Vorbild: Die F4U-1 stellt die erste Serienvariante der Corsair dar. Der Spitzname "Birdcage" bezog sich auf die relativ flache, sehr stark abgestrebte frühe Kabinenhaube. Im Gegensatz zum Prototyp war der Rumpf länger und das Cockpit wanderte zum Ausgleich des Schwerpunktes nach hinten. Die F4U-1 wurde ab 1943 auch im Pazifik eingesetzt und löste dort mit überlegener Geschwindigkeit und Reichweite die F4F Wildcat ab. Ein weiterer Vorteil war die hohe Rollrate des Typs, was im Luftkampf schnelle Ausweichmanöver ermöglichte. Als problematisch bei Starts und Landungen erwies sich die schlechte Sicht nach vorn, was zur nächsten Variante führte, der F4U-1D. Sie erhielt ein neues Cockpit mit einem erhöhten Pilotensitz und eine gewölbte Rundumsichthaube.
Bausatz: Der Bausatz kommt wie bei Hobby Boss üblich in einer etwas überdimensionierten Stülpbox mit ansprechendem Deckelbild einer Corsair, die einer waidwunden Zero nachdrückt. Jürgen Bauer hat kürzlich die in der französischen Marine eingesetzte F4U-7 Variante von Hobby Boss beschrieben und ich habe etwas später die F4U-5N aus demselben Haus vorgestellt.
Auch bei diesem Kit gilt, was Jürgen über die F4U-7 schrieb: "Mit den über 220 Einzelteilen die in einem stabilen Stülpkarton lagern, dürfte auf den ersten Blick ein überaus detailliertes Modell der Corsair möglich sein. Bei der Betrachtung der Teile für den Rumpf und den Tragflächen fallen einem angenehm gestaltete Gravuren auf, aber auch eine etwas übertrieben reproduzierte Blechstruktur auf den Flügeln fällt einem ins Auge. (…) Auch beinhaltet der Bausatz einen fast kompletten Motor, im Original ein Pratt & Whitney R-2800. Allerdings ist auch hier wieder auf einen Missstand hinzuweisen, denn die Abgasrohre entsprechen, was die Fülle anbelangt, wohl eher dem Maßstab 1:72. Unser (…) Jagdbomber lässt sich auch mit eingeklappten Flügeln bauen. Die Ausführung der inneren Mechanik ist in diesem Bereich hervorragend. Bei den Flügeln ist zu beachten, dass die Varianten-spezifische Beplankung plan eingeklebt wird. Diese Teile sollten schon eingesetzt werden bevor Ober-und Unterflügel miteinander verbunden werden."
"Viel Details zeigt auch das Heckrad mit dem Landehaken. Die Motorhaube ist aus einem Stück ausgeformt und in der Form korrekt. Auch an der Materialstärke der Kühlerklappen gibt es nichts auszusetzen. Sämtliche Ruder liegen dem Bausatz separat bei. Trotzdem ist der Einbau ohne Nacharbeit nur in der neutralen Position möglich. Auch die Landeklappen bieten von Hause aus nicht die Möglichkeit, diese in abgesenkter Position anzubringen. Dort dürfte aber eine Umarbeitung der Zapfen keine Probleme machen. Weshalb man sich die Mühe macht, solche Teile extra zu fertigen, um sie dann doch nur in der 0-Stellung montieren zu können, wissen sicher die heimischen Götter des Herstellers. (…) Die Kabine ist angenehm dünn und ohne Schlieren abgeformt. Natürlich lässt sich die Kanzel auch offen montieren. (Anmerkung: Die Kabine ist zwar dreiteilig, nach gemachten schlechten Erfahrungen mit der Hobby Boss Wildcat rate ich aber an, die Passform für die aufgeschobene Haube zuerst zu testen und falls sie wie die der F4F zu schmal ist, das Mittelteil durch eine Vacuform-Haube von Squadron, Falcon oder Rob Taurus zur ersetzen.)"
Das lässt sich 1:1 auf den F4U-1-Kit übertragen. Positiv anzumerken ist, dass die MG-Schächte offen dargestellt werden können, einschließlich Munitionszufuhr. Wer mich kennt, weiß, dass ich persönlich dergleichen zu "gimmicky" finde, weil es für eine realistische Darstellung deutlich mehr Aufwand bedarf, als die Plastikteile allein bieten. Klar auf der positiven Seite zählt das exzellente Cockpit, wobei man den etwas dickwandigen Sitz allerdings ersetzen sollte. Und natürlich müssen Sitzgurte ergänzt werden. Zu kritisieren sind die Räder und der Propeller. Die Felgen wirken im Verhältnis zum Gesamtdurchmesser deutlich zu groß und die Propellerblätter sind zu breit, Paddle-Blades gab es erst bei späteren Baureihen.
Die F4U-1 hat Tamiya vor einigen Jahren schon einmal herausgebracht. Diese ist wie bei den Japanern üblich deutlich einfacher gestaltet, mit weniger Optionen und einer viel geringeren Teilezahl, und einer dadurch bedingt leichteren Baubarkeit. Hobby Boss hält dagegen mit einem besseren Preis-Leistungsverhältnis und mehr Gestaltungsmöglichkeiten wie separaten Rudern, Klappen und offenen Waffenschächten. Wofür man sich entscheidet, hängt also von den persönlichen Vorlieben und vom Geldbeutel ab. Aus beiden Kits kann eine vorbildgetreue Replik entstehen.
Bemalung: Der Druck der semimatten Decals wirkt sehr gelungen. Gebaut werden können damit zwei Navy-Maschinen der VF-17 an Bord der USS Bunker Hill, die "Weiße 6" und die "Weiße 25". Im Herbst 1943 war diese Einheit an den Kämpfen um die Salomonen beteiligt, erster Stationierungsort war Ondonga. Beide Maschinen waren in der frühen Zweitontarnung gehalten, oben Intermediate Blue, unten Light Gull Grey. Farbangaben beziehen sich auf die Farben von Gunze, Vallejo, ModelMaster, Tamiya und Humbrol. Leider geht HB wieder mit keinem Wort auf die Historie der Vorbilder ein.
Fazit: Die Chinesen haben hier einen Qualitätsbausatz eines bisher etwas stiefmütterlich behandelten Vorbildes auf den Markt gebracht. Typisch ist leider wie bei den anderen Corsairbausätzen auch hier wieder eine gewisse Tendenz zum Overengeneering. Empfehlenswert.
Unser Dank geht an Glow2b für das Muster.
Utz Schißau, Berlin (Dezember 2015)