Vorbild: Die ersten Studien für den Vorläufer der Tu-22, dem Flugzeug 105 begannen 1954 nach einem Auftrag des Ministerrates der UdSSR. Die eigentliche Konstruktionsarbeit startete nach Windkanalstudien 1955 im Tupolew-Konstruktionsbüro. Das Flugzeug 105 hatte am 21. Juni 1958 seinen Erstflug. Die Weiterentwicklung zum Flugzeug 105A erfolgte schon ab 1957. Dieses Flugzeug hatte dann auch die typischen Tupolew-Verdrängungsbehälter an den Tragflächen, die auch das Fahrwerk aufnahmen. Von Anfang an war das Flugzeug 105A als Atomwaffenträger geplant.
Zwei Flugzeuge 105A und eine Bruchzelle wurden gebaut und am 7. September 1959 startete das erste Exemplar zum Erstflug. Die erste Version Tu-22A war, ähnlich wie ihr amerikanisches Gegenstück(Convair B-58), mit freifallenden Atombomben ausgerüstet. 15 Exemplare wurden davon gebaut. Die nächste Version war die Tu-22R, die ab 1959 als Aufklärer entstand und 127 davon wurden geliefert.
In den 70er Jahren entstand die Exportversion der Tu-22 (Tu-22B) für befreundete Nationen. Der Irak war der erste Kunde. 12 Bomber und zwei Tu-22U Trainer wurden 1974/75 geliefert. 1976 erhielt Libyen 10 Bomber und zwei Trainer. Alle diese Flugzeuge waren stark heruntergerüstet. Irak und Libyen setzten ihre Tu-22 in bewaffneten Konflikten und Kriegen ein. In der Sowjetunion entstand weiterhin die Tu-22K und KD, die mit dem Flugkörper Kh-22 ausgerüstet werden konnte in 76 Exemplaren. Von der ECM-Version Tu-22P/PD wurden 47 Exemplare und vom Trainer 46 gebaut. Die UdSSR setzte die Tu-22 zeitweise im Afghanistan-Krieg als Störflugzeug ein.
Schon früh zeigten sich die besonderen und schwierigen Flugeigenschaften der Tu-22, gerade auch im Vergleich zu den Mustern Tu-16 und M-4 / 3M. Aufgrund dessen wurde der Bau einer speziellen Trainerversion beschlossen. Daraufhin entstand ab 1962 die Tu-22U. Dabei wurde auf der Position des Operateurs hinter dem Piloten ein zweites erhöhtes Cockpit eingebaut, welches dem nun hier untergebrachten Lehrer eine gute Sicht ermöglichte. Der Schüler saß auf der normalen Position wie der Navigator auch. Die Version Tu-22UD bezeichnet die Maschinen, welche mit einer Luftbetankungssonde ausgerüstet waren. Diese war allerdings nicht mit dem Kraftstoffsystem verbunden. Hier ging es rein um realistische Übungsmöglichkeiten. Die späteren Maschinen waren auch mit den verbesserten RD-7M-2 Triebwerken ausgerüstet.
Modell: Mikro Mir aus der Ukraine beglückt die 1:144 Fans hier mit einem weiteren interessanten Bausatz. Bisher gab es die Tu-22 Blinder "nur" aus Resin bei Anigrand. Besonders ist auch, dass man sich auch gleich der Trainerversion angenommen hat. Interessant fand ich bei der Recherche, dass man durchaus einige Ähnlichkeiten mit dem doppelt so großen Bausatz von Modelsvit erkennt. In wie weit hier eine Zusammenarbeit der Firmen besteht, entzieht sich aber leider meiner Kenntnis.
Der Kit kommt in dem bekannten großen Stülpkarton. Über 150 Teile verteilen sich auf zehn Spritzrahmen sowie eine kleine Ätzteileplatine. Der erste Eindruck beim Betrachten der Teile ist echt gut. Die Gravuren sind sehr fein, detailreich und gleichmäßig. Hier und da gibt es etwas Fischhaut an den Teilen, eine kleine Erinnerung an den Short-Run Hintergrund. Trotzdem würde ich davon sprechen, dass man hier immer wieder eine Steigerung gegenüber den vorausgegangenen Produkten erkennen kann.
Der Bau beginnt mit den beiden Rumpfhälften, welche aus jeweils drei Teilen bestehen. Diese müssen stumpf aneinander geklebt werden. Hier sollte man die Klebestellen mit Sheet-Streifen verstärken. Für die unbewaffnete Trainerversion muss auch noch das Heckteil abgesägt werden und ein anderes aus Alternativteilen montiert werden.
Weiter geht es mit den Triebwerken. Diese entstehen aus vielen Teilen mit vielen Details. Es handelt sich um die späteren RD-7M Triebwerke, erkennbar an den längeren Nachbrennerdüsen. Die Einlaufringe sind dabei einteilig genauso wie die Schubdüsen. In Baustufe acht entsteht der Bombenschacht mit samt einem Flügelholm. Dank einzeln vorhandener Klappen ließe sich dieser später offen darstellen.
Sehr komplex und fein zeigt sich das Bugfahrwerk samt Schacht. Die Teile sind maßstabsgerecht dargestellt und damit sehr dünn. Eine Montage so früh ist immer sehr bruchgefährdet. Weiter geht es mit dem Besatzungsplätzen von Pilot und Navigator. Jeder Schleudersitz entsteht dabei aus fünf Teilen.
Zur Darstellung der Instrumente sind auf dem Abziehbilderbogen entsprechende Bilder vorhanden. Allerdings werden diese nicht in der Bauanleitung erwähnt! Kurioserweise bleibt der Platz des Lehrers leer, obwohl der dritte Sitz vorhanden ist. Der Bausatz teilt sich ja die Teile mit der Einsatzvariante, so dass der Platz des Operateurs vorhanden ist. Dieser sitzt allerdings entgegen der Flugrichtung. Evtl. kann der Modellbauer aber diese Teile als Basis heranziehen. In Baustufe 13 wird der Rumpf komplettiert, interessanterweise ist dieser Schritt in Stufe 17 noch mal detaillierter beschrieben. Ein Hinweis auf ein Buggewicht fehlt, ich würde zur Sicherheit eines in der großen Nase verbauen. Der Hecksporn gegen Aufsetzen des Hecks bei Überrotation ist auch vorhanden. Als nächstes werden die beiden für Tupolew-Muster typischen Körper für die Aufnahme der Hauptfahrwerke aufgebaut. Sie zeigen dabei wie Schächte die typische Rippenstruktur. Die Beine samt Scheren und Stangen sind sehr detailliert, aber auch wiederum bruchgefährdet. Inwieweit eine spätere Montage möglich ist, wird der Bau zeigen. Die nächsten Schritte schließen dann mit dem Zusammenfügen der Hauptbaugruppen den Bau ab. Die Hinterkannten der Steuerflächen und Flügel sind übrigens zweiteilig. Man war bei Mikro Mir aber sehr bemüht diese so dünn wie möglich zu machen.
Die beiden Grenzschichtzäune und zwei Antennen liefert die kleine Ätzteilplatine aus Messing. Die beiden Rahmen mit klaren Plastikteilen liefern dabei alle Glasflächen des Originals. Allerdings fallen die Teile in der Qualität etwas ab, was insbesondere beim "Buckel" für das Fluglehrercockpit deutlich wird. Es wirkt etwas schlierig und die zu maskierenden Flächen sind auch kaum erkennbar. Erleichtert wirken sich dabei aber die im Lieferumfang enthaltenen Masken aus. Sie sind auch doppelt vorhanden, während sie in der Bauanleitung in der Teileübersicht nur einmal gezeichnet gezeigt werden.
Bauanleitung ist dabei das Stichwort. So bleibt doch einiges im Argen, sodass einiges an Eigeninitiative des Modellbauers nötig ist. Bei manchen Bauschritten lohnt sich mehrmalige Prüfung. Farbangaben werden für Details nicht gemacht. Die Farbangaben für die grundsätzliche Lackierung sind ohne Bezug auf ein System eines Herstellers.
Nach Möglichkeit hilft hier vielleicht der Zugriff auf die Anleitung des 1:72er Bausatzes von Modelsvit. Für die Bemalung und Position der Decals sind die linke Seiten- und die Draufsicht als Farbdruck vorhanden. Der Abziehbilderbogen ist glänzend gedruckt und von guter Qualität. Er wird auch in dem Bausatz der KD verwendet, so dass einige Elemente nicht verwendet werden. Grundsätzlich ist der Bau von zwei Vorbildern möglich:
Fazit: Und wieder schließt Mikro Mir eine Lücke im Plastiksektor mit der Tu-22 im Maßstab 1:144. Toll ist dabei auch, dass man auch gleich die Chance genutzt hat und die Trainerversion mit auflegt. Allerdings sollten sich nur erfahrene Modellbauer diesen Bausatz kaufen aufgrund der nicht ganz kompletten Bauanleitung und der nötigen Eigeninitiative. Am Ende wird man sicherlich mit einem tollen und interessanten Modell belohnt.
Erhältlich sind die Bausätze von Mikro-Mir im gut sortierten Fachhandel oder für Händler bei Glow2b
Vorbildteil: Volker Helms mit eigenen Ergänzungen zur Trainerversion
Sebastian Adolf, Wettstetten(Juni 2019)
Literatur:
Tupolev TU-22/TU-22M, Famous Russian Aircraft, Yefim Gordon and Dmitriy Komissarov, Ian Allen Publishing, ISBN 978-1-85780-356-3 |