Geschichte: Noch vor dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten erkannte man 1940 im US Army Air Corps den Bedarf an einem Nachtjäger. Die Stärke der deutschen Nachtangriffe auf England, die der Northrop-Chef einmal persönlich in London erlebte, im Verhältnis zur dortigen Nachtabwehr war mit Sorge beobachtet worden, und so wurde am 21. Oktober 1940 eine Ausschreibung mit den Anforderungen an einen Nachtjäger ausgegeben. Am 10. März 1941 vergab das Material Command einen Auftrag über zwei Versuchsmuster (XP-61) an Northrop, nur kurze Zeit später wurden 13 Prototypen (YP-61) geordert und am 1. September 1941 folgte ein Auftrag über 150 Serienmaschinen (P-61A). Diese Bestellungen erfolgten noch vor dem Erstflug der XP-61 im Mai 1942; man erwartete offenbar viel von diesem Typ.
Eine P-61A (USAAF Serien-Nr. 42-5496) ging zur Erprobung an die Royal Air Force, wurde aber dort für ungeeignet befunden. Es folgten die P-61B und die P-61C. Das C-Modell war eine Hochgeschwindigkeitsversion mit leistungsstärkeren Sternmotoren und galt als vielversprechendste Ausführung, kam aber erst zum Kriegsende zur Truppe (Juli 1945). Daher wurden alle Aufträge storniert, 13 Maschinen wurden sogar direkt nach ihrer Fertigstellung verschrottet. Bis dahin waren den P-61-Piloten neun bestätigte und einige weitere unbestätigte Abschüsse von V1-Marschflugkörpern gelungen. Nach dem Ende des Kriegs wurden noch einige Versuche unternommen, eine geeignete Verwendung für die P-61 zu finden. So wurden Erprobungen mit den bereits im März 1945 fertiggestellten zwei Prototypen der XP-61E fortgesetzt. Dies waren weiter leistungsgesteigerte Langstrecken-Tagjäger, konzipiert als Begleitjäger für die B-29 Superfortress.
Auf Basis dieser XP-61E entstand auch eine Aufklärungsversion mit der Bezeichnung XF-15, bzw. XF-15A für eine Maschine auf Basis einer P-61C. Bis 1952 waren alle P-61 und die 36 Exemplare der RF-61C ausgemustert worden; an die Stelle des geplanten Langstrecken-Begleitjägers war bereits 1948 die North American F-82 Twin Mustang getreten. Nur vier P-61 sind noch erhalten, zwei werden in US-amerikanischen Sammlungen, eine in einer chinesischen gezeigt und ein Exemplar wird flugfähig restauriert. Neben der Douglas A-20 Havoc ist die P-61 das einzige amerikanische Kampfflugzeug, das nicht in einem flugfähigen Zustand demonstriert werden kann.
Spannweite | 20,11 m |
Länge | 15,09 m |
Höhe | 4,47 m |
Leergewicht | 12.247 kg |
Startgewicht | 17.237 kg |
Besatzung | 3 |
Höchstgeschwindigkeit | 585 km/h |
Dienstgipfelhöhe | 10.640 m |
Reichweite | 4.820 km |
Triebwerke | zwei 18-Zylinder-Sternmotoren Pratt & Whitney R-2800-65 Double Wasp mit je 1.510 kW (2.026 PS) |
Bewaffnung | vier 20-mm-Maschinenkanonen nach vorn, vier 12,7-mm-MGs Browning M2 in drehbarem Turm auf dem Rumpfrücken und bis zu 2.904 kg Bombenlast |
(Quelle: Wikipedia)
Zwei besonders interessante Aspekte an der Black Widow sind m.E. der Rückenturm und die Farbschemata. Ursprünglich wurde die P-61 mit je einem Turm auf dem Rücken und einem an der Unterseite konzipiert, später wurde der untere Turm durch vier fest eingebaute nach vorn feuernde 20 mm -Kanonen ersetzt. Der obere General Electric A-4-Turm mit den 12,7 mm-Brownings machte von Anfang an Probleme, da er beim Drehen oder Anheben der Waffen starke Strömungswirbel am Leitwerk erzeugte. Zunächst behalf man sich damit, den Turm abgesenkt und nach vorn gerichtet zu arretieren.
Ab der 38. A-Serienmaschine erledigte sich das Problem von selbst, da wegen des B-29-Programmes nicht mehr genug Türme zur Verfügung standen und man die Maschinen ohne Rückenturm, aber mit kompletter Verkabelung auslieferte. Da der Sitz des Turmschützen jetzt verwaist war, setzte man bei der 425th NFS den Radar Operator auf diesen Platz, so dass er neben seiner eigentlichen Aufgabe dem Piloten helfen konnte, feindliche Maschinen im Dunkel aufzuspüren. Bei späten Baulosen der P-61B wurde der Turm wieder eingeführt, zunächst der alte Typ A-4, später die weiterentwickelte A-7-Version.
Da die Alliierten gegen Ende des Konfliktes in Europa die Lufthoheit hatten, wurde der Turm zur Abwehr von feindlichen Jägerangriffen von hinten nicht mehr benötigt, so dass die Turmwaffen für Bodenangriffe nach vorn gerichtet eingesetzt und vom Piloten ausgelöst werden konnten. Eine letzte Variante der Rückenbewaffnung bei der Black Widow war der starre Einbau von vier MGs ohne Mechanik und unter Verwendung der Abdeckhaube des Turmes. An Stelle des Turms konnte auch ein modifizierter B-24-Bombenschacht-Treibstofftank eingebaut werden, um lange Überführungsflüge zu ermöglichen.
Die ersten P-61 trugen die Standardtarnung der USAAF in Olive Drab über Neutral Grey, was sich schnell als ungeeignet für ein nachts operierendes Flugzeug erwies. Es gab Versuche mit Hellgrau über alles und schließlich ging man zu Mattschwarz über. Da aber die matte Farbe Licht „schluckte“ und das Flugzeug dadurch als Schattenriss erscheinen ließ, entschied man sich schließlich für Glänzendschwarz. Eine interessante Anekdote ist die Tatsache, dass Nachtjäger bei der USAAF in Europa eigentlich aus naheliegenden Gründen von der Applikation von Invasionsstreifen ausgenommen waren, aber die 422th und die 425th NFS aus unbekannter Ursache dennoch welche trugen. Eine dieser Maschinen kann mit den Decals des Kits nachgebildet werden. Die großen freien Seitenflächen des Vorderrumpfes animierten übrigens die Staffelkünstler zu besonders „üppigen“ persönlichen Dekorationen der Maschinen. Auch hierfür bieten die Nassschiebebilder des Bausatzes ein typisches Beispiel.
Der Bausatz: Jahrzehntelang war der alte Monogram-Bausatz mit seiner für die Siebziger typischen Detaillierung und Oberflächengestaltung das einzige Angebot, wenn man als Quarterscaler eine P-61 bauen wollte. Revell hat den alten Kit übrigens gerade wieder aufgelegt. Dann schien uns Great Wall Hobby endlich aus dem Dornröschenschlaf zu wecken, als vor drei Jahren ihre Black Widow-Serie auf den Markt kam (Steffen hat hier darüber berichtet) Leider zeigten sich jedoch schon sehr bald gravierende Formfehler u.a. bei der Kanzelverglasung und den Motorhauben, die einen Bau ohne Zuhilfenahme des Zubehörmarktes schwer machten.
Hobby Boss´ neuer P-61-Kit kommt in einem stabilen Stülp-Karton mit mäßig attraktivem Deckelbild auf den Basteltisch, buchstäblich randvoll gefüllt mit 9 Spritzrahmen, die insgesamt knapp 100 mittelgraue und 10 klare Teile beinhalten, zwei einteilige Motorhauben und eine ebenfalls einteilige klare Rumpfnase, verpackt in 10 einzelne Klarsichtbeutel. Die Glasteile sind zusätzlich gepolstert, um Transportschäden zu vermeiden. Zur Verhinderung des Tailsittings gibt es außerdem sechs Zinkgußzteile, die in der Rumpfnase und den Motorgondeln verbaut werden. Die Bauanleitung enthält wie bei Hobby Boss gewohnt einen Teileplan und die Montageanleitung mittels leicht verständlichen Piktogrammen. Alle Teile sind sauber und ohne Auswerfermarkierungen am falschen Platz, sowie fast ohne Gußgrate gespritzt.
Das Plastikmaterial hat wie bei diesem Hersteller üblich eine etwas rauhe Oberfläche, was aber durchaus günstig für den Farbauftrag sein kann. Die Oberflächendetails sind fein versenkt wiedergegeben, auf die gefürchteten Nietenorgien hat man diesmal zum Glück verzichtet. Dafür gibt es Reihen von sehr feinen „Eduard“-Nieten. Alles in allem wirken die Oberflächen der großen Bauteile ausgesprochen realistisch. Höhenleitwerk und –ruder sind aus einem Stück, die Hinterkanten der Flügel sind ebenfalls ausreichend scharfkantig. Nur die kleinen Querruder sind separat dargestellt, alle anderen Ruder leider nicht. Sehr schön dargestellt sind die beim Original versenkbaren Northrop Flügelspoiler.
Die Glasteile sind dünn und klar, ohne optische Verzerrungen gegossen. Sehr gut finde ich, dass die Rumpfnase in einem Stück aus Klarsichtmaterial mit einem breiten Rand gegossen ist, was Problemen beim Verkleben, Spachteln und Bemalen vorbeugt. Beim Abkleben der zahlreichen Fenster wäre sicher vorgestanzte Maskierfolie hilfreich, die uns Eduard oder Montex sicher bald liefern werden. Die drei Arbeitsplätze im Besatzungsraum sind mit zahlreichen Ausrüstungsgegenständen und feinen Details sehr gut wiedergegeben, es fehlen nur die Anschnallgurte. Das Instrumentenbrett und die Schaltbretter sind mit plastischen Details versehen, es gibt aber zusätzlich Decals für die Instrumente. Ob sich diese ausreichend der Oberfläche anpassen oder ob man lieber zu Farbe und Pinsel greifen sollte, bleibt abzuwarten. Notfalls kann man die Teile auch vor der Decalapplikation planschleifen. Unverständlicherweise fehlt in der Bauanleitung jeder Hinweis auf diese Decals.
Das Hauptfahrwerk hat zweiteilige Räder ohne Profil aber mit gut detaillierten Felgen. Die Fahrwerkschächte sind realistisch tief dargestellt und die Fahrwerksklappen sind auch innen fein strukturiert. Das Bugrad ist etwas enttäuschend, denn Reifen, Felge und Schutzblech bestehen leider aus nur zwei Teilen, wodurch der Realismus leidet und die Bemalung erschwert wird. Die Motoren bestehen nur aus einem Zylinderring im Halbrelief und dem Getriebegehäuse, weil dahinter jeweils eines der Metallgewichte platziert wird. Die Propeller sind einteilig plus Spinnerhinterteil. Die Motorhauben bestehen aus einem Stück und scheinen im Gegensatz zur P-61von GWH eine ausreichend weite vordere Öffnung zu haben. Die Lüfterklappen sind nur geschlossen dargestellt. Bei den Unterflügeln sollten die Befestigungspunkte für Außenlasten zwischen Rumpf und Motoren abgeschliffen werden, da Außenlasten an dieser Stelle erst bei P-61B getragen wurden. Übrigens: Obwohl keine der angebotenen Decalvarianten einen Rückenturm vorsieht, liegt dieser zum Glück dennoch dem Bausatz samt separaten MGs bei!
Decals gibt es für zwei Maschinen: P-61A-1-NO, 25502 (42-5502) „Skippy/Nocturnal Nemesis“ der 421st Night Fighter Squadron in Olive Drab/Neutral Grey mit gelbrotem Schachbrettmuster auf den Spinnern, letzteres als Decals, die schwierig anzubringen sein dürften, Alternativ liegen Decals bei für P-61A-5-NO 25564 (42-5564) „Jukin Judy“ der 422nd NFS in Mattschwarz mit Invasionsstreifen Haifischmaul und roten Walkways.
Die Decals sind auf hellblauem Papier sauber und versatzfrei mit nur geringem Rand gedruckt und machen einen guten Eindruck. Wartungshinweise fehlen leider. Die Bemalungshinweise liegen wie immer bei HobbyBoss auf einem Hochglanz-Extrablatt in Farbe bei, die Farbhinweise beziehen sich auf die Sortimente von Gunze, Vallejo, Model-Master, Tamiya und Humbrol.
Fazit: Als er seine erste Black Widow sah, soll ein britischer Offizier gesagt haben „Only the Americans could dream that one up“ - und das trifft es genau. Der Kit macht schon im Karton einen hervorragenden Eindruck, aber sicher nur genau solange, bis wieder jemand irgendeinen groben und unverzeihlichen Fehler findet und ihn durchs Netz jagt. Schade eigentlich, manchmal bliebe man lieber unwissend!. Für mich muss eine Black Widow schwarz sein und einen Rückenturm haben. Decals für eine solche Version gibt es auf dem Zubehörmarkt z.B. von SuperScale und PrintScale. Sicher darf man auch noch in Zukunft noch auf eine P-61B und vielleicht sogar auf eine C hoffen
Für die Motorhauben würde man sich offene Lüfterklappen wünschen und das Bugrad sollte aus mehreren Einzelteilen bestehen. Aber das sind nur Marginalien, daher: Alles in allem: Absolut zu empfehlen!
Literatur
Utz Schißau, Berlin (Januar 2015)