Vorbild: Nach der Niederlage Russlands im russisch-japanischen Krieg 1904-1905 musste die russische Marine schnell die großen Verluste an Linienschiffen und Panzerkreuzern ersetzen. Doch gerade der aus den Erfahrungen dieses Krieges international begonnene Bau von neuen Schlachtschiffen vom Typ Dreadnought stellte das russische Werftwesen vor große Probleme da man mit dem Bau so großer Schiffe keine Erfahrung hatte. Nach kurzen Zögern holte man sich Hilfe aus mehreren anderen Ländern und lies sich über 50 diverse Vorschläge unterbreiten. Letztendlich wählte man, nach italienischem Vorbild (Cuniberti-Aufstellung), die ungewohnte Anordnung der Hauptartillerie in 4 Drillingstürmen zwischen denen teilweise die Aufbauten und Schornsteine standen und somit das Schussfeld nach vorne und hinten deutlich einschränkten. Als Namen der 4 Schiffe wurden russische Schlachten bzw. Städte gewählt.
Da die ersten modernen russischen Großkampfschiffe aus politischen Gründen unbedingt auf russischen Werften gebaut werden sollten, gab es bereits im Vorfeld Probleme aber am 03.06.1909 konnte der Bau für alle 4 Schiffe in Petersburg beginnen. Am Ende dauerte der Bau länger als international üblich und geriet zudem ca. 40% teurer als wenn man eine ausländische Werft beauftragt hätte. Alle Schiffe liefen zwischen dem Juni bzw. September 1911 vom Stapel und wurden von Ende Oktober bis Anfang Dezember 1914 in Dienst gestellt.
Die „Sewastopol“ war das zweite Schiff der „Gangut“-Klasse, benannt wurde sie nach der Stadt Sewastopol auf der Krim. Mit 12x305mm in (je 3 in 4 Drillingstürmen und 16x120mm (einzeln in Kasematten) war sie für 1914 noch gerade so ausreichend bewaffnet und die Geschwindigkeit mit über 23 Knoten lag sogar leicht über dem internationalen Durchschnitt für Schlachtschiffe. Doch die dafür relativ schwache Panzerung des Decks, der Seiten und gegen Torpedotreffer erwies sich als misslungen denn die Schiffe waren somit weder gute Schlachtschiffe mit Feuer- und Standkraft noch schnelle Schlachtkreuzer. Die Schiffe waren zudem nicht sehr seegängig da sie viel „Wasser nahmen“, konnten nur schlecht belüftet werden und galten als „unsanitär“. Dafür waren die Schiffe alle auch als Eisbrecher ausgelegt um auch im Winter in der Ostsee operieren zu können.
Doch obwohl alle 4 Schiffe der Klasse - nach der Ausbildung der Crews – endgültig Mitte 1915 zur Flotte stießen, blieb die russische Marine in der Ostsee nahezu inaktiv und die deutsche Hochseeflotte begnügte sich mit der Sperrung des Kattegats und Minenoperationen um ihren Rücken im Kampf gegen die britische Grand Fleet frei zu halten. Bis auf Ausbildungsfahrten und wenige kurze Deckungsaufgaben (z.B. für andere Schiffe und eigene Minenoperationen), blieben die Schiffe in ihren Stützpunkten während die älteren bzw. kleineren Einheiten der Flotte die Hauptlast der Kämpfe in der Ostsee trugen.
Bereits früh schloss sich die Besatzung der „Sewastopol“ 1917 auf die Seite der aufständischen Soldaten und Matrosen Kronstadts bzw. Petrograds doch auch im den folgenden Kämpfen gegen deutsche, britische und weißrussische Einheiten kam es kaum zu aktiven Einsätzen. Der Zustand der 4 Schlachtschiffe verschlechterte sich durch fehlende Wartung und Ersatzteile bzw. zum Teil verringerte Crews schnell – 1919 waren sie alle 4 beschädigt bzw. kaum noch kampf- oder gar seetüchtig.
Die „Sewastopol“ wurde 1919 still- und 1921 aufgelegt. Ihr Glück war, dass die ab 1919 in der Newa verankerte „Frunze“ (ex.„Poltava“) langsam leck lief und 1922 fast ausbrannte. In der Folge wurde das nicht mehr zu rettende vierte Schiff der Klasse nach und nach „kannibalisiert“ um so die anderen 3 Einheiten wieder fahrtüchtig zu bekommen. Die „Sewastopol“ wurde zu dieser Zeit in „Parizhskaja Kommuna“ umbenannt und ging nach längerer Vorbereitung von 1926-28 in die Werft. Zwar wurde das Schiff gründlich überholt aber äußerlich hatte sich nur das Aussehen des vorderen Schornsteines geändert welcher jetzt verlängert und nach hinten abgebogen war, desweiteren kam ein Katapult für Flugzeuge an Bord. Nach einer längeren Erprobungsphase wurde das Schiff Ende 1929 ins Schwarze Meer verlegt – auf der Fahrt dorthin zeigte sich erneut die schwache Seetüchtigkeit des Schiffes als Teile des Bugs bei einem Sturm in der Biskaya beschädigt wurden. Das Schiff musste umkehren und in Brest wurde ein Notsteven eingezogen bevor die Fahrt weiterging. Bis 1937 unternahm das Schiff mehrere Reisen ins Ausland bevor es von 1937-39 endlich grundlegend modernisiert wurde. Erst bei dieser Gelegenheit wurde wohl der Ende 1928 beschädigte Bug erneuert bzw. umgebaut um die Seeeigenschaften des Schiffes zu verbessern. Für einen grundlegenden Umbau wie neue Antriebsanlagen und eine geänderte Anordnung der Hauptartillerie gab es zwar Entwürfe, aber letztendlich reichten wohl dafür die verfügbaren finanziellen Mittel und materiellen Ressourcen nicht aus.
Als 1941 der deutsche Angriff auf die Sowjetunion erfolgte, war die „Parizhskaja Kommuna“ das mit Abstand kampfstärkste Schiff im Schwarzen Meer. Doch bis auf einige Fahrten und Küstenbeschießungen nach bzw. vor Odessa, Sewastopol, Feodosiya und Kertsch im Sommer bzw. Ende 1941-Frühjahr 1942 gab es kaum Kampfeinsätze, stattdessen ging das Schiff bereits 1942 in die Werft von Poti zu notwendigen Reparaturen und zum Tausch der 305mm-Geschütze - etwa in dieser Zeit erhielt das Schiff auch wieder den alten Namen „Sewastopol“ zurück und zusätzliche Fla-Waffen kamen an Bord. Im weiteren Verlauf des Krieges trat die alte und neue „Sewastopol“ nicht mehr in Erscheinung, überstand diesen aber dafür auch ohne Schäden.
Obwohl alle sowjetischen Schlachtschiffe im Krieg zum Teil schwere Schäden davontrugen und nur wenig zum Sieg beisteuerten, blieben die zwei noch einsatzfähigen Einheiten („neben der „Sewastopol“ auch die „Oktjabrskaja Revoljucia“- ex. „Gangut“) noch bis 1956 im aktiven Dienst und wurden ab 1958 abgewrackt.
Unter dem Strich waren die 4 Schiffe der „Gangut“-Klasse nicht sehr gelungen und konnten niemals die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen, wohl zum Glück blieben ihnen Gefechte mit gleichstarken Gegnern verwehrt. Zudem banden sie in schweren Zeiten einen Großteil der ohnehin knappen Ressourcen Russlands bzw. der Sowjetunion.
Bausatz: Zvezda liefert in unregelmäßigen Abständen im Maßstab 1/350 Marinefahrzeuge aus der russischen Geschichte. So gibt es hier ein Schlachtschiff aus dem WK I. In der hervorragenden Verpackung befinden sich gut verpackt acht graue Spritzlinge mit 428 Teile, ein klarer Spritzgussrahmen mit vier Teilen, eine Papierflagge, ein Decalbogen und die übersichtliche Bauanleitung.
Die Bauteile haben die inzwischen überragende Zvezda-Qualität. Es gibt schöne Strukturen und schöne Details. Das Modell kann auch als Wasserlinienmodell gebaut werden. Dazu muss allerdings das Unterschiff abgetrennt werden. Der Rumpf wird innen mittels Schotten verstärkt. Interessant ist der Ständer aus Kunststoff. Dieser wirkt wie eine stark bewegte See.
Gut gelungen sind die Beiboote. Bei den schweren Geschützen gibt es leider keine hohlen Mündungen. Sicherlich liefert hier der Zubehörmarkt hier bald eine Alternative. Beim Zusammbenbau sollte man immer mal in die Bauanleitung schauen, denn hin und wieder müssen ein paar Bohrungen geöffnet werden.
Der Bemalungsplan ist leider etwas winzig und passt nicht zum restlichen Bausatz. Die Farbangaben sind für das Farbsystem von ModelMaster. Es gibt zwei Papierflaggen und einen tadellos gedruckten Decalbogen. Hier gibt es ein paar schöne goldene Namenszüge und den Adler.
Fazit: Zvezda hat hier in hervorragender Qualität ein Vorbild aus der russischen Geschichte als Modell herausgebracht. Für fortgeschrittene Modellbauer ist dieser Bausatz, der in Deutschland von Carson vertrieben wird, sehr zu empfehlen.
Literatur (Auswahl!):
„Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer 1905-1970“ von S. Breyer (ISBN: 3-88199-474-2); |
„Stalins Dickschiffe“ von S. Breyer (Marine-Arsenal, ISBN: 3-7909-0579-8). |
Vorbildteil: Holger Schimpf, Erfurt
Volker Helms, Godern (Oktober 2012)