Vorbild: Das Original war ein reinrassiges Kind des kalten Krieges. Die Sowjetunion sah sich angesichts der nuklearen Bedrohung durch die USA genötigt, ihrerseits ihre Möglichkeiten der nuklearen Kriegsführung auszubauen. Als Antwort auf die US-amerikanische, nuklearfähige M65 Haubitze, mit dem Spitznamen "Atomic Annie", entwickelten russische Ingenieure eine eigene "Atomkanone". Die M65 war bereits zu Anfang der 1950er Jahre auch in der Bundesrepublik Deutschland stationiert worden und stand somit unmittelbar an der Grenze des künftigen Warschauer Pakts, der 1955 gegründet wurde. 1956 war es dann soweit: das vom Grabin Konstruktionsbüro entwickelte Geschützsystem war mit dem vom Leningrader Kotlin Konstruktionsbüro entwickelten Chassis vermählt worden. Die Basis für die neue Selbstfahrlafette lieferte der letzte der schweren Panzer, der T-10M. Das neue Waffensystem erhielt die Bezeichnung 2A3, allerdings endete die Produktion bereits nach drei weiteren Fahrzeugen.
Westliche Beobachter konnten 1957, anlässlich einer Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau, einen ersten Blick auf die neuen Selbstfahrlafetten werfen. Sie hielten die neue Waffe für einen "Fake" wie es ein, nicht näher genannter, US-Amerikanischer Politiker wohl genannt haben würde. Nun ja, ein "Fake" waren sie nicht, aber allzu ernst musste man sie auch nicht nehmen, denn bereits Mitte der 60er Jahre wurden sie zugunsten der neuen und effektiveren Raketensysteme ausgemustert. Immerhin hat eines dieser ungewöhnlichen Fahrzeuge in einem Moskauer Museum überlebt und diente Trumpeter sicher als Vorlage für diesen unerwarteten Bausatz.
Bausatz: Es ist schon manchmal verwunderlich, was heutzutage so alles als Bausatz auf den Markt kommt. Nicht nur, dass sicher viele Militärmodellbauer noch nie von diesem Fahrzeug gehört haben, nein, das Original ist auch nur viermal gebaut worden. Zum scharfen Einsatz ist es glücklicherweise auch nie gekommen. Warum also einen Bausatz davon herstellen? Nun, vielleicht einfach nur deshalb, weil die Hersteller immer weiter Neuheiten produzieren müssen und wollen. Der Aufwand für Recherche und Entwicklung ist dabei oft immens, warum also nicht solche Fahrzeuge abbilden, an denen man direkt messen kann, weil sie im Museum stehen? Und wenn man schon einen solchen Aufwand betreibt, wie Trumpeter es für seinen T-10M Bausatz getan hat, dann macht es natürlich auch Sinn, nach weiteren Verwendungen für diese Daten zu suchen. Wie auch immer, Trumpeter hat sich wieder einmal eines wirklich raren Objekts angenommen und einen sehr umfangreichen Bausatz (737 Plastikteile, 81 Ätzteile, eine Abschlepptrosse aus Kupferdraht, Garn, ein Abziehbild) erstellt, den wir uns jetzt genauer anschauen wollen.
Das Fahrzeug ist unglaublich detailreich erstellt worden. Ganze 25 Baustufen führen zur fertigen Lafette, bevor man auch nur mit dem Bau des Geschützes begonnen hat. Das Laufwerk besteht nicht allein aus einzelnen Laufrollen, die auf irgendwelche angespritzte Achsen aufgesteckten werden. Es müssen erst noch viele Kleinteile an die Wanne angebaut werden, bevor die Laufrollen zum Einbau gelangen. Erst nach zwölf Baustufen darf man an den, etwas langweiligen, Zusammenbau der insgesamt 202 Einzelkettenglieder gehen, die man, zur Kette zusammengefügt, dann aber auch sehr schön durchhängen lassen kann.
Fotoätzteile kommen unter anderem beim Bau der Motorraumabdeckung als Lüftergitter zum Einsatz und erhöhen den Detailgrad natürlich deutlich. Die gezwirbelte Kupferlitze bekommt hier ihre Abschleppaugen und wird um zwei Spaten herum "drapiert" und wird sicher auch sehr überzeugend aussehen.
Viele Bauteile wurden wieder mittels gleitender Formen erstellt. Die einteilige Fahrerkabine zeugt ebenso davon, wie viele Details an sonst unzugänglichen Stellen oder der Schutzkorb um den Scheinwerfer herum. Letzterer liegt aber auch als flaches Fotoätzteil bei. Um dieses in die korrekte Form bringen zu können, hat Trumpeter sogar eine Biegehilfe erstellt. Löblich!
Trumpeter möchte bei diesem Bausatz viele Baugruppen beweglich verbaut sehen. So soll zum Beispiel die Einstiegsleiter zur Fahrerkabine klappbar oder die Hydraulikzylinder der Lafette beweglich bleiben. Man muss mal den Bau abwarten, ob das alles so funktioniert und sinnvoll ist.
Das Geschütz ist ebenfalls erstklassig detailliert. Sogar den Verschlussdeckel soll man beweglich verbauen können. Durchblicken kann man dann aber nicht, denn das Rohr ist innen mehrfach unterteilt. Hoffentlich macht bald jemand ein gedrehtes "Ersatz"Rohr aus Metall. Trumpeter sieht eine Abdeckung für die Mündung vor, sodass der nicht vorhandene "Durchblick" keine Rolle spielt. Um das Fahrzeug im Einsatz zeigen zu können, bedürfte es ja auch noch eines Projektils und vor allem einer Geschützbedienung. Da es die (noch?) nicht gibt, stellt man das Fahrzeug vielleicht besser im "Parademodus" dar und dazu passt die Mündungskappe bestens.
Der Ladekran ist ein kleines Modell für sich. Er ist hervorragend detailliert. Auch Ätzteile kommen hier zum Einsatz. Lediglich das fusselige Garn würde ich nicht verwenden. Ich empfehle die, auf einer kleinen Reeperbahn, links oder rechts geschlagenen Takelgarne von Andreas Gondesen. Die sind aus Polyester, vollkommen fusselfrei und sehen, in der grauen Variante, wirklich sehr überzeugend wie ein Stahlseil aus.
Bemalung: Der Plan zeigt ein einfarbig grünes Fahrzeug. Was anderes gab es sicher auch nicht. Dennoch hat Trumpeter übersehen, dass der Bereich des Rohrrücklaufs blank gewesen war, also nicht grün lackiert werden darf. Das ist nur im Museum so. Wer etwas "Farbe" ergänzen möchte, kann ja weiße Zierlinien an den Schutzblechen über dem Laufwerk anbringen und/oder auch die Radnaben ebenfalls weiß oder rot lackieren, wie es eben gut zu einem Paradeeinsatz passen würde.
Das einzige Abziehbild stellt die Instrumente in der Fahrerkabine dar und ist sauber gedruckt worden. Es wird sicher seinen Zweck gut erfüllen.
Fazit: Der vorliegende Bausatz ist wirklich sehr beeindruckend und ausgesprochen umfangreich. Über 500 Plastik-Bauteile, ohne die Kettenglieder gerechnet, das ist schon was. Von den 81 Ätzteilen ganz zu schweigen. Das nicht durchgängig hohle Geschützrohr ist allerdings ein Manko, finde ich. Ab ca. € 65,- aufwärts, inklusive Porto & Verpackung, muss man für diesen Bausatz hinblättern und das empfinde ich nicht als zu viel. Der 2A3 "Kondensator" Bausatz verspricht viel Bastelspaß und ein tolles Endergebnis ist daher zu erwarten.
Zu beziehen ist dieser Bausatz im gut sortierten Fachhandel.
Olaf Krabbenhöft, Hamburg (August 2018)