Vorbild: Der HFB 320 Hansa Jet war ein deutscher Flugzeugentwurf für ein zweistrahliges Geschäftsreiseflugzeug aus den 1960-er Jahren. Es war das erste in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg entwickelte und bei den Hamburger Flugzeugwerken gebaute zivile Flugzeug. Mit nur 45 gebauten Exemplaren war es allerdings kein nennenswerter wirtschaftlicher Erfolg. Das Flugzeug wies zwei Besonderheiten auf: zum einen verfügte es als eines der wenigen kommerziell gebauten Flugzeuge über eine negative Flügelpfeilung (nach vorne), und zum anderen war es mit einem Bremsschirm im Heck ausgerüstet, wie man es sonst nur von Kampfflugzeugen kennt.
Die Luftwaffe übernahm 16 Maschinen, von denen acht in einer weiß-blauen Lackierung bei der Flugbereitschaft für VIP-Transporte in Köln sowie bei der Erprobungsstelle 61 in Manching eingesetzt wurden. Die anderen flogen als ECM-Maschinen mit einem in drei Grautönen gehaltenen Tarnanstrich beim JaboG 32 in Lagerlechfeld. Die letzten Maschinen musterte die Bundeswehr 1994 aus, der letzte zivile Flug fand 2004 in den USA statt und endete mit einem tödlichen Absturz in den Missouri River kurz nach dem Start. Dies war der 9. Totalverlust dieses Flugzeugtyps, wobei auch die Luftwaffe selber 1976 eine Maschine nach einem Zusammenstoß in der Luft mit einem Fiat G-91 Trainer verlor.
Heute kann man einige überlebende Exemplare in Museen und als Ausstellungsstücke im Freien besichtigen. So befindet sich eine ECM-Maschine, die Gegenstand dieser Bausatzbesprechung ist, im Luftwaffenmuseum in Berlin-Gatow.
Bausatz: Der Bausatz stammt von einer mir bisher unbekannten ukrainischen Firma, die aber in Beziehung zu dem viel bekannteren Hersteller Amodel steht. Das Modell wird in einer etwa DIN A-4 großen, stabil wirkenden Schachtel ausgeliefert. Auf dem gelungenen Deckelbild ist der Hansa Jet im Landeanflug vor einem bewölkten Himmel dargestellt. Nach dem Öffnen präsentiert sich der Bausatz sorgfältig verpackt in drei wiederverschließbaren Plastiktüten. Die erste enthält die in einem mittleren Grau abgespritzten Gussäste, eine kleinere Tüte die Klarsichtteile und eine dritte ganz kleine beinhaltet einen Bogen mit Fotoätzteilen und vorgeschnittenen Masken. Dazu kommt die in schwarz/weiß gehaltene Bauanleitung, ein farbiger Bogen mit einer Darstellung der anspruchsvollen Lackierung sowie die Abziehbilder.
Das Modell wird aus 187 Bauteilen erstellt, wobei für die ECM-Variante nicht alle benötigt werden. Es sind insgesamt neun Gussrahmen vorhanden, acht graue und ein Klarsichtrahmen mit den Fenstern und den Landescheinwerfern bzw. den Kollisionswarnleuchten. Hat man alles zusammengebaut, so bekommt man ein Modell das größenmäßig etwa einem WK.II-Jäger in 1:48 entspricht: Länge 232mm und eine Flügelspannweite von 202mm.
Die Plastikteile machen sowohl gusstechnisch (keine Fischhaut), als auch detailmäßig mit wunderbar glatten und detaillierten Oberflächen, versehen mit vielen versenkten, filigranen Panellinien, einen sehr guten Eindruck. Die Jungs und Mädels aus der Ukraine beherrschen ihr Handwerk und liefern dem Modellbauer einen Bausatz, der sich vor der fernöstlichen und tschechischen Qualitätsware nicht verstecken muss.
Die Klarsichtteile sind leider nicht ganz auf demselben Niveau, aber immer noch ausreichend gut. Man könnte ein wenig nachpolieren und dadurch die Oberflächen verbessern, aber die außerdem vorhandenen leichten Verzerrungen bekommt man nicht weg. Bei der Cockpitverglasung gefällt, dass die Fenster mit einem Stück Rumpf daherkommen. Dadurch wird leichter verhindert, dass Klebstoff an die Klarteile gerät. Schön auch, dass die gesamten äußeren Flugzeugbeleuchtungen in Klarglas gehalten sind.
Der kleine Fotoätzteilbogen mit 26 Teilen ist für die umfangreichen Sensordarstellung, Triebwerksdetaillierung und die elektrostatischen Ableiter an den Hinterkanten gedacht. Die beiliegenden Masken sind bereits vorgestanzt und sollen die Fensterflächen beim Lackieren schützen.
Bauanleitung/ Bemalung: Die erste Seite der Bauanleitung enthält unter anderem einen kurzen Abriss der Entstehungsgeschichte des Hansa Jet und eine Aufzählung der Humbrol-Farbtöne. Die zweite Seite stellt den Schachtelinhalt vor und zeigt auch, welche Teile für die zu bauende Version benötigt werden. Auf den verbleibenden Seiten ist dann der Bau des Modells in elf Schritten dargestellt. Als besonders Bonbon ist auf jedem einzelnen Abschnitt die Nummern der zu verbauenden Teile aufgeführt. Die Bauskizzen sind groß und sehr eindeutig, jegliches Rätselraten entfällt.
Auf einem Farbblatt sind der komplexe Tarnverlauf und die Position der Abziehbilder dargestellt. Es gibt vier verkleinerte Ansichten des Modells zu sehen, einmal von oben und von unten, sowie von links und rechts. Perfekt!
Auf einem kleinen, auf hellblauem Trägerpapier gedruckten Blatt befinden sich die wenigen Abziehbilder. Neben den Instrumenten für das Armaturenbrett sind das die Hoheitszeichen, die taktische Nummer, das Staffelsymbol und die Walkways für die Tragflächen, aber keine Stencils. Der Druck sieht sehr gut und scharf aus.
Fazit: Die Modellflut der letzten 15 Jahre hat auch ihr Gutes: Nischenhersteller bringen Modelle heraus, die bis vor einigen Jahren noch undenkbar waren. Wer hätte allen Ernstes vor 20 Jahren damit gerechnet, ein Modell der HFB 320 Hansa Jet jemals in Händen zu halten? Von diesem Flugzeug wurden gerade Mal 45 Exemplare gebaut. Vielleicht als sündhaft teures Vakuummodell voller Unvollkommenheiten, ja, das wäre denkbar gewesen. Aber für unter 30€ ein detailliertes Modell mit einer zeitgemäßen Oberflächengestaltung, Fotoätzteilen und Masken?
Sicher, auch dieser Bausatz bietet noch Raum für die "After-Market"-Produkte. So ist die Cockpiteinrichtung zwar recht komplett, aber doch stark vereinfacht. Die obligatorischen Sitzgurte fehlen, die Seitenkonsolen sind ohne Struktur, auch die Klarsichtteile sind eben typisch short-run und können es nicht mit japanischen oder neueren europäischen Produkten aufnehmen. Aber das ist Jammern auf erfreulich hohem Niveau.
Für jede ernst zu nehmende Sammlung von Modellen der Bundesluftwaffe ist dieser Bausatz ein Muss. Und da nur jeweils 3 x 450 Exemplare produziert wurden, sollte jeder Interessierte nicht lange zögern. Absehbar, dass man später in der elektronischen Bucht dafür Liebhaberpreise wird bezahlen müssen.
Erhältlich bei gut sortierten Modellbauhändlern oder für Händler bei Glow2B www.glow2b.de.
Dieter J. Schiller, Uwe Christiansen, BA Modellbau im VdRBw e.V., Landesgruppe Berlin (Dezember 2018)