Bausatzhistorie: Bekanntlich tat jeder Plastikmodell-Hersteller auch schon früher gut daran, zumindest einen Bausatz der im zweiten Weltkrieg so berühmt-berüchtigten, oftmals einfach nur „Stuka“ bezeichneten, Ju 87 in sein Sortiment aufzunehmen. Weil dieses recht markant gestaltete Kampfflugzeug während seines den gesamten Krieg andauernden Einsatzes allerdings einige signifikante Veränderungen durchlief, dürfte es für die verantwortlichen Marketingstrategen nie ganz einfach gewesen sein, die vermeintlich richtige Wahl innerhalb der entsprechenden Ju-87-Baureihen zu finden.
Wie dem auch sei, gab es zumindest zu Beginn der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts, in diesem Maßstab einen klar erkennbaren Trend zur Ju 87 „Gustav“, also jener mit zwei 3,7cm-Bordkannonen ausgerüsteten Panzerjäger-Variante des Stuka. Dies hatte wahrscheinlich zwei Gründe. Erstens gab es damals bereits schon längere Zeit eine Ju 87 B von Airfix und später auch noch eine von Heller, wodurch das Angebot an dieser Variante, für damalige Verhältnisse zumindest, bereits reichlich abgedeckt gewesen sein dürfte. Andererseits war es durch bloßes Beifügen der beiden Bordkanonen-Nachbildungen möglich, aus einem gewöhnlichen Ju 87 D-Kit eben auch noch den „Tankbuster“ bauen zu können. Daher wundert es wenig, dass auch die englische Firma Matchbox kurz nachdem sie den Plastikmodellmarkt betrat, gleich im Jahre 1974 eine Junkers Ju 87 G herausbrachte, die wie bereits gesagt auch „nur“ als klassischer Sturzkampfbomber in einer „Dora“-3-Ausführung vollendet werden konnte.
Somit standen dann dem archaischen Airfix- sowie dem bedeutend besseren Heller- und neu herausgebrachten Revell Bausatz der Ju 87 B jeweils ein Frog- und Revell-Kit der Gustav-Baureihe gegenüber, welche nunmehr noch durch den ganz neuen Matchboxbaukasten ergänzt wurden. Insbesondere beim Panzerjäger-Modell war die Meßlatte recht hoch. Denn der Frog-Bausatz war hervorragend und das Revell-Modell, das in Wirklichkeit (nur) eine Variante des Ju 87 B/R-Bausatzes darstellte, hatte auch damals schon einige erst später Usus werdende Merkmale, wie z.B. ein ansehnlich ausgestattetes Cockpit, aufzuweisen. Demgegenüber stellte das Matchboxmodell, wie viele andere aus diesem Hause, bereits einen Recessed-Panel-Kit dar!
Bausatz: Sicherlich wirken die nicht allzu zahlreichen und recht prominent bzw. generell etwas tief eingravierten Oberflächendetails heute nicht mehr zeitgemäß. Trotzdem muss man anerkennen, dass die Bemühungen ein Modell mit negativen Gravuren zu schaffen eindeutig in die richtige Richtung gingen. Sicherlich hätte man denn Bausatz auch schon damals etwas weiter detaillieren können, wenn es die Firmenleitung nur gewollt hätte.
Jedenfalls handelt es sich bei dieser alten Gussform höchst wahrscheinlich um die allererste in diesem modernen Verfahren überhaupt hergestellte, wenn ich mich richtig erinnere. Doch nur wenige Jahre später standen mit dem Auftauchen der wunderbaren Fujimi-Modelle die ultimativen Recessed-Panel-Kits der Ju 87 zur Verfügung, die eigentlich selbst bis heute noch das Maß aller Stuka-Bausätze im 1/72-Maßstab sind – doch das ist eine andere Geschichte.
Nichtsdestotrotz sollten dadurch Matchbox’ Versuche mittels versenkter Oberflächendetails ein besseres Modell herauszubringen, meiner Meinung nach, in keiner Weise geschmälert werden. Irgendwie ist es schon etwas verwunderlich, dass Revell als heutiger Eigentümer aller ehemaligen Matchboxformen gerade diesen Bausatz bislang noch nicht neu aufgelegt hatte. Meines Erachtens könnte er mit Leichtigkeit durch Hinzufügen einiger wenige Teile zu einem noch besseren Modell als Revells eigenem Tankbuster erweitert werden.
Doch auch im Originalzustand bietet dieser ältere Kit bereits einige außergewöhnlichen Merkmale, die bereits beim ersten Betrachten der für dieses Marke so typischen, in drei verschiedenen Grundfarben gespritzten drei Spritzlinge ins Auge stechen. Neben einer ausreichend hoch bemessenen Anzahl an Einzelteilen bietet dieser Bausatz nämlich als einziger (soweit mir bekannt) die Möglichkeit, das Modell mit Tragflächen beiderlei Spannweiten fertigzustellen. Damit bestand erstmalig die Möglichkeit auch Modelle der D-5 -Baureihe anzupeilen.
Darüber hinaus hat mir bei diesem Modell auch der separate Spinner, der wie heute üblich auf den Propeller aufgesetzt wird, gut gefallen. Die zwei Klarsichteile für die Kabinenverglasung halte ich ebenfalls für äußerst authentisch gelungen. Auch die Fahrwerke mit separaten Räder innerhalb der Stuka-typischen Hosenbeinartigen Verkleidungen sind als positives Detail zu erwähnen, da einige andere Hersteller diese früher einfach mit den Fahrwerksbeinenzu nur einem Teil zu kombinieren pflegten. Aber auch alle anderen Bauteile sind recht ordentlich ausgeformt und sauber gespritzt worden.
Leider gibt es für’s Cockpitinnere absolut gar nichts einzubauen, wenn man mal die zwei Pilotenfiguren nebst den vollkommen unrealistischen Sitzen außer Acht lässt. Auch der Abziehbilderbogen ist recht primitiv gehalten, da es keinerlei Wartungshinweise oder dergleichen gibt. Die einzigen in diese Richtung zielenden Decals wie das gelbe Dreieck mit der Oktanangabe des Treibstoffs ausgerechnet noch einen Fehler aufweist da anstatt „87“, „67“ darauf aufgedruckt wurde (sic!). Während die kleine Tafel mit dem Rotkreuz-Symbol, die den Verbandskasten bedeckte, leider etwas Versatz aufweist.
Bedauerlicherweise bleibt es nicht nur bei diesen Kleinigkeiten. Allein schon innerhalb den Baureihenempfehlungen, da sich die Fa. Lesney seinerzeit ebenfalls auch noch etwas im Variantenreichtum der späteren Stuka-Ausführungen verfangen hat. Zum Beispiel soll man zum Bau des berühmten Kanonenvogels, der eine G-1-Maschine repräsentieren soll, die langen Tragflächen der D-5-Variante ankleben. Während die ebenfalls noch baubare D-3 Versionen korrekt mit den kurzen Flügeln erstellt werden soll, was zwar alles nicht grundsätzlich falsch ist, aber dennoch unverständlich bleibt. Der Panzerjäger in der G-1 Ausführung hatte werkseitig die kurzen Tragfläche montiert, während die G-2 Maschinen eine größere Spannweite aufweisen sollten. Allerdings werden in vielen damaligen Quellen aus D-5-Bombern umgebaute Exemplare ebenfalls als G-1-Panzerjäger klassifiziert. Die pylonenartig ausgebildeten Teile für die „Jericho-Trompeten“-Sirenen werden dann allerdings wieder richtig behandelt, da man diesbezüglich angewiesen wird, deren Mini-Luftschrauben vorher abzuknipsen. Die aus den Tragflächenvorderkanten herausragenden Mündungsöffnung-Verkleidungen der beiden MG 17 MGs fehlen, was beim Bau der D-3 Variante für Verdruss sorgt! Zu allem Übel ist bei Matchbox der Rumpf, unbegreiflicherweise, insgesamt auch noch um ca. einen ganzen Zentimeter zu kurz nachgebildet. Dies trifft meiner Meinung nach auf Revells letztjährige Neuauflage zu.
Als absolutes Highlight offeriert Matchbox sogar noch unterschiedliche Seitenleitwerks-Kontrollflächen. Eher ein Bauteil, das seinerzeit wohl nur die ambitionierteren Käufer etwas versöhnlich stimmten sollte. Selbst nach gründlichstem Studium aller möglichen Risszeichnungen des Originals konnte ich keinen Unterschied in den Seitenruderflächen erkennen und auch auf keinem der mannigfaltig existierenden Profiles sind andere Ruderblätter eingezeichnet. Die hintere Abwehrbewaffnung besteht aus einer am Vorbild niemals verwendeten MG 15-Nachbildung, was aber zu verzeihen wäre, weil im Kleingedruckten der Bauanleitung darauf hingewiesen wurde, dass man sich bei der Konzeption des Bausatzes am einzig bislang erhaltenen Museumsexemplar orientierte, welches seinerzeit in England fälschlicherweise tatsächlich noch mit einer Attrappe dieser Maschinenwaffe ausgestellt wurde. Genauso wie man dort zunächst auch das falsche gabelartig aussehende Abwurfgehänge (der B-Baureihen) für die schwere Bombe unterhalb des Rumpfes montiert hatte. Diesen eingefügten Hinweis auf die technischen Details in der gefalteten typischen Matchbox-Bauanleitung hatte ich übrigens als Schüler in den Siebzigern glatt übersehen. Heutzutage erklärt er nicht nur recht plausibel die am Modell bestehenden Abweichungen sondern ermöglicht jedem aufgrund der vorhandenen Ortsangaben gleich auf die Homepage der angegebenen Museen zu schauen. Interessanterweise ist das englische Museums-Flugzeug nun aber wieder in einen authentischeren Zustand (zurück)versetzt worden. Auch der Frog-Bausatz war damals hinten ebenfalls fälschlicherweise mit dem MG 15 bestückt.
Die Passgenauigkeit ist, wie auch schon seinerzeit, immer noch hervorragend und es gibt keinen nennenswerten Grat und keine„Fischhaut“. Gerade diese Qualitäten schätzte ich auch schon damals sehr an den allesamt brandneu hergestellten Gussformen von Matchbox. Zwar gibt es hie und da einige wenige Sinkstellen zu entdecken, allerdings an Stellen, die nicht besonders auffallen. Die Auswurfmarkierungen sind zum Glück nur innen angebracht.
Die klar gegliederte Bauanleitung ist recht aufschlussreich verfasst, nur sollte man dem „Mini-Paint-Plan“, der mich einst so begeisterte, heute besser nicht mehr vertrauen! Der Zusammenbau an sich ist äußerst konventionell, da auch hier mit dem Cockpit und Rumpf begonnen wird und später Leitwerke und Tragflächen angeklebt werden sollen. Lediglich die bereits angesprochene Tragflächenmontage aus einem längeren Teil-Flügel, an dem entweder ein kürzeres oder längeres Endstück angeklebt werden muss, ist etwas kniffelig.
Das äußere Flügelstück muss ganz präzise, also vollkommen plan und bündig am Flügel fixiert werden. Das ist recht schwierig, da dieser selbst aus zwei unteren und oberen Hälften bestehen und meist nicht auf Anhieb perfekt mit dem anzuklebenden kurzen Teil fluchen. Glücklicherweise besteht der Bausatz aber aus einer Styrene-Mischung die ein Öffnen bestehender Klebestellen zulässt, trotzdem muss an dem erwähnten Übergang danach meist doch etwas gefeilt oder ggf. gespachtelt werden.
Alles andere geht aber wunderbar einfach von der Hand, sodass man seine Matchbox Ju 87 durchaus auch als Beginner an einem längeren Wochenende zusammenbauen kann. Wenn man dann auch noch die Lackierung mittels Pinsel ausführt, bekommt man ein interessantes Modell dessen Fugen gerade die richtige Tiefe haben. Während Sprayer vielleicht zuvor etwas Farbe in die Fugen auftragen sollten um deren Tiefe zumindest an den besonders signifikanten Stellen etwas zu verkleinern.
Als Fazit kann für diesen sehr ordentlich Baukasten nur ein „Sehr empfehlenswert“ stehen, da er wirklich recht flott erstellt werden kann und wegen der verschieden langen Flügel-Enden eine einmalig große Variantenvielfalt zulässt. Die Detaillierung ist bedauerlicherweise oftmals hinter den noch älteren Frog- oder Revellbausätzen anzusiedeln, die „historisch“ direkter Konkurrenz zu diesem Kit stehen. Der neue Academy-Bausatz ist im direkten Vergleich natürlich unvergleichlich besser.
N. (Juli 2011)