Vorbild: Da die Entwicklungsgeschichte des Tigers weitestgehend bekannt ist, soll an dieser Stelle nur auf die frühste Produktionsserie eingegangen werden. Die ersten 4 seriengefertigten Tiger, welche nun von Henschel produziert wurden, gingen am 19. / 20. August 1942 an die 502. Schwere Panzerabteilung. Das Design des Tigers orientierte sich noch an den früheren deutschen Panzern. Daher gab es keine geneigten Panzerplatten, welche einen besseren Panzerschutz bieten würden. Die Stärke der Panzerung reichte aber aus, um den meisten russischen Kanonen stand zu halten. Auch war die Kanone, die 8,8cm KWK 36 L/56, überragend. Der Tiger war damit also zu der damaligen Zeit ein mächtiges und den meisten Gegnern überlegenes Fahrzeug.
Typisch für die frühe Ausführung H waren die fehlenden Werkzeuge und Schürzen an den Seiten, die Auspuffe ohne Abdeckungen bzw. mit montierten Rohren, ein Antennensockel (ohne Antenne) am Heck, sowie die Fender, die im Vergleich zu den späteren Baulosen kürzer ausfielen. Auch war eine Schnorchelanlage vorhanden, welche aber kaum benutzt wurde und daher bei späteren Versionen wegfiel. Der Motor, ein Maybach HL 210, kam bei den ersten 250 Fahrzeugen zum Einsatz, war aber stark untermotorisiert. Dagegen konnte das fortschrittliche Klauengetriebe überzeugen, jedoch war es sehr teuer, weswegen auch dieses später ersetzt wurde.
Der erste Tigereinsatz der 502. s.Pz.Abt. an der Leningrader Front wurde jedoch ein Desaster. Am 29. August sollten die Panzer bei Mga eine russische Gegenoffensive aufhalten. 3 Fahrzeuge fielen jedoch aus, ohne Feindkontakt zu haben: 2 wegen Getriebe-, einer wegen eines Motorschadens. Lediglich der Kommandeurspanzer blieb einsatzbereit. In der Nacht mussten die beschädigten Tiger unter Feindbeschuss von jeweils 3 Famos geborgen werden. Die Masse von 56t machte sich deutlich negativ bemerkbar. Vom 16. Zum 18. September wurden der Einheit 3 weitere Panzer unterstellt.
Am 22. September sollten die 4 einsatzbereiten Tiger im schwierigen Gelände eingeschlossene russische Truppen aufreiben. Auch dieser Angriff scheiterte gnadenlos, diesmal aufgrund des sumpfigen Gebietes oder durch Pakbeschuss. 3 Fahrzeuge konnten noch geborgen werden, der am weitesten ausgerückte Tiger musste jedoch gesprengt werden. Die 1. Kompanie der schweren 502. wurde daraufhin am 26. September von der Front abgezogen.
Weitere, mir bekannte, sehr frühe Tiger I Aus. H kamen auch zur 501. s.Pz.Abt. Die ersten 3 Tiger erreichten Tunesien am 23. November.
Bausatz: Dragon hat bereits in 1:35 einen sehr detaillierten Tiger der frühsten Produktion rausgebracht. Die Daten wurden nun in 1:72 runter gerechnet und heraus kam einer der komplexesten Bausätze, die ich in diesem Maßstab kenne. Es sind über 110 Teile über 4 Spritzlinge und eine Ätzteilplatine verteilt, einige wandern auch in die Grabbelkiste. Die Details sind umwerfend und deutlich widergegeben, was man unter anderem der vieleingesetzten "Slide Mold Technologie" zu verdanken hat. Sowohl die Mündungsbremse, als auch die MGs sind geöffnet (!) dargestellt. Der Wagenheber ist dreiteilig und bedarf keiner Nacharbeit. Auch die Detaillierung der einteiligen Wanne kann voll und ganz überzeugen.
Das Laufwerk ist, ähnlich wie beim Sd.Kfz. 251, so aufgebaut, dass die hinteren Reihen der Laufrollen über Bögen miteinander verbunden sind. Dies erleichtert die Lackierung, ist aber ungünstig, wenn man für ein Diorama die Federung eingedrückt darstellen möchte. Dragon hat übrigens aus seinen Fehlern bei den vorherigen Tigern gelernt und sowohl das Trieb-, als auch das Leitrad durchbrochen dargestellt. Sogar ein Teil des Innenraums (Turm, Luken und Kühler) sind im Bausatz enthalten. Die Griffe und Handräder an den Luken sind angegossen, was man aber leicht durch eine entsprechende Bemalung oder durch Draht wett machen kann. Dabei kann man auch gleich die Scheinwerfer verkabeln. Wie schon für die meisten Dragonmodelle üblich liegen auch hier (leicht verzogene) DS-Ketten, Abschleppseile aus Metall und ein kleiner, aber feiner Bogen Ätzteile, inklusive Lüftungsgitter, bei. Die besonderen Merkmale der frühsten Tiger I sind auch in diesem Bausatz vorhanden.
Als Vorlage dient das Fahrzeug mit der Nummer 100 von der s. Pz.Abt. 502, welches von den Russen erobert und anschließend zu Propagandazwecken zur Schau gestellt wurde. Da dieser Panzer grau lackiert war und 2 Staukästen an den Seiten, sowie seine lange 8,8 besaß, wird man stark an einen Elefanten erinnert. Dies wird auch durch das Divisionszeichen, einen weißen Elefanten, hervorgehoben. Passend zu diesem Fahrzeug liegt die Schnorchelanlage bei, bestehend aus dem Schnorchel, welcher über dem Motorraumbefestigt wird, und einer Abdeckung für das Bug MG. Die Abdeckung der Mündungsbremse muss man sich selber erstellen. Weiterhin gibt es eine Schutzplane für das Bug MG, sowie natürlich das MG an sich.
Im Laufwerk können die beiden vordersten, äußeren Laufrollen abmontiert dargestellt werden. Hierfür liegen extra 2 kleine Platten bei. Die beiden besagten Laufrollen wurden des Öfteren im Winter abmontiert, damit gefährlichen Eisklumpen hinter dem Triebrad keinen Schaden anrichten konnten. (Wer diese Teile also nicht verbaut, sollte sie sich deshalb für weitere Tigermodelle aufheben.) Die beiden markanten Staukästen liegen bei, ebenfalls die 3 weißen Elefanten-Nassschiebebilder. Vorsicht! 2 Elefanten hat Dragon in der Bemalunsganleitung vergessen, am Original waren sie aber vorhanden. Der große gehört an die Turmrückseite, der kleinere auf die linke Seite am Heck, neben den Holzklotz.
Dieser Bausatz beschränkt sich leider nur auf das Fahrzeug "100". Die Einheit besaß aber auch Fahrzeuge mit nur einer Stau- bzw. einer Rommelkiste des Pz.Kpfw. III oder gar keinem Kasten am Turm. Wer also über passende Decals oder Schablonen verfügt, kann auch weitere Tiger darstellen. Schade ist nur, dass Dragon einige, aber nicht alle Teile einer Rommelkiste beigelegt hat. Letztere lässt sich aber leicht scratchen oder von anderen Bausätzen entnehmen. Als interessantes Detail wäre noch zu erwähnen, dass die "100" ein Hufeisen neben dem Fahrersehschlitz besaß. Dragon hat dieses als Ätzteil beigelegt. Wer diesen Tiger nicht bauen möchte, sollte sich auch das Hufeisen aufbewahren, da es sicherlich auch auf anderen Fahrzeugen oder Dioramen ein schönes Detail wäre.
Fazit: Dieser Bausatz ist sehr anspruchsvoll, aber enorm detailliert. Wer sein Tiger mit Innenraum oder im ausgebrannten Zustand darstellen möchte, wird hiermit seine Freude haben. Der Preis von ca. 18€ ist zwar nicht ohne, aber bei dieser Detaillierungsmöglichkeit durchaus berechtigt. Anfängern sollten sich lieber nicht an dieses Modell wagen, Fortgeschrittene und Profis können sich jedoch über einen Bausatz freuen, der keine weiteren Nachrüstsätze benötigt.
Philip Koch, Schwerin (Juli 2009)