ist leicht selbst herzustellen. Seine Position kann man den gezeichneten Abbildungen im Bauplan entnehmen.
Über die Eignung der gegossenen Taubündel läst sich sicher trefflich streiten, aber ich finde es ist besser, wenn es sowas gibt, als wenn nicht. Vermisst habe ich den kleinen Block, der auf dem Foto des gebauten Modells vorne am Bugspriet hängt. Das ebenfalls beigegeben Garn gefällt mir persönlich nicht so gut, da es für meine Begriffe zu hell ist und vor allem zu sehr glänzt, aber auch hier kann ja selber selber entscheiden, was er denn nehmen möchte.
Fazit: Für mich ist das Modell des Kalmar I. eine willkommene Bereicherung für unser Hobby! Erstmalig, nach dem Koggen-Modell von Zvezda, gibt es nun ein weiteres, gutgemachtes und historisch belegtes Modell eines Schiffes aus dem Mittelalter in 1:72. Die 3D-gedruckten Modelle, die in den vergangenen Jahren auf den Markt gekommen sind, haben doch irgendwie nie Ihren "Brettspiel-Karakter" ablegen können, aber genau das ist hier nicht der Fall. Zugegeben, die Plankengänge könnten etwas symmetrischer verlaufen und der Rumpf insgesamt ebenfalls etwas symmetrischer erstellt worden sein, aber fertig gebaut und eingebettet in eine kleine Hafenszene, vielleicht sogar neben einer großen Kogge, wird sich das Kalmar I. sicher sehr gut machen
Wir danken Germania-Figuren für das Besprechungsmuster.
Olaf Krabbenhöft, Hamburg (Februar 2019)