Vorbild: Etwas wirklich Neues über die Focke-Wulf 190 zu schreiben, dürfte schwierig sein. Die Variante A-8 wurde von einem BMW 801 D-2 angetrieben, der von einer Methanol-Wasser-Einspritzung für zusätzliche kurzfristige Leistung unterstützt wurde. Sie war standardmäßig mit zwei 13 mm MG 131 vor dem Cockpit und vier 20 mm MG 152 in den Flügeln bewaffnet. Im Frühjahr 1944 wurde wegen der immer weiter steigenden Einflüge von amerikanischen Bombern eine Version entwickelt, die statt der Außenflügelwaffen mit zwei Mk 108 30 mm-Kanonen ausgerüstet war. Um eine größere Annäherung an die schwer bewaffneten Bomber zu ermöglichen, wurden die sogenannten "Sturm-" oder "Rammjäger" Maschinen mit Rüstsatz R8 (Panzerplatten an den Rumpfseiten und Panzerglas an der Windschutzscheibe und den Seiten der Cockpithaube plus Mk. 108) ausgerüstet. Manche Piloten unterzeichneten eine Erklärung, dass sie nicht ohne mindestens einen Bomberabschuss zurückkehren würden, auch wenn dies nur durch Rammen des Feindes zur verwirklichen war.
Die Bezeichnung des Kits als A8/R2 trifft wohl nicht ganz zu, da sie sich nur auf die verstärkte Flügelbewaffnung bezieht. Da beide Bemalungsvarianten am Rumpf Platten tragen, auch wenn die Werksnummer 682204 historisch korrekt eine normale Haube hat, müssten sie eigentlich als A8/R8 bezeichnet werden.
Bausatz: Der Kit kommt in Revells typischer weicher Schüttbox auf den Basteltisch und besteht aus 168 Teilen, die sauber in Weißgrau und Klar abgespritzt sind. Verpackt sind die Gussrahmen in mehreren Plastiktüten, die mit jeweils mehreren dünnen Tesastreifen zugehalten werden, was ein mehrmaliges Öffnen und Entnehmen von Teilen erschwert. Eduard hat mit seinen selbstklebenden Tüten vorgemacht, wie es besser geht!
Die Teile sind sauber und ohne Gussgrat abgespritzt, die Klarteile sind zwar dünn, haben aber deutliche Schlieren. Die Oberflächen sind mit sauberen schmalen Gravuren überzogen, einigen erhabenen Details und vereinzelten Nieten. Die Waffenläufe sind erfreulicherweise aufgebohrt, was eine Menge Mühe ersparen dürfte.
Die vier Cockpithauben sind einmal mit und einmal ohne die Zusatzpanzerung dargestellt und es gibt von jeder Variante eine geschlossene und eine schmalere geöffnete Haube. Gut gemacht, Revell! Ebenfalls positiv hervorzuheben ist die Tatsache, dass die Haubenpanzerung angegossen ist, was einem einigen Stress beim Ankleben von Extrateilen an die Haube erspart!
Zunächst verlangt Revell vom Modellbauer, dass er 18 Löcher in vier verschiedenen Durchmessern (1,1 mm, 1,4 mm, 2,5 mm, 2,6 mm!) in den Unterrumpf und die Flügel bohrt. Des Weiteren sind vom Modellbauer an drei Stellen Auskerbungen selbst anzubringen. Es ist nicht so, dass diese Bohrungen wahlweise geschehen sollen abhängig davon, welche Unterflügelwaffen man z.B. plant anzubringen, nein diese sind bis auf die Öffnungen für den Modellständer alle obligat, beispielsweise für die Waffenläufe. Vielleicht hat Revells Formtechnik hier noch Nachholbedarf? Man kann das Ganze aber auch als nostalgischen Ausflug in die Frühzeit des Modellbaus betrachten.
Das Cockpit ist erfreulich detailliert, die Instrumente werden durch Decals dargestellt, für die Gurte liegen ebenfalls Decals bei, was bei geschlossener Cockpithaube gerade Mal so reichen dürfte. Wer mehr vom Cockpitinneren zeigen möchte, kommt am Zubehörmarkt wohl nicht vorbei. Sehr schön finde ich das ReVi, für das zwei winzige Glasteile für die Spiegel vorhanden sind. Das könnte fummelig werden, aber das Ergebnis dürfte den Aufwand rechtfertigen.
Die Räder bestehen leider aus zwei Hälften, was an der Klebenaht zu Profilverlust führen dürfte, dafür sind aber die Felgen separate Teile, was die Bemalung erleichtert. Das Spornrad kann man drehbar bauen, für die eingezogene Variante liegt ein separates Teil bei. Der Fahrwerksschacht hat separate Teile für Oberseite und Seitenwände, dazu kommen ein Spant, der die Stabilität erhöht und die Waffenläufe der MG 151. Als nächstes beginnt der Aufbau der Motorhalterung. Um die Flügel vereinigen zu können fehlen noch die Querruder und die Landeklappen, die alle zwar aus separaten Teilen bestehen, aber mit Passzapfen montiert werden sollen. Wer ausgelenkte bzw. abgesenkte Ruder und Klappen wünscht, muss diese Zapfen biegen oder entfernen. Allerdings sind separate Klappen auch im eingefahrenen Zustand immer ein Gewinn für die realistische Wirkung eines Modells. Dasselbe gilt auch für die Höhen- und Seitenruder, die alle separat vorhanden sind.
Als nächstes kommt die sehr schöne Motornachbildung, die sich allein aus 13 Teilen zusammensetzt, zwei Zylinderringen, den Ventilstangen, dem Untersetzungsgetriebe, den Abgassammlern und vier Abgasrohren, die alle korrekt verbaut und angepasst sein wollen. Nichts für schwache Nerven, allerdings kann man wegen der separaten Motorhauben die ganze Pracht auch vorzeigen. Ein Clubkollege wies mich aber darauf hin, dass eine völlig geschlossene Motorverkleidung einige Anpassungsarbeiten erfordert. Also lieber offen lassen! Offen kann auch die Waffenabdeckung am Rumpf gebaut werden, da die Sturmböcke aber aus Gewichtsersparnis auf die MG 131 meistens verzichteten, sind diese als "nicht benötigte Teile" markiert und der Raum unter Klappe bleibt bis auf die Halterungen verwaist. Dementsprechend ist auch die Haube mit den geschlossenen Schusskanälen anzubringen.
Das Fahrwerk weist gute Detaillierung auf, allerdings fehlen die für diesen Maßstab obligatorischen Bremsleitungen, die man in Eigeninitiative aus Draht o.ä. herstellen muss. Für eine Darstellung des eingezogenen Fahrwerkes liegen extra Klappen und flache Reifen bei, ein netter, leicht nostalgischer Touch, denn bei vielen, wie auch bei mir "flogen" die 32er früher am Bindfaden an der Decke des Kinderzimmers. Zum Schluss folgt noch die Anbringung der Haube, wie erwähnt hat man die Wahl offen oder geschlossen und mit oder ohne Zusatzpanzerung. Dann ist noch, falls erwünscht der Zusatztank anzubringen und schon kann man das Ganze, falls man vorgebohrt hat, auf den recht klobigen aus fünf Teilen bestehenden Ständer montieren. Ich bin da mehr für Fahrwerk oder Deckenflieger!
Bauanleitung/ Bemalung: Die Bauanleitung ist im typischen neuen Stil in Farbe verfasst und führt auf 23 Seiten in 69 Stufen zum fertigen Modell. Den Anfang bilden dabei 2 Teilepläne der Gussrahmen und am Ende finden sich zwei Vierseitenrisse für die Bemalung und Decal-Platzierung.
Auf dem ca. A-5-großen Decalbogen, vermisse ich die Leitwerksmarkierungen, sie sind weder in Gänze noch geteilt zu finden.
Fazit: Ein schöner Bausatz in guter Qualität. Zu einem günstigen Preis bekommt man viel Modellbauspaß geliefert. Bei der Oberflächendetaillierung könnte Revell in diesem Maßstab aber mehr leisten, vieles, was andere bereits in 1:48 und kleiner anbieten. Erfreulich ist, dass man sich hier bei einem Fw 190- Rammjäger mal für die Darstellung der Panzerung nicht auf Zusatzteile verlassen hat, sondern einen neuen Rumpf und neue Hauben angefertigt hat! Die Bohrorgie am Anfang des Baus finde ich überflüssig, das geht besser. Ob man den klobigen Ständer auf dem Regal haben möchte sei jedem einzelnen überlassen. Wegen der komplexen Montage des Motors und vieler Kleinteile finde ich Revells Einordnung in Level 5 gerechtfertigt. Ein empfehlenswerter Bausatz für erfahrene Modellbauer!
Zu beziehen ist dieser Bausatz im gut sortierten Fachhandel oder bei Revell direkt.
Utz Schißau, Berlin (November 2019)
Literaturhinweise: