SMS Seydlitz

Hobby Boss 86510 - 1/350

Umfang:
319 Plastikteile
190 Fotoätzteile
Ankerkette
Abziehbilder

Das Original: Die Geschichte der Seydlitz an dieser Stelle zu erzählen, schenke ich mir. Die kann man, außer in Büchern, leicht im web nachlesen. Zum Beispiel bei Wikipedia (Link)

Ein paar schnelle Daten liefere ich dann aber doch noch:

technische Daten (vor Skagerrak):
Länge (Lüa): 200,6 m
Breite: 28,5 m
Tiefgang(max): 9,29 m
Verdrängung (max): 28.550 t
Antrieb: 27 Wasserrohrkessel,
2 Satz Parsons-Dampfturbinen mit 89.738 PS Leistung
Geschwindigkeit (max): 28,1 kn
Reichweite (bei 14 kn): 4.200 sm
Bewaffnung: 10 (5 x 2) x 28 cm Schnellladekanone L/50
12 x 15 cm SK L/45
12 x 8,8 cm SK L/45
4 Torpedorohre
Besatzung: 1.068





Das Modell: Hobby Boss löste mit seiner Ankündigung, einen Spritzguss-Bausatz der Seydlitz heraus bringen zu wollen, einen wahren Sturm der Euphorie in der Schiffsmodellbauszene aus. Immerhin warteten die Plastik-Schiffsmodellbauer seit den Modellen der König-Klasse von ICM vergeblich auf einen weiteren Bausatz eines kaiserlichen Großkampfschiffes. Das Warten hatte nun ein Ende und das Ergebnis von Hobby Boss' Bemühungen ist leider gar nicht mal so gut.



Als erstes fällt auf, dass die Darstellung auf dem Karton nicht dem Inhalt entspricht! Seydlitz wird hier in der "vor-Skagerrak" Konfiguration dargestellt, also mit den Torpedonetzen. Diese sind aber gar nicht enthalten. Das nennt man dann wohl eine "Mogelpackung"!



Der Rumpf ist nicht als Voll- oder als auf Höhe der Wasserlinie geteilter Rumpf ausgeführt, sondern wurde klassisch in zwei Hälften, verzugsfrei, gefertigt. Oberflächendetails, wie sie für die Darstellung der "vor-Skagerrak" Konfiguration notwenig wären, wie zum Beispiel die Klappen der 8,8 cm Kasemattgeschütze seitlich am Bug, fehlen leider. Obwohl die hälftige Fertigung des Rumpfes es eigentlich ermöglich hätte, sind die Oberflächen unstrukturiert ausgeführt. Plattengänge sind nicht vorhanden und auch die Dopplerstreifen am Überwasserschiff sucht man vergeblich. Insofern entspricht der Bausatz dem Resin-Vorgänger von Combrig. Dieser weisst allerdings die vier Torpedorohrmündungen auf, von denen uns Hobby Boss leider nur jene unten am Bug gönnen mag! Die externen Wellentunnel sind nicht Teil der Rumpfhälften. Sie werden separat angebaut. Die Wellen und die Wellenböcke der beiden inneren Propeller sind ebenfalls separat gefertigt. Bei den Propellern wurde auf die Gegenläufigkeit geachtet. Stabilität erhält der Rumpf durch fünf Spanntwände, die auch die Decks abstützen. Der Rumpf weist keinerlei Hinweise daraufhin auf, dass Hobby Boss eine "Vor-Skagerrak" Version in petto hat, da auch im Inneren keine Vorbohrungen für die Ablage oder Spieren der Torpedonetze vorgegeben sind. Sollte da was geplant sein, müsste eine Form für frühe Rumpfhälften existieren und daran glaube ich nicht.

Das Deck ist dreiteilig ausgeführt, wobei das Backdecksteil inklusive des Unterbaus für den vorderen Schornstein ausgeführt ist. Das Mittelteil ist inklusive der achteren Kasemattgeschützbuchten und des Unterbaus der Türme B, E und C ausgeführt. Das Problem hierbei ist, dass die hinteren 8,8 cm Geschütze irgendwann ausgebaut worden waren und die Struktur in diesem Bereich stark zurückgebaut worden war. Der Modellbauer muss nun also entscheiden, ob er den "vor-Skagerrak" Zustand herstellen will, oder ob er lieber den "nach-Skagerrak" Zustand darstellen will. Beides ist mit nicht wenig Arbeit verbunden. Eine weiteres Problem: die Kohleluken sucht man vergebens. Hobby Boss glaubt wohl, dass Seydlitz mit Schiffsdiesel fuhr! Auch die Wellenbrecher auf dem Oberdeck sind nicht vorhanden. Eine Vielzahl von kleinteilig ausgeführten Details in Plastik und Fotoätz komplettiert die Decks. Hobby Boss gönnt uns die annähernd vollständige Beibootsflottille der Vorkriegszeit. Das ist etwas zu viel des Guten, da Seydlitz aber während des Krieges zu verschiedenen Zeitpunkten, unterschiedliche Bootstypen mitgeführt hat, wie Fotos zweifelsfrei belegen, ist das Angebot zumindest nicht zu verachten, bietet es doch die maximale Freiheit bei der Darstellung. So könnte man sogar die Kutter auf den Dächern der Türme B und E darstellen, die dort zeitweise, zum Beispiel während der Skagerrak-Unternehmung, mitgeführt wurden, obwohl Hobby Boss das nicht vorsieht. Unglücklich ist hierbei nur, dass für die geätzten Bootsstützen feine Schlitze im Deck vorgesehen sind und dies natürlich für die maximale Bestückung!

Die Aufbauten sind vielteilig ausgeführt und werden mit einer großen Zahl von Ätzteilen, wie Relings, Niedergängen und Leitern verfeinert. An den Schornsteinen kommen ebenfalls Ätzteile zum Einsatz und zwar für die umlaufenden Stage, was sehr zum positiven Eindruck des Modells beiträgt! Die Lamellen der Lüfteröffnungen an den Aufbauten sind ebenfalls sehr positiv hervorzuheben, da sie ausgesprochen scharfkantig ausgeführt sind. Dahinter befindet sich allerdings, bei fast allen Teilen, nichts! Keinerlei Strukturen wie Lüftergitter etc. Nur wenige Teile bilden da eine Ausnahme. Ein Problem stellt der Unterbau des achteren Mastes dar. Dieser Decksaufbau hatte einen asymmetrischen Grundriss. Das Hobby Boss Bauteil ist leider symmetrisch ausgeführt! Eine Korrektur des Grundrisses ist zwar möglich, aber auch nicht leicht umzusetzen.


Die Bewaffnung beinhaltet alle 8,8 cm Kasemattgeschütze bis auf jene seitlich im Bugbereich. Das ist für "vor-Skagerrak" zu wenig und für "nach-Skagerrak" zu viel. Die beiden achteren Flak-Geschütze wurden auch berücksichtigt, was aber auch nur für die "nach-Skagerrak" Konfiguration richtig ist. Die Rohre der Hauptartillerie erscheinen mir auf den ersten Blick zu kurz, aber das kann täuschen und muss ich noch belegen. Die Türme weisen sehr feine Oberflächendetails auf und dank gleitender Formen sind die Ausblicke auf den Turmdächern sogar offen dargestellt! Der Ausblick auf dem Dach von Turm D, das ist der ganz achtere Turm, ist aber leider zu groß und somit falsch dargestellt. Leider fehlen an den Rückseiten der Türme die eingelassenen Luken für den Kartuschenauswurf. Sehr, sehr ärgerlich!

Die 190 Ätzteile sind sehr überzeugend gefertigt. Sogar die Namenstafeln und Wappenschilde wurden berücksichtigt. Das ist deshalb so begrüssenswert, da diese bei Kriegsbeginn eben nicht von Bord der Seydlitz gegeben worden waren. Fotobelege finden sich dafür leicht in diversen Publikation wie zum Beispiel in Gary Staffs Standardwerk "German Battlecruisers of World War One". Seil- bzw. Schlauchhaspeln, Niedergänge, abgelängte Relings, die schon erwähnten Schornsteinstage und noch vieles Nützliches mehr lassen hier kaum Wünsche offen. Die Deckel der Kohleluken wäre noch toll gewesen, aber diese hatte man in China wohl ganz einfach nicht auf dem Schirm und das ist echt ein Problem!





Die Bemalung: Der wie immer farbig gestaltete Bemalplan zeigt die Seydlitz korrekt ohne Wasserpass mit zweifarbigem Überwasserschiff. Dabei verläuft die Trennlinie zwischen dem dunkleren Grau des Rumpfes und dem helleren Grau der Aufbauten auf der des erhöhten Backdecks und zwar komplett bis zu den achtersten Aufbauten durch. Das ist falsch. Auf Fotos kann man sehr gut erkennen, dass kurz nachdem sich das erhöhte Backdeck nach achtern verjüngt, eine senkrechte Trennlinie verläuft, hinter der die Aufbauten ausschliesslich Hellgrau lackiert sind. Die Farbempfehlungen umfassen die Sortimente von Gunze, Vallejo, Model Master, Tamiya und Humbrol, wobei nicht jede Farbe in jedem Sortiment vorhanden ist.

Ein kleiner Decalbogen liefert Wappenschilde, Namensplaketten und die beiden weissen Fliegersichtringe. Letztere sind jeweils zweigeteilt, was das Aufbringen über die Strukturen der Visierausblicke erleichtern dürfte.

Fazit: Hobby Boss liefert uns eine "Übersetzung" des Resin-Bausatzes von Combrig in Plastikspritzguss, unterliess es aber dabei, die sinnvollen Korrekturen bzw. Ergänzungen vorzunehmen und liess auch noch Details weg, die Combrig lieferte! Der Bausatz stellt einen "Mischmasch" der verschieden Rüstzustände dar und überlässt es somit dem Kunden, mit nicht wenig Aufwand, den einen oder anderen Zustand herzustellen, was ich angesichts des hohen Preises für absolut unangemessen halte. Wie immer bei den jüngeren Bausätzen aus China sehen die Bauteile als solche gut aus und die Details, so sie denn vorhanden sind, sind ebenfalls fein ausgeführt. Wer sich nicht um die oben aufgezählten Mängel schert, kann sicher ein schickes, aber historisch falsches Modell erstellen. Alle anderen haben mit diesem Modell einen ganzen Eimer zusätzlicher Arbeit erworben (die "waterliner" etwas weniger) und von daher enthalte ich mich der Verleihung eines Prädikats, da dieses eigentlich nur "mangelhaft" lauten dürfte.

Olaf Krabbenhöft, Hamburg (Mai 2018)