Vorbild: Die Avro Lancaster kam als letzter der drei viermotorigen Bomber (Short Stirling und Handley-Page Halifax) Großbritanniens in Dienst. Sie war gleichzeitige das erfolgreichste Muster dieser Reihe. Bei Kriegsende waren ca. 1000 Exemplare bei der RAF in Dienst. Die Lancaster entstand als Weiterentwicklung der glücklosen Avro Manchaster, die an ihren unzuverlässigen Motoren litt. Avro verlängerte den Flügel der Manchaster und baute vier einzelne RR Merlin ein. Der Prototyp (als Manchaster Mk. III) startete am 9. Januar 1941 zum Erstflug. Ab Anfang 1942 ging sie bei der RAF in Dienst und flog ab März 1942 vorrangig Nachteinsätze gegen deutsche Städte. Wichtigste Serienversionen waren die Mk. I mit 3544 Exemplaren gefolgt von der Mk. III (mit Packard Merlin) mit 2990 Exemplaren. Von der Version mit Bristol Hercules-Sternmotoren wurden nur 300 Stück als Mk. II gefertigt. Die Lancaster Mk. IV war eine Weiterentwicklung mit stärkeren Triebwerken und umfangreicherer Radausrüstung und die Mk. VII war die letzte Serienversion. In Kanada entstanden ca. 400 Mk. X. Insgesamt wurden bis zum Ende der Produktion 7366 Lancaster gebaut. Die Parallelentwicklung als Transporter hieß York und hatte einen anderen Rumpf. Nach dem Krieg wurden einige Maschinen als Lancastrian (Fracht- und Passagierausrüstung) umgebaut. Die Weiterentwicklung als Bomber war die Avro Lincoln. (Text: Volker Helms)
Bausatz: Seit langer Zeit wünschte sich die Modellbaugemeinde einen zeitgemäßen und korrekten Nachfolger des Tamiya-Bausatzes von 1975. Die missratenen B-17 von HK in den Maßstäben 1/32 und 1/48 siedelte die Erwartungen eher weit unten an. Nachdem die 1/32 Versionen einige (chinatypische) Fehler aufwiesen (Links-Rechts-Doppelungen wie beidseitige Landescheinwerfer und Not-Dinghy-Luken) war die Skepsis eher gestiegen, als HK die 1/48 Version im letzten Jahr ankündigte. Doch im jüngst erschienenen Bausatz wurde erfolgreich die Kritik verarbeitet und die genannten Fehler behoben.
Die Oberflächengestaltung besteht aus feinen versenkten Linien. Die Übereinstimmung muss allerdings genau mit Vorbildfotos o. ä. verglichen werden. So müssen die Gravurlinien an den Motorgondeln unmittelbar hinter/unter den Abgasrohren verschlossen werden. Sie sind am Original schlicht nicht vorhanden.
Die feine "Nietenstruktur" erinnert in der Ausführung an die neuesten Eduard-Modelle.
Der Abwehrturm auf dem Rumpfrücken kann mit oder ohne Abweiserverkleidung gebaut werden. Der Heckabwehrturm liegt in der Version FN.120 vor. Diese Version wurde erst ab der 2. Jahreshälfte 1943 produziert! Der späte Abwehrturm ist nicht vorhanden.
Eine Möglichkeit für die Abwehrwaffen auf der Rumpfunterseite der sehr frühen Lancs ist nicht vorgesehen. Der große Unterrumpfblister für das H2S Radar liegt dem Bausatz ebenfalls bei. Die Blister für die Bombenzielgeräte liegen in der frühen "flachen" Form der stärker gewölbten späten Form im Kit. Der späte Blister ist nur in der Ausführung mit den nebeneinander liegenden Montageringen für die Infrarotlichter für die Freund-Feind-Kennung (IR-IFF) realisiert.
Das gut einsehbare Cockpit hat die wichtigsten Instrumente erhalten, allerdings gibt es nur für das Instrumentenbrett des Flugzeugführers ein einfaches Abziehbild. Die Geräte für den Bordingenieur (F/I) und für die Navigation hätten dies auch dringend benötigt, zumindest aber die absolut notwendige Farbanleitung in diesem Bereich. Also bleibt das Warten auf Eduard, Recherchearbeit oder das ruhige Händchen für den Feinstpinsel.
Die Klarsichtteile verdienen ihren Namen, sie sind schlierenfrei, die Materialstärke ist ebenmäßig, so dass ein verzerrungsfreier Durchblick möglich ist. Die Kabinenabdeckung kann mit Seitenfenstern mit und ohne Blister gebaut werden, am hinteren Ende findet sich leider nur die kleine Navigationskuppel für den Sextanten, eine Möglichkeit für die späte größere Kuppel ist nicht vorhanden.
Eine kleine Messingätzplatine enthält einige wenige Innendetails.
Anleitung/ Bemalung: Die Bauanleitung ist übermaßig (25x35 cm) in Heftform auf schwerem Hochglanzpapier. Die Anleitung der einzelnen Baustufen ist nicht in den gewohnten Strichzeichnungen vorhanden, sondern aus dem sogenannten Design-Manual übernommen. Nicht alle Teileplatzierungen sind eindeutig erkennbar.
Die Abziehbilder wurden bei Cartograph in Italien gedruckt und sind erwartungsgemäß einwandfrei im Register und auch in der Farbgestaltung.
Fazit: Wir erhalten einen stimmigen zeitgemäßen Bausatz der Lancaster mit einer fein gestalteten Oberfläche. Viele gut einsehbare Bereiche wie Cockpit oder Abwehrtürme sind teilweise schwach detailliert. Bis auf die Landeklappen sind alle Steuerflächen angegossen, das ist kein Standard mehr in diesem Maßstab! Ebenso hat der Hersteller auf die Anwendung von Slide-Molding-Technik verzichtet. Gerade diese letzten Defizite lassen den Verkaufspreis von um die € 100.- als unverschämt erscheinen.
Erhältlich bei gut sortierten Modellbauhändlern oder für Händler bei Glow2B.
Andreas Beck, April 2021