Über die Geschichte der Messerschmitt Bf 110 gibt es nicht mehr viel neues zu berichten, außerdem hat Volker bereits beim First Look der Profi Pack-Version das wichtigste zusammengefasst. Die „E“ sollte nach dem Fiasko als schwerer Jäger der Bf 110 nun den neuen Einsatzbereich als Jagdbomber erschließen, wozu das Fahrwerk verstärkt und die Möglichkeiten, Abwurfwaffen mitzuführen erweitert wurden.
Die Plastikteile von Eduards Bf 110E sind einmal bereits als Bf 110C/E MTO-Ausgabe und einmal als Royal Class Kit erschienen. In dem sehr stabilen zweiteiligen Stülp-Karton finden sich an sieben großen Rahmen zahlreiche feine und feinste Spritzgussteile in hellem Olivbraun sehr sauber abgespritzt ohne Grat, Sinkstellen und Auswerfermarkierungen. Die Oberflächen sind mit fein versenkten Gravuren und Nietenreihen versehen. Jeweils zwei Rahmen sind in einem wiederzuverschließenden (!) Beutel verpackt. Die sehr dünnen und klaren Glasteile sind separat verpackt. Zahlreiche Teile wandern dem Teileplan zufolge in die Restekiste.
Ätzteile oder Abdeckmasken finden sich dem Firmenkonzept entsprechend bei dieser „Weekend Edition“ nicht. Decals liegen bei für eine Maschine der „Dackelstaffel“ 1 (Z)/JG77 geflogen vom Staffelkommandanten Felix-Maria Brandis in Malmi, Finnland 1942. Die Rumpfnase ziert passenderweise ein Dackel, der eine I-16 im Fang hält. Die Tarnung ist in RLM 74/75 über 76 mit Flecktarnung an den Rumpfseiten in RLM 02 ausgeführt.
Die Masse der Teile wird für Cockpit und die Waffen verbaut. Hier setzt sich fast jedes Teil aus mehreren Untersegmenten zusammen und jeder kleine Hebel, jeder Gurt und jede Strebe ist einzeln anzukleben. Das Ergebnis dürfte dafür aber entsprechend beeindrucken. Die Rumpfnase kann offen dargestellt werden, um die Bewaffnung zu zeigen, gleiches gilt für die Kanzelhaube, so dass ein guter Einblick in das mit viel Mühe erstellte Innenleben des Modells gewährleistet sein dürfte.
Auch scheint nach den bisher zu lesenden Berichten die Passform von Problemen bei den Motorgondeln mal abgesehen recht gut zu sein. Kritik äußerte Steffen in seinem Baubericht der aus den selben Formen stemmenden Bf 110C bereits an den eingefahren dargestellten Vorflügeln und den Rädern, die für die E-Version zu schmächtig geraten sind. Die Vorflügel verlangen etwas Chirurgie, die Gondeln Geduld und die Räder gibt es von Aires oder (wie praktisch!) von Eduard als Resin-Teile hinzu zu kaufen.
Folgt man den im Netz bereits veröffentlichten Berichten, so kann aus Eduards Bf 110E ein vorzügliches Modell entstehen. Dennoch ist diese Ausgabe von Eduards Bf 110E m.E. ein einziger Widerspruch in sich! Über den Begriff Weekend Edition wurden ja schon öfter Bemerkungen gemacht, aber noch nie war er so unpassend wie hier! 340 Einzelteile für einen Zweimot dürften rekordverdächtig sein! Zum Vergleich hatte ich kürzlich eine 1/48 P-38 Lightning von Hasegawa auf dem Tisch, auch nicht gerade eine Firma, die dafür bekannt ist, mit der Teilezahl zu geizen! Bei diesem gut detaillierten Zweitmot-Kit kommen die Japaner mit weniger als der Hälfte, nämlich 140 Teilen aus! Dieser Kit ist nicht nur nichts für ein Wochenende, sondern definitiv auch nichts für ungeduldige Modellbauer!
Ein weiterer Widerspruch ist das konzeptgemäße Fortlassen der Ätzteile, die die Teilezahl auch nicht mehr wesentlich weiter erhöht hätten, aber ein im Prinzip schon sehr gutes Modell in die Spitzenliga heben würden. Zumindest Sitzgurte sollten vorhanden sein! Auch, dass die Kabinenhaube nur schwer geschlossen dargestellt werden kann, spricht dafür, die bekannt guten Ätzteile aus eigenem Hause zu verbauen. Aber die muss man sich ja bei dieser Ausgabe erstmal selbst zulegen!
Gleiches gilt für die fehlenden Masken: Gerade für die Treibhaus-Verglasung der Bf 110 wären sie sicherlich eine Wohltat und würde die Bauzeit um Stunden verkürzen (wenn auch vielleicht nicht ganz auf ein Wochenende!)
Zusammengefasst haben wir hier einen klaren Fall von Overengineering, der aber mit viel Geduld in ein Spitzenmodel verwandelt werden kann. Wer sich aber auf dieses Abenteuer einlässt, sollte sich konsequenterweise die Ätzteile, Resinräder und je nach Geschmack auch noch die Maskierfolien zu diesem Kit kaufen! Oder er bzw. sie legt sich besser gleich den Profi-Pack zu, der alles zusammen für weniger Geld bietet.
Diesen Bausatz kann man wegen der zahlreichen winzigen Teile nur Modellbauern mit etwas Erfahrung und ruhigen Händen empfehlen, Anfänger dürften an Ihm die Lust an unserem schönen Hobby gleich wieder verlieren!
Utz Schißau, Berlin (Mai 2012)