Vorbild: Abweichend von der Roten Armee nutzte die Staatspolizei des NKWD keine klassischen Panzerzüge, sondern bevorzugte aufgrund ihrer Aufgaben die Verwendung von selbstfahrenden Triebwagen. Dieses Konzept stieß auch bei der Roten Armee auf Interesse. Sie beauftragte daher 1935 die Kirowv-Werke in Leningrad mit einem etwas größeren Entwurf, dessen Prototyp wohl 1936 geliefert wurde. 1937-38 wurde ein zweiter Triebwagen fertiggestellt. Von den ursprünglich vorgesehenen zehn Stück wurde keiner mehr ausgeliefert.
Versuche mit dem Prototypen begannen im März 1939, er wurde auch im Finnischen Krieg auf der Linie Viipuri-Viborg-Leningrad getestet. Da in den Kirow-Werken auch die Panzer des Typs T-28 gebaut wurden, verwendete die Entwurfsabteilung Teile dieses Panzers u.a. die elektrisch angetriebenen Türme für den Panzertriebwagen. Der 400 PS starke Benzinmotor des Typs M-17 erlaubte eine für diese Zeit mehr als ungewöhnliche Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h vorwärts und rückwärts. Mit seinen drei 76 mm Kanonen, 5 MG und einem 4-fach-Fla-MG hatte der Triebwagen, trotz seiner vergleichsweise kleinen Besatzung von knapp 40 Mann, fast die gleiche Kampfkraft wie ein klassischer Panzerzug. Über den Einsatz dieser Triebwagen habe ich nur rausgefunden das der MBW-2 No. 02 beim 14. unabhängigen Panzerzug-Bataillon der 23. Armee eingesetzt wurde. Bis 1942 wurde er mit den längeren 76 mm Kanonen L-11ausgerüstet und erhielt 1943 76 mm Kanonen und Blenden des T-34 und kam in dieser Form 1972 in das Panzermuseum Kubinka. Über Verbleib und Einsatz des Prototypen konnte ich leider nichts in Erfahrung bringen.
Bausatz: Sehr selten gibt es Jahre in denen man auch mit einem so exotischen Modellbaubereich wie Schienenfahrzeuge mal überlegen muss wie man seinen sauer verdienten Modellbauetat anlegt. Hobbyboss schickt sich an den deutschen Panzerzug von Armageddon auf's Altenteil zu schicken indem die Panzerzuglok schon mal um den Geschütz- und den Kommandowagen ergänzt wird. Bei modelcollect kommt man, nach Jahren der Ankündigung, mit der Auslieferung der SSym und SSyms Waggonmodelle in die Puschen. Und dann ergänzt UM seine nicht gerade kleine Reihe an sowjetischen Panzerzugwaggons und Panzertriebwagen noch um das Modell eines in lediglich zwei Exemplaren ab 1935/36 bei den Kirow-Werken in Leningrad gebauten Exoten.
Womit wir beim Modell des MBV-2 No.01 sind.
80 Plastikteile incl. der nötigen Schienen, verteilt auf neun Gußäste, acht davon in einem großen wiederverschließbaren Plastikbeutel. Eine Platine mit Ätzteilen, drei Drahtstücken für die Rahmenantenne, der kleine Decalbogen und die Teile für die dritte Achse des zweiten Drehgestelles sind separat in einem kleineren Plastikbeutel, ebenfalls wiederverschließbar, verpackt. Die Bauanleitung führt in elf Schritten auf acht Seiten durch den Bau des Modells. Von diesen acht Seiten widmet sich die erste einer kurzen Geschichte der Triebwagen und allgemeinen Tipps, die zweite zeigt eine Teileübersicht, die siebte und achte Seite widmen sich den beiden darstellbaren Ausführungen des Triebwagens, wobei die Zeichnungen im Maßstab 1/72 gehalten sind, auch wenn ich die Maßhaltigkeit nicht direkt prüfen kann, die Idee finde ich persönlich super.
Der Bau des Modelles wird mit den Drehgestellen beginnen. Hier hat UM wohl auch an Modellbauer gedacht die das Modell motorisieren wollen. Die Bodengruppe der Drehgestelle sind zwei große Ätzteile, die Achsführungen werden hochgebogen, Achse durchstecken, Räder ankleben; das ganze an zwei großen Ausschnitten an der Unterseite des Wagenkastens befestigen - fertig. Der Modelleisenbahner wird hier sicher Möglichkeiten finden motorisierte Drehgestelle einzubauen.
Da noch nicht gebaut lässt sich über die Passgenauigkeit noch nicht sagen. Sämtliche Aufstiege und Griffe sollen aus den beiliegenden Ätzteilen gebogen und aufgeklebt werden. Beim Original scheinen alle Griffe rund und direkt aufgeschweißt zu sein. Hier scheint Draht biegen und Löcher bohren angesagt zu sein, aber das ist letztendlich Geschmackssache. Die anderen Ätzteile dienen der Darstellung der Türen (welche leider nicht geöffnet darstellbar sind), der Lüftungsöffnungen und der Kupplungen. Abgesehen davon erwarte ich beim Bau erst mal keine Probleme.
Die beiden gemäß Bauanleitung darstellbaren Varianten zeigen einen der Triebwagen welcher 1937 dem Leningrader Militärdistrikt zugeordnet war, mit dem im Ospreys New Vanguard 140 ‚Armored Trains', abgebildeten senkrechten Streifenmuster und zwei in Schienenabstand über die ganze Länge des Triebwagen laufenden braunen Streifen. In ‚Armoured Trains' ist ein Foto eines der Triebwagen in Wintertarnung zu sehen, ebenfalls mit diesen zwei dunklen Streifen längs über den ganzen Triebwagen. Aus der Luft sollte so wohl der Eindruck erweckt werden das das Gleis frei ist. Die zweite darstellbare Variante zeigt einen der Triebwagen wie er 1941 in der Region Moskau eingesetzt wurde, in dem üblichen einfarbigen grünen Anstrich der Roten Armee.
Die Farbangaben beziehen sich auf das System von Humbrol Der kleine Decalbogen ist tadellos gedruckt.
Fazit: Auf den Bau freue ich mich schon. Nachtrag: Zwischenzeitlich ist unter der Nummer 675 die Variante mit den längeren Kanonen L-11 erhältlich.
Erhältlich sind die Bausätze von UM military technics im gut sortierten Fachhandel oder für Händler bei Glow2b.
Literatur:
Naval Institute Press - Armoured Trains - ‚An Illustrated Encyclopedia 1825-2016' - ISBN 978 1 59114 607 0; | |
Steven Zaloga, Osprey - New Vanguard 140 ‚Armored Trains' - ISBN 978 1 84603 242 4; | |
Wilfried Kopenhagen, Podzun-Pallas-Verlag - Waffen-Arsenal Sonderband S-36 ‚Sowjetische Panzerzüge und Eisenbahngeschütze 1917-1945' - ISBN 3-7909-0527-5. |
Roland Schmidt, Kornwestheim (Juni 2018)