Vorbild: Gegen Kriegsende wurden noch diverse radikale Projekte entwickelt um die inzwischen aussichtslose Lage doch noch abzuwenden. Dabei tauchte unter anderem auch die Idee auf, die gefürchteten "Vergeltungswaffe" Fieseler Fi 103 bzw V1 in bemannter Version mit dem Namen "Selbstopfer Rakete" einzusetzen. Die Grundidee wurde später von den Japanern unter der Bezeichnung "Kamikaze" tatsächlich umgesetzt.
A. Raketengrundkörper
Das deutsche Projekt wurde als Projekt Reichenberg entwickelt, wobei neben zweisitzigen Trainingsausführungen auch einige Einsatzversionen Re-4 fertig gestellt werden konnten. Besondere Bekanntheit erlangte diese Waffe auch daher, dass diese von der Testpilotin Hanna Reitsch erprobt wurde. Da das Grundkonzept sehr interessant erschien, wurden einige der aufgefundenen Reichenberg Raketen von den Siegermächten abtransportiert und nach eingehendem Studium in vergleichsweise gutem Zustand in Museen überführt worden.
B. Flügel und Luftzufuhrabdeckung des Triebwerks
Bausatz: Die Reichenberg 4 wurde bis vor kurzem lediglich von der Firma Bronco im großen Maßstab 1:35 angeboten. Dabei hat man den Bausatz nur mit Minimalaufwand unter Verwendung der unbemannten Standardversion umgesetzt und einige der Besonderheiten der Reichenberg nicht richtig wiedergegeben. Ebenso liegt der passende Transportkarren 76A bei, der auch grobe Fehler aufweist.
C1. Kleinteile für Pilotenbereich
Mit Erscheinen des neuen Bausatzes von Special Hobby - im Maßstab 1:32 - findet man nun einen wirklich stimmigen und sehr schön detaillierten Bausatz der Re-4. Dies betrifft auch den ebenso beiliegenden Transportkarren.
C2. Teile für Transportkarren
Die vier in grauem Plastik ausgeformten Spritzgussäste liegen in einem stabilen Stülpkarton und werden durch einen kleinen Ätzteilebogen sowie einen Abziehbilderbogen bereichert.
Nach Studium der Bauanleitung und der Einzelteile bin ich von diesem Bausatz echt beeindruckt. Man hat sehr gut recherchiert und bietet nun einen perfekten Arbeitsplatz für den Piloten an. Anscheinend hat man unter Verwendung von existierendem Referenzmaterial die Steuereinheit sowie die Details in der Kabine sehr gut nach empfunden und auf die Leitungen wird auch noch in der Bauanleitung eingegangen. Entsprechende Details findet man auch auf den Innenseiten der Rumpfteile. Sitzgurte liegen als Ätzteile bei.
Ein Höhepunkt ist der vordere Bereich der Raketenturbine. Dieser wird durch vier separate Teile optimal dargestellt. Ebenso lobenswert ist die Idee, dass man drei unterschiedliche Abdeckungsoptionen für die Raketennase erhält, die auch mit Referenzbildern belegt werden können. Alle Oberflächenstrukturen sind mit sauberen Gravuren stimmig wieder gegeben, wobei man ein korrektes Seitenleitwerk findet, das bei der Re-4 etwas größer war als bei der V1. Die Steuerruder an den Tragflächen liegen als separate Teile bei und beide Tragflächen können entweder im montierten oder Transportmodus dargestellt werden. Dafür liegen auch die passenden Halterungen bei, die mit PE Streifen angebracht werden können. Tolle Idee! Die Klarsichthaube ist stimmig und aus hochtransparentem Material - eventuell etwas zu dick. Mir ist dabei aufgefallen, dass im Bauplan vergessen wurde darauf einzugehen, das beiliegende Panzerglas einzubauen.
Klarsichthaube mit Panzerschott
Sehr schöne Idee auch hier, das langes Rohr mit dessen Hilfe die beiden Flügel mit dem Raketengrundkörper verbunden wurden, im Transportmodus auf dem Karren montiert darstellen zu können.
Bei den Teilen der Re-4 finde ich alles, was man benötigt, um ein überzeugendes Modell zu bauen. Zwei Dinge sind mir dennoch aufgefallen: Zum einen fehlt die Zündkerze oben auf dem Triebwerk, mit der der Pilot gezielt starten konnte und zum anderen die Neigungswinkelstreifen als Abziehbilder, die seitlich an der Pilotenhaube angebracht waren. Beides kann aber problemlos erstellt werden.
Die Teile für den Transportkarren 76A sind ebenfalls super. Hier hat man die Fehler des Bronco Bausatzes nicht kopiert sondern alles richtig gemacht. Dies betrifft die Gestaltung des Hauptrahmens, der aus zwei Teilen besteht, die im Original mittig ineinander gesteckt werden konnten. Außerdem wurde die Lenkung des Karrens richtig wieder gegeben. Wer hier noch weitere Details anbringen will, kann noch den Arretierstift anbringen, mit dessen Hilfe in der Regel die hintere Achse in "Gerade-Aus-Position" fixiert wurde.
Bauanleitung/Bemalung: Als Anleitung liegt ein farbig gedrucktes Heft bei in dem auf 12 Seiten der Bau übersichtlich und nachvollziehbar beschrieben wird. In jedem einzelnen Abschnitt findet man auch Farbangaben mit Referenz zu der Farbpalette von Gunze. Für die Bemalung findet man am Ende der Bauanleitung drei unterschiedliche Varianten, die so belegt werden können. Für die Anbringung der Abziehbilder ist ebenfalls eine Seite im Bauplan enthalten, die darauf eingeht, wo alle kleinen Beschriftungen am Modell hingehören.
Fazit: Ein perfekt gemachter Bausatz - ohne wenn und aber. Ohne Vorbehalt zu empfehlen.
Zu beziehen ist dieser Bausatz im gut sortierten Fachhandel oder für Händler bei glow2b.
Gert Brandl, Berlin, Februar 2019