Heinkel He 111 Z-1 Lastenseglerschlepper

ICM 48260 - 1/48

Vorbild: Die Entwicklung der Heinkel He 111 Zwilling begann im Frühjahr 1941. Sie wurde nachdrücklich gefördert durch den Generalluftzeugmeister Ernst Udet, da dieser den parallelen Einsatz von mehreren Flugzeugen zum Schleppen als zu gefährlich ansah. Die Planung sah die Verbindung von zwei He 111 H-6 durch ein rechteckiges Flächenmittelstück mit einem fünften Motor und weiteren Betriebsstofftanks vor. Zusätzliche Abwurfbehälter erhöhten den Kraftstoff auf 10.220 l.


Spritzling A mit dem Rumpf, zweimal vorhanden

Das erste Musterflugzeug war bereits zum Ende des Jahres flugklar, die Erprobung begann im April des Folgejahres. Im Zuge dessen wurde beispielsweise eine maximale Flugdauer von zehn Stunden im Sparflug festgestellt und es flossen konstruktive Verbesserungen ein. Obwohl die Erprobung gute Flugleistungen erbrachte, wurde der Bauauftrag von 40 auf zwei Versuchs- und zehn Serienmaschinen zusammengestrichen. Hauptgrund war, dass mit der Me 323 inzwischen ein motorisierter Großraumtransporter zur Verfügung stand. Geplante Ausführungen der Maschine als Kampfflugzeug (Z-2) oder Fernaufklärer (Z-3) entfielen mangels ausreichender Leistungsfähigkeit des Musters.


Spritzling B1 mit dem rechten Flügel, einmal komplett vorhanden. Die daran befindlichen Teile für das Heckleitwerk sind jedoch zweimal beigefügt, jedoch hier nicht noch einmal zusätzlich abgebildet.

Im Rahmen der Serienproduktion wurden dann auch Baugruppen der He 111 H-16 in Zwillingen verbaut, darüber hinaus verfügten die Maschinen - auch die Vorserienmaschinen auf den mir bekannten Fotos - über die Planverglasungen der He 111 H-11 und damit auch über die geänderte Instrumentenanordnung, d.h. diese befanden sich auf Höhe des Steuerhorns und nicht mehr vorne über dem Flugzeugführer. Dieser saß übrigens im linken Rumpf, bei ihm befanden sich auch sämtliche Navigationsinstrumente und die Bedienung für alle Motoren, aber lediglich Instrumente für die Motoren 1 und 2 sowie die Fahrwerkbetätigung für die linke Flugzeughälfte. Im rechten Rumpf befand sich dessen ungeachtet ebenfalls eine Steuerungsmöglichkeit sowie eine Notinstrumentierung, zusätzlich die Kühlerklappenbetätigung der Öl- und Kühlstoffanlage sowie die Fahrwerkbetätigung für die rechte Hälfte des Zwillings sowie die Instrumente für die Motoren 3, 4 und 5. Insgesamt bestand die Besatzung eines Zwillings aus bis zu acht Mann, die auch die Abwehrbewaffnung zu bemannen hatten. Diese bestand grundsätzlich aus derjenigen der He 111 H-6, aber im A-Stand der rechten Kabine war im Regelfall ein MG-FF/M eingebaut und in demjenigen der linken ein MG 15.


Spritzling B2 mit dem linken Flügel, einmal komplett vorhanden. Die daran befindlichen Teile für das Heckleitwerk sind ebenfalls zweimal beigefügt, jedoch hier nicht noch einmal zusätzlich abgebildet.

Im Februar 1943 führte die I./ Luftlandegeschwader (LLG) 2 erstmals mit einer He 111 Z-1 den Schlepp von zwei Go 242 Lastenseglern durch. Weitere Schleppversuche erfolgten mit einer Me 321 oder sogar mit mehreren DFS 230 Lastenseglern. Die Geschwindigkeit beim Schleppflug soll laut Literaturangaben bei 225 km/h gelegen haben


Spritzling C, u.a. mit Triebwerk und Teilen der Verkleidung, insgesamt fünfmal vorhanden

Die zunächst hauptsächlich an der Ostfront eingesetzten Maschinen kamen aufgrund fehlender geeigneter Landeplätze nur zu wenigen Einsätzen, beispielsweise im Zuge der Versorgung Stalingrads ab Ende 1942 oder des Kuban-Brückenkopfes Anfang 1943. Im Sommer 1944 - nun im Einsatz über Frankreich und im Mittelmeerraum - waren lediglich noch drei bis vier der Maschinen vorhanden, von diesen konnten aber nur noch zwei einsatzklar gehalten werden.


Spritzling D1, u.a. mit weiteren Teilen des Rumpfs und den Fahrwerksklappen, zweimal vorhanden.


Spritzling D2, u.a. mit Teilen des Motors und des Fahrwerks, zweimal vorhanden

Bausatz: Wer einmal vor dem Original einer He 111 oder ihren spanischen Nachbauten gestanden hat, der wird mir beipflichten, dass dieses elegant geschnittene Flugzeug trotz lediglich zwei Motoren ein "Riesentrum" ist. Und das gilt dann natürlich auch für die kleinen Kopien in allen Maßstäben. Und weil beim Modellbau genau wie an Fleisch- und/oder Käsetheke die Frage, ob es ein bisschen mehr sein darf, gerne mit einem Ja beantwortet wird, freuen wir uns natürlich diebisch über das Erscheinen der doppelt so großen He 111 Z-1 des ukrainischen Herstellers ICM als Komplettmodell in Kunststoff zu einem recht moderaten Preis!


Spritzlinge E und E1 mit separat verpackten und sauber gespritzten Klarsichtteilen, beide jeweils zweimal vorhanden

Nach dem Auspacken des kompakt gehaltenen Kartons hält der Modellbauer zunächst zwei kleinere mit Klappdeckeln versehene Kartons in der Hand, die jeweils randvoll mit Spritzlingen aus grauem und durchsichtigem Kunststoff, Abziehbildern und einer 32 Seiten starken Bauanleitung befüllt sind. Dabei dürfte die Masse der Bausatzteile alldenjenigen bekannt vorkommen, die bereits eine He 111 von ICM ihr Eigen nennen. Neu sind lediglich die Spritzlinge H1 und H2, die die verlängerten Spanten für die Rümpfe, das Tragflächenmittelstück sowie die Zusatztanks beinhalten.


Spritzling F mit Rädern, Auspuffstutzen und Luftschraube, insgesamt fünfmal vorhanden

Die Qualität der Plastikteile ist gut: scharfe und - wenn nötig - dünne Kanten, schöne Gravuren und nur geringer Bedarf an Nachbearbeitung. An einigen Stellen wäre jedoch etwas mehr Detaillierung wünschenswert gewesen. Die Gravuren sind zudem - legt man die Risszeichnungen aus der am Ende aufgeführten Literatur zu Grunde - weitestgehend stimmig. Für den Bau müssen die Gießäste zwar nicht komplett geplündert werden, nahezu 600 Teile warten aber trotzdem darauf, miteinander verbunden zu werden. Die Masse der Teile findet dabei ihren Platz in den Motorgondeln.


Spritzling G mit der mit einem ETC versehenen Rumpfunterseite, zweimal vorhanden

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Und die Spritzlinge H1 und H2, die die wesentlichen Neuerungen dieses Bausatzes darstellen

Bemalung: Der übersichtliche Abziehbilderbogen beinhaltet neben Wartungshinweisen Markierungen für zwei He 111 Z-1:

DG+DY im Winterkleid, Ostfront, Winter 1942/1943
Die Maschine mit der Werknummer 2704 ist in dieser Bemalungsvariante durch - auch im Internet vorhandene - Fotos belegt. Sie wurde am 26. Februar 1944 durch Mosquitos über dem französischen Tavaux nahe der schweizerischen Grenze abgeschossen. Nach diesem Ereignis kamen die Einsätze der verbleibenden Zwillinge weitestgehend zum Erliegen.

TH+ZI im klassischen Sichtschutzanstrich aus RLM 65, 70 und 71, Ostfront, Frühjahr 1943. Hier scheint ICM ein kleiner Fehler unterlaufen zu sein, diese Kennung hat es laut Manfred Griehl nicht gegeben. Wahrscheinlich ist vielmehr die TH+ZL (Werknummer 2697) gemeint, von der ich jedoch keine Bilder finden konnte. Wer diese Maschine bauen möchte, der kann ohne viel Aufwand die Balken der "L" aus der Kennung der anderen Variante anfertigen.

Fazit: Zunächst gilt festzuhalten, dass ICM mit diesem Modell vielen von uns einen Herzenswunsch erfüllt hat. Die Spannweite von einem dreiviertel Meter wird jedoch zwangsläufig Platzprobleme auf vielen Basteltischen und in vielen Vitrinen nach sich ziehen. Die Qualität der Teile macht einen guten Eindruck, auch die unterschiedlichen Bewaffnungen in den A-Ständen oder die Schleppösen in der Tragfläche wurden umgesetzt. Auch teilt der Zwilling mit seinen Geschwistern aus dem Hause ICM die sehr detaillierten Triebwerke. Was die kleinen Fehler des Basisbausatzes angeht (u.a. Dimensionen der Räder etwas unstimmig, leichte Passprobleme bei den Motorgondeln aufgrund der Komplexität der Teile) möchte ich hier lediglich auf die Besprechungen von Andreas und Bernhard zur H-3 bzw. zur H-6 oder den Baubericht von Albert Tureczek zur H-3 in der ModellFan 06/2019 verweisen.

Allerdings gibt es zwei Wermutstropfen:

1.ICM hat seinen Zwilling leider mit der frühen Pilotenkanzel ausgestattet. Wie Eingangs geschildert, wurden die Maschinen zwar aus Rümpfen der H-6 zusammengefügt, die Kanzeln waren jedoch diejenigen der Baureihe H-11, was die Sichtverhältnisse verbesserte und zu größerem Komfort bei Langstreckenflügen führte. Bei der H-6 war oberhalb von Flugzeugführer und Navigator die Verglasung unterbrochen, da sich dort das Instrumentenbrett befand. Ab der H-11 war die Kabine dann vollverglast. Dadurch ist in der Kanzel des Bausatzes die Instrumentierung nicht stimmig und auch die äußere Form ist nicht korrekt. Sämtliche Bilder von historischen Vorbildern in den unten genannten Quellen, auf denen die Kanzeln erkennbar sind, zeigen meines Erachtens nach die vollverglaste Konfiguration und auch den stromlinienförmigeren A-Stand. Ein kleines Trostpflaster: Zumindest für die falsche Instrumentierung wird EDUARD sehr bald Abhilfe schaffen, denn die für das Cockpit des Zwillings vorgesehenen Ätzteile (FE 1090 bzw. 491090) stellen dieses Manko ab. Was die Verglasung der Kanzel angeht, muss der geneigte Modellbauer aber entweder die Kanzel polieren und nachgravieren oder auf alternative Teile des Zurüstmarktes zurückgreifen. Ärgerlicher ist dieser Fehler umso mehr, als dass ICM die korrekten Teile bereits in seinem Baukasten für die He 111-Bausätze hat, zum Beispiel für die Version H-16.

2.Die Auspuffstutzen sind viel zu vereinfacht dargestellt, es fehlen die markanten Kühlrippen an den Seiten vollständig (Vgl. abgebildeter Auszug aus einer Dienstvorschrift zur He 111 H-16) und die auch bei allen mir bekannten Fotos von Zwillingen feststellbar sind. Wer sich ebenfalls daran stört, der muss auch an dieser Stelle entweder selbst Hand anlegen - was bei fünf Motoren schon etwas Arbeit nach sich ziehen wird - oder aber auf die Zurüstindustrie hoffen. Leider gibt es diese Teile noch nicht!

Sicherlich ist die He 111 Z-1 aufgrund ihrer Komplexität kein Bausatz für den Hobbyeinsteiger, aber eine Menge Flugzeug zu einem fairen Preis. Für die Detailfetischisten unter uns bietet der Bausatz eine solide Ausgangsbasis, da sich die Fehler durchaus beheben lassen. Und wer von Nietenzählerei ohnehin nichts hält, der wird auch nach einem Bau out-of-the-box eine schöne Replik dieses ungewöhnlichen Flugzeugs sein Eigen nennen können. Deshalb: Klare Kaufempfehlung!

Erhältlich bei gut sortierten Modellbauhändlern, direkt bei Eduard oder für Händler bei Glow2B www.glow2b.de.

Matthias Böcking, Mai 2020

Literatur:

Manfred Griehl, Andreas Klein
World War II Combat Aircraft Photo Archive, Heinkel He 111, Teil 3
Die späten Varianten H-6 bis H-20 und Z
AirDOC
Robert Forsyth, Eddie J. Creek
Heinkel He 111, An Illustrated History
Crécy Publishing