Dieser heute Vielen gänzlich unbekannte oder vielleicht auch nur schon wieder vergessene Baukasten war das erste Plastikmodell des bekannten deutschen Zerstörers überhaupt. Zur Zeit seiner Markeinführung in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre war es sicher noch ein interessanter Kit. Das allein schon, da er eine willkommene Bereicherung, innerhalb des damals noch weit bescheideneren Angebots deutscher WK-II-Kampfflugzeugen darstellte.
Seine Exklusivität hatte allerdings nicht lange Bestand, denn nach und nach tauchten besser umgesetzte Me 410-Baukästen auf. So begrüßenswert Lindbergs generelle Fokussierung auf die etwas weniger bekannten Luftwaffe-Typen (Ar 234B, Do 335, Fw 190 D-9, He 100, He 162, He 219, Hs 129 B, Me 163) auch gewesen sein mag, die Vorbildtreue seiner Formen war es aber leider nicht. Wohl auch deshalb hat der einstmals recht populäre traditionsreiche US-Hersteller aus Illinois später nie mehr, selbst mit neueren Kits, Zugang in die Top-Liga der Plastik-Flugzeugmodell-Hersteller finden können. Zumindest werden aber jedoch, das sogar unter dem Original-Firmennamen, immer noch viele seiner bekannten Modelle angeboten!
Heutzutage wäre die Lindberg-Hornisse bestenfalls als äußerst einfacher Easy- Kit ohne jegliches Verbesserungspotential einzustufen. Dieses allein sollte jetzt aber noch kein Grund sein, diesen Bausatz von vornherein völlig zu ignorieren. Kann hier theoretisch ein Jeder binnen eines Vormittags ein passables Resultat erreichen das er anschließend anmalen und mit Decals dekorieren kann. Danach kann es abends seiner Sammlung hinzugefügt werden. Hauptsächlich darin läge evtl. noch die einzige Daseinsberechtigung solcherart minimalistisch gestalteter Baukästen begründet. Nebenbei helfen sie Beginnern, dabei auch noch für nicht allzu viel Geld, das Handwerk erlernen.
Alle Fortgeschrittenen werden allerdings sofort einen im wahrsten Sinne des Wortes gravierenden Makel ausfindig machen wenn sie die Tragflächen betrachten. Dieser wäre nur sehr aufwändig behebbar, da die Form der Triebwerkverkleidungs-Konturen (wie übrigens auch schon bei Lindbergs Hs 129) auf den Flügel-Oberseiten beträchtlich vom Original abweicht! Untenrum ist es besser da es dort lediglich nur etwas weniger authentisch zugeht. Wie kompliziert solch eine Korrektur an einem 72er Me 410-Plastikmodell konkret ist, lässt sich am besten aus Jörg Schlegels(†) Präsentation seiner FineMolds-Hornisse in der ModellFan erahnen. Bei Lindberg sind die, mit FineMolds Proportionen konformen, relativ gut detaillierten Fronten der Motorengondeln somit also ebenfalls recht prominent geraten. Zudem machte man in Skokie einst auch noch den Fehler die bei einigen Anbietern zu klein oder gar nicht ausgebildeten "Kinnbeulen" symmetrisch d.h. jeweils an die Außenseiten zu platzieren! Wohingegen sie Messerschmitt`s Ingenieure bekanntlich aber sowohl backbords als auch steuerbords in Flugrichtung links angeordnet hatten!
Die Pilotenkanzel-Verglasung wurde ebenfalls nicht richtig getroffen da die zwei hinteren Auswölbungen, zwecks der besseren Sichtmöglichkeit des Bordschützen/Funkers, nicht berücksichtig wurden. Zudem verläuft die Trennlinie der beiden Teile noch genau in der Mitte des Kabinendachs, wo gerade bei diesem Baumuster just keine Strebe verbaut war. Das dann also zwangsläufig aber zu einer Klebenaht führen muss! Ferner befinden sich an den Tragflächenunterseiten links und rechts im Bereich des Mittelrumpfs auch noch zwei tropfenartige Gebilde die es dort jedoch niemals gab. Sie könnten eventuell bestenfalls ETC-Schlösser andeuten, was in dieser Qualität allerdings nichts bringt. Auch stimmt der Verlauf von Nietenreihen und Blechstößen sowie auch der Trennfugen generell nur recht vage mit dem Vorbild überein. So das eigentlich nicht einmal der für die Me 410 charakteristische Deckel für das Rettungs-Schlauchboot-Fach korrekt wiedergegeben wäre.
An konkreten Pluspunkten gäbe es bedauerlicherweise fast nichts anzuführen. Außer der einfache Konstruktion des Höhenleitwerks vielleicht, welches auch hier durchgehend (d.h. einteilig) ist und so einfach in einen Schlitz des Hinterrumpfs geschoben wird. Falls man das Fahrwerk geöffnet bauen will gibt es außerdem praktischerweise schon ein korrekt ^ - förmiges Teil was ein Ausrichten der Klappen des Hinterrad-Schachts im richtigen Winkel überflüssig macht. Das Spornrad selbst, ist jedoch viel zu klein geraten.
Am ursprünglich beigepackten Decalbogen fehlte der Kennung das "F 6". Das gelbe Rumpfband hätte hier weiß sein sollen, während die "Englandblitz"- Geschwaderwappen generell unzutreffend sind. Da es sich bei dieser Maschine ja definitiv um keinen Nachtjäger handelt!
Fazit: Summa summarum darf man an diesen Kit also keinerlei hohe Ansprüche stellen. Und man wäre, wenn man denn unbedingt ein einfacheres Me 410-Modell bauen will, mit dem Frog Baukasten, den es früher auch mal von Revell gab, besser bedient sofern man diesen denn irgendwo noch ergattern könnte.
N. (April 2020)