Vorbild: Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts war es eigentlich üblich das Straßenbahnwagen am Ende ihrer Lebenserwartung nicht unbedingt verschrottet wurden. Bei Bedarf wurden sie in Arbeitswagen oder Güterstraßenbahnen umgebaut, die bei Gleisbauarbeiten, zum Abschleppen liegengebliebener Züge oder zum Transport von Gütern für den Eigenbedarf eingesetzt wurden.
Zwischen 1928 und 1941 wurden in den Waggonfabriken Kirow Ust-Kataw und Mytischtschi ungefähr 2000 Triebwagen der Baureihe "CH" gebaut, eine Zahl von der Straßenbahnhersteller in Deutschland nur träumen konnten. Damit waren sie mehr oder weniger ein Standardtyp für die meisten Betriebe der Sowjetunion. Die Abkürzung für die Baureihe leitet sich von der Stadt Charkow her, welche diesen Typ als erstes bestellte. Gebaut wurden die Triebwagen sowohl für die russische Breitspur, für Normal- und Meterspur. Bei einer Länge von 9,80 m wiesen die Normal- und Breitspurwagen eine Breite von 2,50 m auf die Meterspurwagen waren mit 2,20 etwas schmaler. Der Achsstand der Triebwagen belief sich auf 2,70 m.
Bis wann sie im Einsatz waren ist nicht sicher feststellbar, die in den 1950/ 60er Jahren in die Sowjetunion gelieferten Trieb- und Beiwagen aus Gotha sind teilweise nur 10 Jahre alt geworden. (nach Wikipedia)
Rahmen A (2x vorhanden) Bodenplatte, Wagenfront und Dachteile | Rahmen B (2x vorhanden) Seitenteile der Steuerstände, Achsen, Motoren sowie Teile der Bremsanlage, Teile des Rahmens |
Bausatz: Nachdem 2014 der Nürnberger Triebwagen 642 in 1/35 herauskam, legte Miniart im September 2019 mit dem Triebwagen der sowjetischen Reihe "Ch" nach und überrascht jetzt mit der Version als Güter- oder Arbeitsfahrzeug. Waren schon die beiden Triebwagen etwas womit ich nie gerechnet hätte, ist der jetzt erschienene Bausatz die Kirsche auf dem Kuchen. Wenn noch ein KSW kommt, muss ich ernsthaft über einen Wechsel des Maßstabs nachdenken.
Mit 364 Teilen für das Modell des Triebwagens und 31 Teilen für die Grundplatte und die Oberleitungsmasten ist der Bausatz sicher nichts für ein Wochenende, hier sollte man schon etwas mehr Zeit einplanen. Alle Teile sind einwandfrei abgespritzt, Grat ist nicht zu finden und die Angüsse sind nicht übermäßig groß. Wegen der teilweise doch sehr filigranen Teile sollte man beim Abtrennen vom Gussast trotzdem vorsichtig sein.
Rahmen Ca (4x vorhanden) Räder, Federn, Achshalter | Rahmen Db (2x vorhanden) Rahmenwangen | Rahmen Cb (4x vorhanden) Seitenklappen des Aufbau |
Wie schon beim Nürnberger Triebwagen sind Bremsanlage, Kupplungen und Fahrgestell vollständig und detailliert nachgebildet. Miniart verzichtet dabei dankenswerterweise auf Teile in Größen, die nur unter der Lupe oder dem Mikroskop zu verbauen sind.
Alle Türen und die Seitenteile des Aufbaus lassen sich geöffnet oder geschlossen darstellen. Bei den Seitenteilen hat Miniart daran gedacht das mit diesen Triebwagen alles andere als sanft umgegangen wurde und diese gleich verbeult dargestellt.
Bauanleitung/Bemalung: Die Bauanleitung führt auf 20 DIN A4-Seiten in 57 Bauschritten zum fertigen Modell.
Die Decals erlauben die Darstellung von sechs Triebwagen. Es wird nicht der Einsatzort, sondern der Einsatzzweck genannt, das sind Dienstfahrt, Transport, Havariedienst, technische Hilfe. Sie sind einwandfrei gedruckt und schön matt.
Fazit: Für Freunde von Straßenbahnen ein Muss. Zur Belebung der Ladefläche eignen sich die Schweißgeräte von Miniart oder Schotter für den Gleisbau. Was jetzt noch fehlt: Sowjetisches Straßenbahnpersonal.
Zu beziehen ist dieser Bausatz im gut sortierten Fachhandel oder für Händler bei glow2b.
Roland Schmidt, Kornwestheim (Mai 2020)