Vorbild: Bekannterweise war die Tupolew Tu-4 ein sowjetischer Nachbau der B-29 Superfortress, nachdem im Fernen Osten der UdSSR drei Maschinen notgelandet waren. Diese hatten bei Einsätzen gegen Japan Beschussschäden erlitten und den schneller erreichbaren Bündnispartner auf dem Festland, anstelle ihrer weit über See entfernten Basen auf Saipan oder Tinian angesteuert. Während die Besatzungen umgehend in die USA weiterreisten, verblieben die B-29 in sowjetischen Händen. Als Stalin nun einen Bomber für seine bereits in Entwicklung befindlichen Atombomben (Deren deutsche wissenschaftliche Hinterlassenschaft übrigens bis heute ungeklärt ist.) suchte, erging der Befehl an Tupolew die B-29 im metrischen System 1:1 nach zu bauen. Der Widerstand der Flugzeugbauer war groß, hatten sie doch eigene Ideen für einen solchen Bomber. Dennoch wurde Stalins Anweisung brachial durchgesetzt. Es gibt sogar das Gerücht, dass die Instrumente in den Tu-4 englische Beschriftungen hatten. Ob dies der Wahrheit entspricht, lässt sich schwerlich prüfen, zumal die Sowjetunion im Rahmen der Lend-Lease-Lieferungen auch Fluginstrumente erhielt. Übrigens war diese vermeintlich einfache Aufgabe schwieriger als man annehmen sollte. Grund: viele der Metallegierungen und praktisch die ganze Funkmeßausrüstung und das Waffenleitsystem waren für die UdSSR Neuland. Es galt also komplett neue Methoden und Verfahrensweisen für die Luftfahrtindustrie einzuführen. Eine Mammutaufgabe - und heute praktisch unbezahlbar - aber deren technologische Auswirkungen noch bis jetzt in der Russischen Luftfahrtindustrie spürbar sind. Der Coup gelang, und Tupolew und Genossen konnten sogar einige Verbesserungen, wie die 23-mm-Kanonenbewaffnung einführen. Strittig ist derzeit noch, ob der zum Drucksystem gehörende Kriechgang durch die ganze Maschine bei der Tu-4 weggefallen ist, oder nicht. Für die recht groß geratenen "Zar"- und anderen Atom- und Wasserstoffbomben musste dieser zumindest teilweise oder ganz entfernt werden.
Als Triebwerke kamen ASch-73 mit Turboladern an jedem Auspuff zum Einsatz. Oft wird kolportiert, dass dieser Motor eine Kopie oder ein Nachbau des Wright R-3350 von erbeuteten B-29 sei. Dem ist nicht so. Die Sowjetunion kaufte in den USA, die Lizenz des 9-Zylinder-Sternmotors Wright R-1820. Daraus resultierte die Motorenfamilie M-80, M-25, M-65 aus russischer Produktion. Motorenspezialist Arkadi Schwezow (ASch) koppelte bereits im Jahr 1938 zwei M-25 zum Doppelsternmotor M-70. Über M-71 und M-72 entstand dann 1945 der ASch-73 (M-73). Mit der Tu-4 stand dann auch erstmals ein Luftfahrzeug bereit, welches so einen Motor benötigte. Zuvor war dieser den Militärs zu groß gewesen. Richtig dagegen ist, dass man Anleihen beim Tubolader des 3350 nahm. Alexander Mikulin war derweil selbst bereits weit in dieser Materie vorgestoßen und konnte später recht schnell eigene Triebwerkskonstruktionen anbieten. Für das ASch-73 gab es dann auch an der TU-4 eine russische Lösung, bei der das Wegfallen der äußeren Auspuffverkleidung auffällig ist.
Die Tu-4 wurde von 1948 bis 1953 in verschiedenen Ausführungen hergestellt und auch relativ lange - dann aber für untergeordnete Aufgaben eingesetzt. Dabei wurden nach neuesten Erkenntnissen im
Für die Einsätze der der zivilen "Polarnaja Aviatzia" (korrekterweise nicht wirklich ein Teil der Aeroflot - sondern eigenständig) wurden vier bzw. fünf Exemplare vom Militär abgezweigt und entsprechend modifiziert. Das heißt, Bewaffnung und Panzerung entfernt und z.B. anstelle des vorderen Waffenturms eine große Beobachtungskuppel eingebaut.
Die Maschinen dienten offiziell der Wissenschaft - speziell der Langstreckeneisaufklärung für Nordpolexpeditionen und Driftstationen. War ein ausreichend großes und geeignetes Eisfeld durch die Tu-4 erkundet, ergingen die Koordinaten an die IL-12 und IL-14 Einheiten, die Menschen, Material und Equipment dieser Polarstationen einflogen und ordentliche Landebahnen anlegten. Hier konnten die Tu-4 dann auch landen.
Der ganze Aufwand wurde natürlich nicht nur für reine Forschungszwecke betrieben. Genau auf diese Art wurde praktisch ein mobiler Luftverteidigungsgürtel gegenüber dem Bomberarsenal der USA aufgezogen, bzw. dessen Aufbau geprobt. Eine Aufgabe, die mit Erscheinen der ersten Interkontinentalraketen allerdings obsolet war.
Bausatz: Brandneu ist dieses interessante CONSTANZA-Set für die zivilen Tu-4 als Umbau aus der 72er B-29 von Airfix oder Academy gedacht. Dazu gleich noch eine Anmerkung: Von der amerikanische B-29 hat es niemals zivile Ausführungen gegeben!
Kernpunkt sind vier ordentliche und korrekte Resinmotoren-Sets für die genannten Kits, denn in denen gibt es nur eine ominöse Rückenplatte (als "Brandschott") und irgendwelche erhaben aufgeprägte Strukturen.
CONSTANZA bietet dafür nun detaillierte Schwetzow ASch-73-Treibwerke. Im direkten Vergleich zum Set des R-3350 von Plus-Model zeigen sich übrigens Unterschiede in Größe und Form recht deutlich.
Die ASch-73 haben einzelne Zylinder, wobei die für die erste und die für die zweite Reihe - entsprechend dem Original - unterschiedliche Zylinderköpfe aufweisen. Toll ist, dass ein zusätzlicher Zylinder beiliegt - so kann man sich schon mal im Umgang mit diesen filigranen Teilen üben. Dazu gibt es die Zündungs- und Vergaserteile und jeweils zwei filigrane Teile für die Vergaserluftzuführung sowie diverse Ventilstößel und Kleinteile in Resin - wie hier gezeigt. Der erfahrene Modellbauer wird einiges davon sicherlich durch Metalldrähte, gezogene Giessäste o.Ä. aus der Grabbelkiste ersetzen, da diese weniger bruchempfindlich sind und nicht entgratet werden müssen. Ein ewiges Manko der Resinteile.
Auch die Luftzuführung kann sicherlich besser und stabiler durch Alublech von Assietten oder Teelichtern ersetzt werden, wobei die Teile von CONSTANZA gut als Muster dienen können. Will man noch ein Brandschott, Ölfilter und Turbolader haben, müssen diese selbst angefertigt werden, genau wie der Auspuff, für den in der Instruktion Strohhalme vorgeschlagen werden. Dazu gibt es nur ein kleines Bildchen - mehr Detailfotos oder Skizzen zur Anbringung der vielen Einzelteile wären durchaus wünschenswert. Das eine Bild mit verbalen Erklärungen zum Zusammenbau ist etwas dürftig - aber dieses Set richtet sich ja auch nicht an Anfänger.
Bemalung: Die Decals für zwei Bemalungsoptionen machen einen guten Eindruck, und wie bei CONSTANZA oft üblich, gibt es einige als Bonus. Übrigens haben die beiden Tu-4 in Form und Größe völlig abweichende "Polarnaja"-Flaggen am Leitwerk. Dies ist korrekt und so an den wenigen Fotos der Originale nachweisbar.
Die tolle Bauanleitung enthält nicht nur diese Originalfotos, sondern auch einen kompletten CONSTANZA-Katalog. Aufgeführt sind in der Instruktion auch alle Kennungen der fünf zivilen Tu-4. Nett ist ebenfalls die Erklärung der kyrillischen Buchstaben.
Bleibt noch zu erwähnen, das CONSTANZA dieses Set auf Anregung des I.P.M.S.-Deutschland konzipiert hat.
Fazit: Insgesamt wieder ein schönes Set in der Reihe "Schwerter zu Pflugscharen" von CONSTANZA.
CONSTANZA ist die Eigenmarke von www.ConMoWo.com, und auch nur dort, oder im Aviationmegastore in Amsterdam-Schiphol zu bekommen.
Detlef Billig, Berlin (November 2015)