Historisches: Es gab wenige Flugzeugtypen, die am zweiten Weltkrieg teilnahmen, die ein solch einseitiges Abschuss/Verlust Verhältnis aufwiesen, wie die Hellcat. Das Zentrum der "Cat"-Reihe von Grumman bildend, war die Hellcat von Beginn an etwas Besonderes. Ob des Erfolgs des Vorfahren, der Wildcat, welche die Masse des Pazifischen Luftkriegs bis ins Jahr 1942 schulterte, erhielt Grumman von der US Navy freie Hand für die unabhängige Entwicklung eines neuen Jagdflugzeuges. Dieses Flugzeug sollte als Rückversicherung für den Fall eines Misserfolgs der F4U Corsair fungieren. Grummans Designer legten bei der Entwicklung großen Wert auf einfache Herstellung, hohe Leistungen und optimale Eignung für den Trägereinsatz. Am 30.Juni 1941, als die Corsairproduktion startete, unterzeichnete die Navy die Bestellung für zwei Prototypen XF6F-1 ... and a star was born.
Die ursprünglichen Erwartungen bewegten sich im Rahmen einer Weiterentwicklung der Wildcat, was insbesondere die Installation eines stärkeren Triebwerks betraf. Allerdings entwickelte sich hieraus ein völlig neues Flugzeug. Auch die Navy steuerte ihr Wissen in Form von Pilotenerfahrungen und -wünschen bei. Die Hellcat wurde 60% schwerer als die Wildcat, war schwerer bewaffnet und gepanzert, hatte ein leistungsfähigeres Triebwerk, konnte mehr Treibstoff mitführen und war ganz allgemein robuster konstruiert. Der erste Prototyp startete am 26.Juni 1942 zum Erstflug und Ende Januar war bereits die erste Einheit, die VF-9 an Bord der Essex, mit dem Muster ausgerüstet.
Der neue Typ wurde Hellcat genannt, nicht nur den Ort vorschlagend, wohin Ihre Feinde gesandt werden würden, sondern auch ein Wortspiel. Der Ausdruck bezeichnete Kneipenschläger im "Wilden Westen", und genau das war es, was die Navy wollte: einen zähen Kämpfer mit harten Fäusten und Durchhaltevermögen, der auch einiges einstecken konnte. Mit diesen Vorgaben verwundert es nicht, dass die Hellcat nicht zu den elegantesten Jagdflugzeugen seiner Zeit gerechnet wurde. Schließlich war es etwa doppelt so schwer wie sein Hauptgegner, die japanische A6M Zero. Jedoch spielte Eleganz nicht die entscheidende Rolle, wenn es um das Überleben des Piloten ging. Die Hellcat war eben ein Kämpfer in jeder Hinsicht. Die erste Version, die F6F-3, wurde gefolgt von der -5, bei der die Cockpit- und Motorhaben, Bombenhalterungen und Abwurftanks geändert wurden.
Der erste Luftkampf ergab sich am 1.September 1943, als eine "Emily" von den 12,7 mm MG zweier Hellcats in Flammen geschossen wurde. Ihre Überlegenheit über japanische Jäger wurde am 16. Februar 1944 eindrucksvoll demonstriert, als in der Nähe von Truk mehr als 100 japanische Flugzeuge in der Luft und mehr als 150 am Boden, bei einem Verlust von 4 Maschinen, zerstört gemeldet wurden. Nur 5 Tage später wurden 160 weitere Flugzeuge in der Luft und am Boden vernichtet. Die oft einseitigen Kämpfe der "Battle for the Philippine Sea" kulminierten am 19.Juni 1944 im legendären "Marianas Turkey Shot", wo Hellcat Piloten 350 zerstörte Flugzeuge für sich beanspruchten. Eine weitere Truthahnjagd fand zwischen dem 12. und 14. Oktober 1944 über Formosa statt, bei der Hellcat Piloten mehr als 300 feindliche Flugzeuge bei einem Verlust von 27 eigenen zerstörten.
Im Oktober 1944 begannen die Japaner mit nächtlichen Luftangriffen, welche, um ihnen zu begegnen, zu einem Bedarf an Nachtjägern führten. Die P-61 der USAAF waren zu weit entfernt. Deshalb wurde eine mit RADAR ausgestattete Nachtjägervariante der Hellcat (F6F-3N /-5N) eingeführt. Diese neue Variante tauchte erstmals Ende Herbst 1944 während er Intensivierung der Kamikaze-Angriffe auf, die ein Abfangen unorthodoxer Angriffe von Flugzeugen, die einem Kampf auswichen, erforderlich machte. Andere bedeutende Luftkämpfe fanden über den Japanischen Inseln im ersten Halbjahr 1945 statt.
Obwohl die Hellcat nach und nach durch die F4U Corsair ersetzt wurde, diente sie bis zum Ende des Krieges an vorderster Front. Unter der Bezeichnung Hellcat F. Mk.I und Mk.II flogen einige hundert in der Fleet Air Arm, insbesondere bei der Verteidigung der Atlantik Konvois und auch in Fernost. Insgesamt wurden 12275 Hellcats aller Varianten produziert. Bei 270 Totalverlusten beanspruchten ihre Piloten 5156 Luftsiege, was über die Hälfte der Luftsiege von USN und USMC ausmacht. Die Hellcat wurde in weniger als zwei Jahren operativem Einsatz das erfolgreichste trägergestützte Flugzeug im Pazifik
Klobig, ungelenk wirkend, unelegant, Kneipenschläger - wild, robust, furchtloser Koloss, fähig eine Bar im Nu aufzumischen ... das war die Hellcat am Himmel über dem Pazifik.
Der Bausatz: Nachdem Eduard kürzlich einen recht ansprechenden und auch leicht zu montierenden Bausatz der Grumman F6F auf den Markt gebracht hatte, fügt nun HobbyBoss dem breiten Angebot einen weiteren Hellcat-Bausatz hinzu. Um es gleich voregzunehmen, nicht unbedingt der beste Versuch der Darstellung einer F6F in 1/48.
Bisher gibt es noch keine wirklich tiefgreifende Analyse des Bausatzes und eigentlich sehe ich es auch nicht als meine Aufgabe an, alle Fehler und Abweichungen der diversen Hersteller anzuprangern, aber dieser Bausatz fällt schon beim zweiten Hinsehen aus dem Rahmen.
Als ich die ersten Fotos der Spritzlinge gesehen hatte, dachte ich, das HobbyBoss eine ganz brauchbare und auch günstige Alternative zu anderen Herstellern wäre. Doch schon die weiteren Bauphasenfotos machen irgendwie stutzig (z.B. von Torsten Rossmann auf Aeroscale bzw. im FF). Am Rumpf haut das hinten und vorne nicht hin. Daher habe ich mal einige Vergleichsfotos mit Teilen von Hasegawa und Eduard gemacht
Die Motorhaube sieht im Vergleich eigentlich gar nicht soo schlecht aus. Leider ist sie in einigen Details falsch (z.B. die Stege im Lufteinlauf) und sie steigt an der Unterseite zu stark an und ist zum Rumpf hin riesig. Kein Wunder, ist dieser doch auch "etwas" überdimensioniert.
Die Seitenansicht des Rumpfes passt noch gerade so. Am Leitwerk stimmt der Übergang von der Tonne nicht und dessen Dimensionen sind auch etwas daneben, aber das kann man mit etwas gutem Willen noch vernachlässingen. Die riesige Cockpitöffnung (samt Kabinenhaube) sieht aber einfach zu seltsam aus und fällt - oder besser springt - jedem sofort ins Auge. Daneben sind die fehlenden MG-Läufe oder der eigentlich eher für die F6F-5 passende Flügel (Löcher für Raketenschienen usw.) nur ein kleines Ärgernis.
Nach all der Kritik scheint es müßig, aber ich möchte doch auch einige gute Details erwähnen. Zunächst ist da die Möglichkeit, den Flügel auch beigeklappt darstellen zu können. Die gebaute Maschine von Torsten zeigt zwar, dass der Winkel nicht ganz hin haut, aber ich denke, das ist justierbar. Dazu gibt es einen Fahrwerksschacht, der deutlich mehr Ähnlichkeit mit dem Original hat als bei Hasegawa oder Eduard. Die Hinterkanten der Steuerflächen sind ziemlich dünn und die Darstellung der Bespannung ist auch gut gelungen.
Bemalung: Die Decals sind ganz ordentlich im Register gedruckt. Leider hatte ich mit Decals aus China bisher nicht viel Glück .. .es bleibt abzuwarten, ob das hier anders sein wird (ich kenne auch Modellbauer die gut damit zurecht kamen) ... nach meiner Meinung sehen die Decals mit dem Hamilton-Standard-Logo verdammt groß aus.
Ich bin sonst kein Freund davon, die farbigen Bemalungsanleitungen zu fotografieren, aber diese ist schon 'was "Besonderes". Zunächst hat man die polnische Beschreibung aus irgendeinem Heft kopiert und dann die Flügel in Intermediate Blue!
Fazit: Wer eine halbwegs originalgetreue Nachbildung einer F6F-3 in seine Sammlung einreihen will, sollte diesen Bausatz lieber meiden. Für Gelegenheitsmodellbauer die einfach nur irgendeine Hellcat oder was Ähnliches im Schrank oder auf dem Schießplatz stehen haben wollen, ist dies sicher ein günstiger und voraussichtlich recht einfach zu erstellender Bausatz. Ein Modellbaukollege schlug vor, an die Tragflächen einen Hasegawa-Rumpf anzumodellieren. Den HobbyBoss Bausatz als preiswerten "Klappflügel"-Umbausatz zu nutzen, ist sicher eine Überlegung wert, aber mit Aufwand verbunden.
Bezug: Erhältlich sind die Bausätze im gut sortierten Fachhandel oder direkt bei I.B.G. Modellbau ibgmodellbau.de
Steffen Arndt, Ettlingen (November 2009)