Junkers Ju 188

Italeri No. 117 Spritzguss - 1/72

Vorbemerkungen: Spätestens 1972, bzw. seit Einführung dieses Kits dürfte sich die aufstrebende italienische Plastikmodellbau-Firma Italaerei international endgültig etabliert haben. Der Firmenname war zuvor bekanntlich nach "Aliplast" und "Supermodel" erneut geändert worden, und die Baukästen bekamen seitdem jene signifikante, exquisite, Verpackung in weiße, wohl dimensionierte Schachteln welche die Boxart hervorheben sollten. Gleichzeitig erfolgte auch eine Fokussierung auf mehrmotorige Luftwaffe-Militärmaschinen. Wohingegen man mit dem reichhaltigen Angebot aus der AFV Sparte in 1/35, ja bereits durchaus eine Spitzenposition auf dem Weltmarkt errungen hatte. Allerdings gelang es den Verfolgern mit der japanischen Firma Tamiya (der Erfinderin dieses neuen Maßstabs) an der Spitze, sicher nicht nur aufgrund ihrer ebenfalls weißen Kartons Ihre bisherige, starke Marktposition zu behaupten. Später gelang es, wohl aus Gründen der einfacheren Aussprache in "Italeri" unbenannten Firma, in diesem Segment merklich zurück zu drängen. Aber auch die Flugzeugmodelle aus der Nähe von Bologna wurden schrittweise allmählich von anderen Anbietern besser umgesetzt. Diese verblieben allerdings, sogar mehr oder minder unverändert, bis heute im Angebot.

Bausatz: Die hier zu besprechende Junkers Ju 188 stellte wie gesagt den Beginn der Reihe von hochwertig umgesetzten Baumustern der ehemaligen deutschen Luftwaffe dar und sorgte allein deshalb schon für Furore. So bot dieser Kit, doch abgesehen von der interessanten Typenauswahl, auch einen zuvor nicht gekannten Qualitätsstandard. Das obligatorische Raster aus unzähligen Nietenreihen gab es ebenso wenig, wie unnötige beweglich gehaltene Ruderblätter. Kleinlich dimensionierte Räder ohne jegliche Details oder Glasbausteinartig die Durchsicht verzerrende Klarsichtteile auch nicht!

Die Richtwaffen, bis auf das mit einem doppelten und sehr überdimensionierten Griffstück versehenem MG 81 Z, waren recht akkurat ausgeführt, wenn auch für die Baureihe A ein MG 151 in den B-Stand gehört hätte. Zudem verdiente es der Bereich unterhalb der Kanzelabdeckung erstmalig beinahe schon als "Cockpit" bezeichnet zu werden. Außerdem standen Alternativ-Teile zum Bau zweier sich doch augenscheinlich unterscheidenden Versionen, als auch realistische Bomben-Nachbildungen zu Verfügung.

Last but not least wurden dann auch noch drei Decaloptionen mitgeliefert. Allerdings zielte dieser seinerzeitige High-Tech Bausatz mehr auf die "Experten" unter denn Modellbauern ab, welches damals wohl eher die erwachsenen Modellbauer waren, zumal auch der Preis ja schon bereits deutlich das Taschengeld-Niveau überstieg.

Nichtsdestotrotz war dieser anfänglich sicher recht exklusive Baukasten aber bei weitem nicht perfekt. Weshalb es sich ja dann auch ausgerechnet die neu auf den Markt strebende Firma Lesney, in Gestalt ihrer gerade neu herausgekommenen Reihe von Kits unter dem weltberühmten Matchbox-Markenamen, erlauben konnte gerade bei der Ju 188 Italeris Monopol zu bedrohen. Außer dem weit günstigeren Preis brachten die Engländer sogar noch einige ergänzende Details ins Spiel, welche man in der Emilia Romagna offenbar vergessen, oder wissentlich eingespart hatte. Zwar wäre die Rückwand der Kabine mit den reliefartigen angedeuteten Leitungen und Geräten jetzt nicht unbedingt notwendig, denn es lag ja der Blick in den hinteren Teil des Cockpits aufgrund der Pilotenfiguren und Abwehrwaffen-Installationen zunehmend im Schatten. Auf der anderen Seite hätte dieses Teil mit Sicherheit nicht Italaereis Kostenrahmen gesprengt!



Ärgerlicher war da schon das Fehlen der den BMW-Sternmotoren vorgelagerten ringförmig verlaufenden Kühlgebläse-Schaufeln. Obwohl sie die Sicht auf die Triebwerke in Wirklichkeit aber nicht so vollkommen wie bei Matchbox oder der Airfix Do 217 verdeckten, klaffte an dieser Stelle bei Italaerei eine sichtbare Lücke! Abgesehen davon das es sich bei den "Sternen" aus Zylinderreihen sowieso nur um Supermodel/Italeris generischen Standardteilen handelte, die bis heute noch in jedem Baukasten einer Maschine mit solcherart Motoren herumgeistern! Etwas später als Italaerei, seine Do 217 herausbrachte zeigte sich das man auch in der Nähe von Bologna durchaus in der Lage war diesen Mangel zu beheben. Auch die eher simplen Pilotenfiguren mit den übergroßen Köpfen (ganz zu schweigen von dem knienden Püppchen für die Bola) waren sicher keine Glanzleistung. Und wurden deshalb bald durch weit bessere Multi-Pose Luftwaffenbesatzungen ersetzt. Genauso wie man sich später auch noch für eine dezente Zusatzdetaillierung mit feinen Nietenreihen entschloss. Komischerweise wurde diese dann ausgerechnet bei der Ju 88 wieder gröber. Wie diese besaß auch die Ju 188 schon Konsolennachbildungen an den Seiten, allerdings aber noch recht zaghaft ausgeführt. Zudem stört hier auch das noch an den Innenwänden verlaufende grobe Raster. Die Motorengondeln entstanden dann auch aus zwei Hälften, besitzen jedoch Öffnungen für alle Fahrwerksklappen. Also auch jene die nach dem Ausfahren des Hauptfahrwerks wieder geschlossen wurden.

Die verschiedenen Luftschrauben wären zwar sinnvoll doch dürften die VS 111er für die Jumo 213-Triebwerke ruhig noch etwas breitblättriger sein. Auch fehlt dem Spornrad das Schutzblech. Beides kann zusammen mit den weit korrekteren ETCs aber problemlos aus dem Ju 88er Baukasten ersetzt werden. Eine Gravur oder besser noch ein Klarsichtteil für den Deckel der EZB-Peilantenne im Rumpfrücken fehlt jedoch völlig! Eine "Kuto-Nase" wird allerdings mitgeliefert. Die Streben der Kabinenverglasung besitzen wie stets nur recht wenig hervortretende Kanten. Die Bauanleitung erreicht leider nicht einmal DIN A4 Format. Auch wurde hier alles in gerade mal nur vier Bauschritte gezwängt, was Schade ist. Wie gut das es neuerdings ein, geändertes, größere Layout gibt das etwas übersichtlicher zum Ziel führen sollte. Die Vergratung hält sich wie bei Italeri eigentlich immer in Grenzen, jedoch gibt es oberhalb von Passstiften öfters ein paar Sinkstellen. Auswerfermarken sind in Gestalt von ganz feinen Zapfen ebenfalls vorhanden, können aber alle völlig rückstandslos entfernt werden.

Bemalungen:Meine Meinung wäre, dass hier durchaus schon Italeris "upgraded moulds"- Maßnahmen fällig wären, um die Einsatzzeit dieses Kits nachhaltig verlängern zu können. Ein neuer Abziehbilderbogen und der Aufdruck "Limited Edition" nebst der neuen Boxart reichen hierzu klarerweise nicht! Womit wir nun gleich zu den Decals des Ursprungskits kämen. Von den drei Optionen beinhaltet eine nur Balkenkreuze jedoch keinerlei Kennungen, während die Swastika für die Fine ab Ende der Siebziger Jahre vorsorglich vom Decalbogen wieder entfernt wurde. Jedoch stellte dieser Bemalungsvorschlag keine Sparmaßnahme dar, da dieser Flieger fotografisch belegt ist. Dummerweise trug diese spezielle Maschine des Leutnants Altrogge aber keinen B1-Stand. Nur die auf etwas mehr Authentizität bemühte Firma Testors (die Italeri später sogar aufgekauft hatte), welche stets noch eine weitere Decalsoption mitlieferte, wies darauf hin als sie diese Kits in den Staaten vertrieb. Von der U5+DP (ebenfalls mit abgebauter EDL 151-Kuppel) gibt es in einem englischen Buch zumindest ein Profile. Während die F6+AT lediglich ein Fantasieprodukt von Uwe Feist aus dessen damals gerade erschienenen Squadron Signal Broschüre darstellt(Leider gab es zu Beginn der Siebziger einfach noch nicht so viel Sekundärliteratur wie heute), sodass die Bemalungsoptionen also nicht gerade sehr überzeugend gerieten. Wohl deshalb wurde dem Baukasten in der letzten Ausführung anstatt der wohl eher vagen U5+DP und der fiktiven F6+AT nun eine A3+BH, aus der Kagero-Publikation entnommen, zur Seite gestellt. Wenn auch mit nur weißem anstatt gelben Staffelbuchstaben(sic!). Zumindest wurde zugleich aber auch das irreführende "Fighter Bomber" oberhalb der Boxart entfernt, allerdings nur um durch den unsinnigen Beinamen "Rache" anstatt dem korrekten Rächer ersetzt zu werden.

Fazit: In der Schlussbetrachtung haben wir es hier mit einem soliden Basis Kit zu tun der einst recht populär war. Heute, falls er denn nicht modernisiert wird, allerdings doch leider schon veraltet ist. Er ist, da es so lange dauerte bis 2010 das Hasegawa-Modell erschien, gebaut im Netz recht oft präsent und kann auch noch hier und da im Laden angetroffen werden. Während er in älteren Boxings (d.h. mit dem Deckelbild von Carlo Demand) als auch in Gestalt der Bilek Lizenzausgaben im Internet bereits recht teuer gehandelt wird.

N. (Mai 2020)