Vorbild: Neu ist die Idee eines Tilt- oder Kipprotorflugzeuges nicht. Schon in den 1950er Jahren wurden Experimentalflugzeuge von Bell oder Ryan entworfen, die vor allem als taktische Transportflugzeuge für Kurzstart und -landung gedacht waren. In den frühen 1980er Jahren wollte vor allem das U.S. Marine Korps ein Modell haben, das auf den Dock/Landungsschiffen, wie die U.S. Tarawa, untergebracht werden konnte. Es sollten taktische Militärtransporter sein, die sowohl für den Truppentransport, als auch für Sanitäts- und Rettungseinsätze geeignet waren.
So kam das Projekt Kipprotor wieder ins Gespräch. Die Firma Bell, die inzwischen zu Boeing gehörte, entwickelte die ersten Maschinen. Nach langen politischen und finanziellen Problemen, zu denen auch noch zwei Abstürze von Prototypen kamen, der zweite Absturz kostete sieben Menschenleben, wurde 1989 das gesamte Programm Osprey (Fischadler) unter Verteidigungsminister, Dick Cheney, erst einmal auf Eis gelegt. 1993 entschied der amerikanische Präsident, Bill Clinton, aber die Arbeiten an der Osprey wieder aufzunehmen. Ab 2005 wurden die ausgereiften Boeing/Bell MV-22 dem amerikanischen Marine Korps übergeben.
Die erste mit Osprey ausgerüstete Einheit war die VMM-263, die mit der Maschine 2007 die ersten Einsätze im Irak flog. Technisch betrachtet, vereinigt das Schwenkrotorflugzeug einen Hubschrauber beim Senkrechtstart und Landen mit der konventionellen Flugeigenschaft eines normalen Turbopropflugzeuges. Um auf den Schiffen Platz einzusparen, kann die gesamte Tragfläche über 90 Grad über die Rumpflänge geschwenkt werden. Für den Antrieb sorgen bei den jetzigen Ausführungen zwei Rolls-Royce Allison T406/ AE1107C Triebwerke. Bewaffnet wird die Osprey bei Bedarf mit einem 7.62mm M240G Maschinengewehr, einem 0.50inM2 Maschinengewehr oder einer sogenannten 7.62mm Minigun GAU-17. Außerdem verfügt die Osprey über eine Luftbetankungssonde, einen Nachtsichtgeräteturm unter dem Bug sowie weitere elektronische Ausrüstungskomponenten. Inzwischen ist die VM-22 auch bei der japanischen Luftwaffe/ Marine im Einsatz.
Bausatz: Gleich zu Anfang sei darauf hingewiesen, dass die Bausatzteile in dem üblichen, aber neu gestalteten Faltkarton, einem Italeribausatz von 1989 entsprechen. Es war dasselbe Jahr, als der fertige Prototyp des Originals zum ersten Mal abhob. 1996 gab es dann eine Neuauflage, dem der Bausatz von Revell entspricht.
Inwiefern nun der Bausatz, den Revell noch zum Jahresende 2015 in die Händlerregale brachte, dem neuesten Muster der Osprey entspricht, ist nicht so einfach festzustellen. Auf alle Fälle sind die 124 Teile des Modells nicht schlecht detailliert und die wichtigsten elektronischen Teile, wie das FLIR-Gerät, sowie weitere Ausrüstungen, die für ein adäquates Modell notwendig sind, sind vorhanden.
Um den Frachtraum offen zeigen zu können, sollte man mindestens im hinteren Bereich des Rumpfes eine Decke einziehen. Ansonsten geht alles so, was auch die Ausrüstung für das Cockpit anbelangt. Die Gravuren sind allerdings dem Alter des ursprünglichen Modells entsprechend erhaben ausgeführt. Der normale Modellbauer und auch der Einsteiger in diesem Hobby wird damit leben können. Der Profi wird zu dem sehr preiswerten Bausatz greifen und sein Können beim Gravieren und Detaillieren zeigen.
Bemalung: Revell schlägt eine VM-22C der "Black Knights" , also der schwarzen Ritter, des U.S. Marine Korps aus dem Jahre 2013 vor. Dafür gibt es eine diesmal nicht so übertriebene Sondermarkierung für die Seitenleitwerke. Decals für die Gestaltung im Cockpit hätte ich mir auch gewünscht.
Fazit: Eine preiswerte Alternative zu den Hasegawabausätzen.
Unser Dank geht an Revell für das Muster.
Jürgen Bauer, Berlin (Dezember 2015)