Vorbild: Die Ju 88 war eines der Standard-Kampfflugzeuge der Luftwaffe des Deutschen Reiches. Die ursprünglich als schneller Horizontal- und Sturzkampfbomber konzipierte Maschine wurde mit diversen Modifikationen auch als Fernbomber, Torpedobomber, Minenleger, See- oder Fernaufklärer, zur Wetterbeobachtung, als Zerstörer, Nachtjäger, Panzerjäger oder als Tiefangriffsflugzeug eingesetzt. Mit 14.882 gebauten zweimotorigen Maschinen war die Ju-88-Produktion eines der größten Rüstungsprogramme des Deutschlands im Zweiten Weltkrieg.
Bausatz: Die gute alte Italeri Ju 88 is back! Doch warum ist diese "Neuerscheinung" den italienischen Kollegen nicht einmal eine Erwähnung in der Neuheiten-Liste für die Nürnberger Messe 2017 wert gewesen? Wer weiß, vielleicht war ihnen ja solch eine Art Remake selbst nicht ganz geheuer. Der kritische Modellbauer sowie insbesondere der 88er-Freund wird dieses Produkt eher als pure Marketingmaßnahme ansehen. Die Mehrheit hingegen dürfte dieses Reissue wohl begrüßen. Doch jede Firma hat selbstverständlich das Recht, potentielle Kaufinteressenten etwas vor den Kopf stoßen zu dürfen, zumindest geht es mir hier so.
Doch gehen wir die Sache mal ganz objektiv und sachlich an. 1991 erscheint eine außergewöhnlich gute Neuheit, die alle bisherigen Ju 88-Kits im Standardmaßstab in den Schatten stellt. Endlich wurden hier einmal Kanzelverglasung, Fahrwerksräder, Bola, ETCs, und Flügelrandbögen vorbildgerecht dargestellt. Besonders daran waren die anderen Hersteller (bis dato) in diesem Maßstab allesamt gescheitert, wobei es individuell stets auch noch ärgerliche Baureihenunstimmigkeiten gab. Somit konnte sich Italeri eines großen Wurfs sicher sein und schuf daraufhin, meiner Meinung nach völlig folgerichtig, anschließend noch weitere Ju 88 Baukästen anderer Varianten.
Ein einziger Bereich war nicht ganz so vorbildgetreu umgesetzt worden wie der Rest. Dies waren die Motorengondeln. Wohl waren an deren Darstellung zuvor auch schon Lindberg, Airfix, Frog und Revell (genauso wie auch Matchbox bei der Ju 188) gescheitert, doch lag deren Formenursprung schon Jahrzehnte zurück. In der Emilia Romagna hat man sich gerade an der Motorfront, den Cowlings, den Auspuffstutzen usw. richtig Mühe gegeben. Umso unverständlicher ist dann allerdings die zu schmal geratene rückwärtige Fahrwerksverkleidung.
Der gravierendste Mangel (im wahrsten Sinne des Wortes) ist die hier zugrunde liegende Raised-Panels-Konzeption. Bereits Ende der 1970er Jahre, also noch zu "Italaerei"-Zeiten, gab es schon Bausätze mit versenkten Oberflächendetails. Hier hat man eine große Chance vertan.
2011 bringt man eine recht teure, partiell nachgebesserte Ausführung auf den Markt, die fortan als "Historic Upgrade" Hasegawa, Zvezda und Revell Paroli bieten soll. Doch außer dem Cockpit bleibt alles beim Alten: also immer noch Raised Panels, falsch dimensionierte Triebwerksverkleidungen und zu schlanke Fahrwerkschachtverkleidung.
2017 wird nun die Wiederauflage des "Historic Upgrade" als "upgraded moulds" angepriesen. Wer ersinnt denn bitte schön so eine Marketingstrategie, für mich macht so etwas keinen großen Sinn.
Ansatzweise hat man sich tatsächlich bemüht den Veteranen aus den 1990ern etwas aufzupeppen. Nur bringt das alles wenig wenn die äußere Form einfach nicht stimmig ist, finde ich. Davon abgesehen ist heute ein Bausatz mit erhabenen Panellines schon von vornherein disqualifiziert, zumal es die Ju 88 in 1/72 mittlerweile besser, günstiger und mit versenkten Gravuren gibt. Weshalb die Deko-Optionen auf eine reduziert und auch noch die beiden Geschwaderwappen entfernt wurden, übrigens auch von der Boxart, scheint sowohl eine Kostenfrage(?) als offenbar eine unnötige Zensurmaßnahme, um etwaige Assoziationen mit einer bestimmten Einheit zu unterdrücken. Nun ja, vielleicht glauben die Produktentwickler womöglich tatsächlich, dass die Schutzstaffel eine eigene Luftwaffe hatte.
Fazit: Die Gussqualität ist - wie nicht anders zu erwarten - als recht gut zu bewerten. Auch wurde der Decalbogen ordentlich um Wartungshinweise ergänzt. Da es weniger Teile als bei der deutschen, japanischen und russischen Konkurrenz gibt, werden Anfänger sicherlich mehr Freude am Bau haben. Die Bemalungsoption ist diesmal nicht mehr fiktiv, sondern entspricht einer existierenden Luftwaffenmaschine.
Aber reicht das für die heutige Zeit aus? Hätte man hier nicht besser gleich eine neue Form gravieren oder auf die in ihrem Besitz befindliche, bereits mit versenkten Blechstößen versehene Esciform zurückgreifen sollen?! Bei solch Alternativen erschließt sich mir persönlich nicht, wie dieser unzeitgemäße Oldie-Kit das aktuelle 88er-Angebot ergänzen soll...
N. (April 2017)