Vorbild: Obwohl die Entstehungsgeschichte der He 111 eigentlich hinlänglich bekannt sein dürfte, möchte ich diese dennoch kurz ansprechen, da in letzter Zeit immer öfter ungenaue Berichte erschienen sind. In zeitgenössischen Berichten wurde aus Gründen der Tarnung von zunächst rein zivilen Verkehrsflugzeug-Entwürfen gesprochen, die anschließend (wie von vornherein schon insgeheim geplant), ohne großen Aufwand problemlos in Kampflugzeuge umgewandelt werden konnten. Die He 111 war nach heutiger Lesart von vornherein in ihrer Grundkonstruktion a u c h als Bomber konzipiert worden. Sicherlich ändert diese Sichtweise letztlich nicht viel, da die vollständige "Wahrheit” heute höchstwahrscheinlich sowieso nicht mehr eindeutig belegbar sein dürfte. Nichtsdestotrotz behielt dieses Bombenflugzeug zeitlebens, sozusagen als Erbe bzw. Zugeständnis des "zivilen” Ursprungs, jene symptomatischen Fensterreihen, die an seinen Einsatz auch als Airliner erinnerten, bei. Obwohl dieses Baumuster als Bomber umfangreicher denn als Passagierflugzeug genutzt wurde.
Mit Beginn der vierziger Jahre veraltete die Heinkel He 111 zunehmend. Da sie aber selbst durch die jüngere Junkers Ju 88 als Standard-Bomber nicht vollständig ersetzbar war und es mit dem Nachfolgemuster Heinkel He 177 große Schwierigkeiten gab, musste das He-111-Bauprogramm gezwungener Maßen weitergeführt werden. Der Grundentwurf ließ sich aber nicht in der geforderten, bzw. notwendigen Weise verändern, so dass bei nachfolgenden Baureihen nur wenig bedeutende Verbesserungen eingeführt wurden. Auch der hauptsächliche Schwachpunkt, die zu schwache Rundum-Verteidigung, welche ohne einen Heckturm einfach nicht effektiv verbessert werden konnte, blieb bestehen. Daneben war auch die Höchstgeschwindigkeit ab 1940 nicht mehr ausreichend, um gegen alliierte Jäger bestehen zu können.
Nach verlustreichen Einsätzen gegen England mussten Tageseinsätze an der Westfront ganz eingestellt werden. Auch an der Ostfront kam nur wenige Zeit später das unvermeintliche Ende für diese aerodynamisch nahezu perfekt gestaltete Maschine, welche zugleich aber auch robust genug war, um selbst mit schweren Beschussschäden flugfähig zu bleiben. Das Kampflugzeug war grundsätzlich ein guter Entwurf, der eine außergewöhnlich leichte Steuerbarkeit aufwies und dessen modern gestaltetes Cockpit nach außen eine sehr gute Sicht erlaubte. Dies machte die He 111 bei den Besatzungsmitgliedern sehr beliebt.
Die wichtigsten Baureihen dieses, aufgrund der typischen elliptischen Linienführung insbesondere des Seitenleitwerks als "Spaten" bezeichneten Arbeitspferdes oder besser noch Rückgrats der Luftwaffe-Bomberflotten, waren die H-6 und die modernisierte H-16. Die dazwischen liegenden Versionen waren eher geringfügigere Abwandlungen der wenigen weiteren Hauptvarianten für besondere Einsatzzwecke.
Die nachfolgend besprochene H-6-Baureihe war als Torpedobomber konzipiert, glich abegesehen von der Ausrüstung für den maritimen Einsatz fast völlig der H-4-Serie, die wiederum weitestgehend der H-1-Version entsprach. Aufgrund des mehr oder minder eingeschränkten militärischen Bedarf flogen allerdings etliche, wenn nicht die meisten H-6-Maschinen tatsächlich in der Praxis oft als herkömmlicher Bomber. Nichtsdestotrotz hatten die mit zwei Torpedos bewaffneten Flugzeuge augrund einiger respektabler Erfolge gegen alliierte Schiffskonvois einige Male für eine gewisse Aufmerksamkeit bei Freund und Feind gesorgt. Obwohl diese besondere Variante zum Einsatz über dem Meer mengenmäßig nicht besonders stark verbreitet war.
Bausatz: Revells vorletzter Heinkel He 111-Bausatz, der mittlerweile neu längst nicht mehr angeboten wird, und sich wohl auch schwerlich selbst in den hintersten Ecken oder Nischen der Verkaufsregale einschlägiger Fachgeschäfte oder Spielwarenläden finden lässt, erlebte erst kürzlich, d.h. 2010, ein vollkommen unerwartetes und unspektakuläres Comeback. Damit hatte allerdings Niemand gerechnet, da seit Erscheinen des aktuellen Revell He 111-Kit (Art.-Nr. 04377), der ja wie allgemein bekannt ist mit dem von Hasegawa identisch ist, bei weitem noch nicht die ansonsten bei Revell eigentlich übliche Zeitspanne verstrichen war.
Was auch immer die Gründe gewesen sein mögen, es ist nun aufgrund des "Battle of Britain"-Geschenksets von Revell, worin u a. auch der Heinkel-Bomber erhalten ist, wieder möglich diesen Bausatz problemlos zu erwerben.
Hierbei handelt es sich zweifellos um eines der besseren Produkte, die ihren Ursprung, den Gussformen der ehemaligen britischen Firma FROG verdanken. Dies macht es auch erklärlich, weshalb dieser Bausatz seit den späten Siebzigern im Sortiment Revells geführte wird. Lediglich einige Male in den Deckel- sowie auch Abziehbildern verändert, ist der Bausatz d u r c h g ä n g i g bis Mitte der Neunzigerjahre des letzten Jahrtausends angeboten worden. Durch den Aufkauf der Formen erweiterte Revell den eigenen Bestand an Bausätzen von Millitär-Flugzeuge der ehemaligen deutschen Luftwaffe beträchtlich, wodurch man auf den bis dato vertriebenen Vorgänger, d. h. den selbst heute noch von Italeri angebotenen, damals noch den alten Firmennamen "Italerei" tragenden He 111-Bausatz, verzichten konnte.
Das Frog-Produkt ist nicht viel schlechter als das seinerzeit beste im 1/72er Maßstab erhältliche He 111-Modell (von Italeri). Dieser zweite Bausatz der He 111 von Revell ist unbestreitbar eine gelungen Wiedergabe des deutschen WK II-Bombers, dessen Konzeption stimmt nicht nur weitestgehend mit jener des Italeri-Modell überein, sondern diente wahrscheinlich auch seinerzeit den italienischen Designern als eine Art Vorlage. Zumindest auf den ersten Blick, findet man an den Spritzlingen daher keine bedeutenden Unterschiede in der allgemeinen Teile-Gestaltung beider Bausätze. Selbst die vorhandenen Klarsichteile ähneln sich in Anzahl und Formgebung auffällig.
Es gibt zwar keine Dreingabe an schweren Bomben als Außenlast, dafür sind aber die zwei recht authentisch geformten Torpedos vorhanden, womit möglicherweise ein weiterer Verdachtsmoment erwächst das der Italeri-Bausatz tatsächlich stark vom Frog-Modell beeinflusst worden war. Verschiedene Maschinenwaffen, wie die fünf MG 15 und das obligatorische MG FF für die Bola sind selbstverständlich auch vorhanden. Genausowenig wurde das wahlweise einzubauende, eigentlich aber He 111 H-6 typische, fernbedienbare MG 17 für den Heckkonus vergessen. Abgesehen davon verzichtete der Ex-Frog-Bausatz (endlich) auf alle beweglich zu montierenden Ruderflächen oder – Blätter. Es liegen diesmal auch verschieden geformte Besatzungsfiguren bei, wie sonst bei den Kits dieses vergangenen britischen Herstellers eigentlich nicht üblich. Mit den reichhaltigen taktischen Markierungen nebst Wartungshinweisen und Warnsymbolen besaß der Baukasten also zweifellos vollkommen zeitgemäße Decals, die in gewohnt hoher Qualität gedruckt worden waren. Gleiches gilt für die übersichtlich strukturierte und in 29 einzelne Bauabschnitte aufgeteilte Bauanleitung ... wenn der verantwortliche Grafiker seinerzeit gerade nicht bei den nützlichen Dreiseiten-Skizzen am Schluss, die beiden Draufsichten der zwei darstellbaren Maschinen miteinander vertauscht hätte.
Bei den für den Cockpitinnenraum empfohlenen Farbton "Basaltgrau", ist ihn dann allerdings kein Fehler unterlaufen, wie es bei dem aktuellen neuen Bausatz mit "Graugrün" der Fall ist. Auch alle weiteren Hinweise zur authentischen Bemalung des Modells sind nachweislich korrekt, da die erwähnten Flugzeuge auf Bildern in der reichhaltig existierenden Fachliteratur eindeutig belegt sind. Allerdings dürften die Spinner der KG 26-Maschine in Wirklichkeit, eher gelb gewesen sein. Erwartungsgemäß gibt es aber leider auch noch ein paar substantieller Schwachstellen aufzulisten.
Ein He 111 typisches, oder zumindest, etwas vereinfachtes Cockpit dieses Typs, gibt es bei Frog definitiv nicht. Führersitz und Cockpitboden ähneln in keiner Weise dem Vorbild. Nur das Steuerhorn nebst Säule ist authentisch gestaltet worden. Auch die vorhandenen Gerätekonsolen entsprechen in ihrer Form kaum einer He 111, da sie korrekterweise ja an den Wänden, anstatt wie hier, vor dem Steuerknüppel platziert worden sein müssten. Auch die ein klein wenig erhaben ausgeformten Steuerpedale sind dem Ziel einer Ausgestaltung eines einigermaßen realistisch wirkenden Cockpits, eher schädlich als nützlich einzustufen. Der B-Stand ist ebenfalls äußerst karg ausgestaltet worden, woran die Unterbein- und Vorderarmamputierte Figur des Schützen sicherlich die Hauptschuld trägt. Lässt man sie deshalb aber weg, bleibt im Rumpfrücken nur ein Loch, an dessen Rand man frei Hand das MG 15 ankleben soll. Das kommt dann eher schon der sehr einfachen Ausführung des weit älteren Airfix-Bausatzes nahe, der allerdings mehr Ähnlichkeit mit dem Vorbild an dieser Stelle aufweist, da es dort ja einen mittels Plexiglaskuppel abgedeckten Drehturm gibt.
Von diesen Ungereimtheiten abgesehen gibt es aber auch viel Positives zu erwähnen. So verwendete Frog schon damals, zur Montage der Tragflächen, eine vertikale Traverse. Welche nicht nur die Flügel besser an den Rumpfhälften zu fixieren hilft, sondern nebenbei in frappierender Weise auch noch sehr jener Konstruktion der Hasegawa He 111 ähnelt. Allerdings gibt es sie hier nur in einfacher statt in doppelter Ausführung, wie in dem Bausatz aus Japan. Unter den Einzelteilen findet sich auch der Stab der Schleppantenne, der unten aus der Bola ragt, welcher beispielsweise bei Italeri fehlt. Auch akkurat nachgebildete sind die typische Ruderhörner für das Seitenleitwerk. Für das eher komplexe Hauptfahrwerk der 111 liegen alle Streben bei, die man beim Bausatz aus italienischer Fertigung laut Anleitung selbst anfertigen sollte. Sogar ausgeformte Radschächte sind vorhanden, wenn auch ohne Oberflächendetails ausgestattet.
Abschließend dürfen einige weitere Mängel nicht unerwähnt bleiben:
Alles Andere bei diesem Bausatz ist dann aber vorbildlich und auch wirklich auf immer noch zeitgemäßem Niveau. Alle Teile weisen wenig Grat und/oder Fischhaut auf. Die Klarsichtteile sind recht durchsichtig und auch optisch einigermaßen verzerrungsfrei gespritzt. Sink-Stellen lassen sich keine finden, lediglich ein paar unbedeutende Auswurf-Markierungen stören den vorbildlichen Gesamteindruck. Allerdings sind viele Kleinteile, aber auch z.B. die Tragflächen äußerst eng an die Spritzrahmen platziert worden, womit selbst der feinste Seitenschneider gar nicht mehr zwischen Ast, Angusssteg und Teil angesetzt werden kann. Somit wird das Abschneiden der z.B. filigranen MGs zu einem regelrechten Vabanque-Spiel. Hat man aber alles vorsichtig abgetrennt bemerkt man, dass dieser betagten Bausatz eine, unerwartet gute, ja nahezu perfekte Passgenauigkeit aufweist. Der ausreichend starke Karton ist fast schon etwas zu voluminös für die drei Spritzlinge geraten. Aber da alles in Folie eingeschweißt wurde entsteht glücklicherweise keinerlei größere Gefahr des ärgerlichen Schüttgut-Effekts aufgrund der an den Stirnseiten zu öffnenden Schachtel.
Fazit: Dieser Bausatz ist also gewiss kein typischer überalterter Veteran, sondern viel mehr immer noch ein ansehnliches Einsteigermodell das keinerlei bösen Überraschung bereithält und nicht nur jedem Beginner Freude bereiten kann, sondern auch all den Experten da es eigentlich ohne große Probleme als Basis für ein selbst erweitertes Individualmodell verwendet werden kann. Als Anreiz hierzu könnte beispielsweise H. Schaffhausers hervorragender Baubericht auf SMAKR dienen. Derjenige Plastikmodelbauer der es irgendwo noch auftreiben, oder ersteigern kann und dafür nicht zuviel bezahlt hat, kann sich somit uneingeschränkt zufrieden fühlen, da er damit eine echte Alternative zum Italeri-Kit in die Hände bekommt und das noch mit reichhaltigeren Abziehbildern.
Ein kurzes Wort noch zur aktuellen Neuauflage, also dem Geschenkset. Dieses zu kaufen um an die He 111 zu gelangen ist eigentlich leider nur eher etwas für die wohlhabenderen Liebhaber, denn das Set ist vom Ladenpreis her sehr hoch angesetzt worden. Anstatt es für 15 Euro anzubieten, um Schülern, Beginnern, Wiedereinsteigern und Gelegenheits-Modellern oder Nostalgikern ein faires Angebot zu machen. Hat Revell einfach mehr oder minder die regulären Preise der vier Bausätze aufaddiert und lediglich ein paar neue Decals sowie einige Farben hinzugefügt. Meiner Meinung nach würde ein Set aus den eigentlich besseren, da bereits mit versenkten Gravuren versehen Modellen aus den Matchbox-Formen die Revell ja ebenfalls aufgekauft hat sicherlich weit mehr Käufer, selbst für diese Preis finden. Da es so echt etwas ganz besonders darstellen würde, wo es diese Kits ja schon sehr lange neu nicht mehr zu kaufen gibt. So aber, muss man dann etwas warten bis auch dieses Sets bald schon in den diversen Online-Auktionshäusern enden werden. Um vielleicht doch noch eine gute alte Frog He 111 mit neuen Decalbogen günstig erwerben zu können. Für die man dann auch, vielleicht von der Ju 87 abgesehen, auf den restlichen Inhalt des ominösen Sets getrost verzichten kann.
N. (Januar 2011)